154 Meter unter dem Meeresspiegel

Mit Jack aus Australien und Li aus Japan schlendere ich über den Nachtmarkt in Kashgar. Es dampft und duftet aus allen Richtungen. Ein wahres Festmahl für die Sinne. Eine Garküche reiht sich an die nächste und überall stehen Tische und Bänke bereit, die dazu einladen sich zu setzen, um von den vielen Köstlichkeiten zu probieren. Und das machen wir ausgiebig. Ob verschiedene Nudel- oder Reisgerichte, Suppen, Schaschlik mit Brot oder Ei am Stiel, alles testen wir mal durch. Und jeder bei jedem. Wirklich Schade, dass man so schnell satt ist und einfach nichts mehr Platz hat im Bauch. Aber wir haben ja ein paar Tage Zeit. Das Essen auf dem Nachtmarkt oder auf der Straße generell ist äußerst preiswert. Für knapp 1,50 € bekommt man eine Schüssel voll Reis oder Nudeln, Gemüse und Fleisch und das reicht eigentlich schon völlig aus, um satt zu werden. Und es ist so unglaublich lecker….ich fühl mich wie im siebten Himmel.

Li spricht etwas Chinesisch und kann Jack und mir daher ein paar einfache Begrüßungsfloskeln beibringen. „Nihao“ heißt „Hallo“, „Sai-Dschien“ „Auf Wiedersehen“ und „Che Che“ heißt „Dankeschön“. Mal sehen, wie lange ich das behalten kann. Auch die Zahlen von eins bis zehn üben wir. Aber da versage ich kläglich. Das kann ich mir keine Minute lang merken. Fast genauso verwirrend sind am Anfang auch die Handzeichen für die jeweiligen Zahlen. Bis zur Fünf zählt man in China fast wie in Deutschland. Begonnen wird allerdings mit dem Zeigefinger. Dazu kommen dann der Reihe nach Mittel- und Ringfinger, kleiner Finger und dann der Daumen. Und schon hat man Fünf. Dann wirds allerdings kompliziert, denn es geht mit der gleichen Hand weiter. Die Sechs wird mit ausgestrecktem Daumen und kleinem Finger dargestellt, für die Sieben drückt man Daumen, Zeige- und Mittelfinger aneinander, die Acht sind ausgestreckter Daumen und Zeigefinger, für die Neun rollt man den Zeigefinger etwas zusammen und für die Zehn kreuzt man beide Zeigefinger miteinander und formt ein Plus. Bis man das mal raushat. Anfangs waren daher die Preise für ein Essen immer eine kleine Überraschung gewesen….

In Kashgar bleib ich drei Tage lang. Erstmal ein bisschen akklimatisieren, umschauen und in China ankommen. Und dann gehts weiter. Mit einem Fernbus. In dem gibt es allderings keine Sitze sondern nur Betten. Es geht Richtung Norden nach Urumqi. Insgesamt 28 Stunden dauert die Fahrt. Durch eine immer gleich aussehende Landschaft. Karge Berge wechseln mit wüstenähnlichen Landschaften ab. Hin und wieder mal eine Stadt oder ein Dorf. 1400 Kilometer lang. Sonderlich weit sieht das auf der Landkarte allerdings trotzdem nicht aus. China ist riesig. Das sind ganz Dimensionen als in Europa. Bewusst wird mir das in Urumqi, als eine Hostelmitarbeiterin mir sagt, dass sie bzw. ihre Eltern ganz in der Nähe wohnen und sie nur sieben Stunden mit dem Zug bis zu ihnen nach Hause fährt. In Deutschland wär das in etwa die Strecke Freiburg – Berlin. Allein Xianjang – die Provinz, in der ich mich gerade befinde – ist größer als Deutschland, Frankreich, die Schweiz und Spanien zusammengenommen. Daher hab ich mich auch entschlossen etappenweise immer auch mal den Bus zu nutzen. Dann brauch ich nicht so durchs Land zu hetzen. Wär irgendwie Schade drum. Momentan reise ich also eher etwas gemächlicher und bleib auch mal zwei, drei Tage an einem Ort. Eben, so wie in Kashgar oder in Urumqi.

Von Urumqi hab ich mich dann allerdings wieder mit dem Fahrrad aufgemacht. Nach Turpan. Mit 154 Metern unter dem Meeresspiegel, einer der am tiefsten gelegenen Orte der Erde und zugleich der heißeste Ort Chinas. Im Sommer kann es hier bis zu 48°C heiß werden. Aber zum Glück ist der ja vorbei. Nicht auszudenken…

Abgesehen von einem kleinen Abstecher durch die Berge führt die Fahrt nach Turpan quasi immer parallel an der Autobahn entlang. Nicht gerade eine Traumstrecke. Wobei es landschaftlich eigentlich ziemlich schön ist: rechts und links der Straße ragen die schneebedeckten Berge des Tien-Shan-Gebirges auf. Mal mehr mal weniger weit entfernt. Allerdings fällt das kaum auf, denn entlang der Straße ist alles scheinbar wahllos zugebaut. Viele Windräder stehen an der Strecke und dazu passiere ich immer wieder ziemlich heruntergekommene Straßendörfer in denen sich der Müll zum Teil bergeweise an den Hauswänden entlang und hinauf türmt. Aber auch an der Straße verteilt liegt immer wieder Müll herum. Nicht, dass das in anderen Ländern überhaupt nicht der Fall gewesen wäre, aber hier in China fällt es mir besonders auf. Wobei es in Kashgar und Urumqi allerdings ziemlich sauber gewesen ist.

Zwei Tage bin ich jetzt in Turpan gewesen. Morgen wird es für mich dann wieder weiter gehen. Weiter Richtung Osten. Mein nächstes großes Ziel ist Xian. Bis ich dort ankomme, werden aber sicher noch einige Tage vergehen.