Auf nach Usbekistan

Fahrräder verboten. Das Schild, das die Autobahnauffahrt markiert, ist eindeutig und lässt leider keinerlei Spielraum für Interpretationen. Irgendwie hab ich wohl eine Abzweigung verpasst. Aber ich muss zum Flughafen und das am besten ohne große Umwege. Mein Flug nach Usbekistan geht zwar erst heut Nacht, aber ich muss noch mein Fahrrad verpacken und da ich zum ersten Mal mit einem Fahrrad im Gepäck fliege, hab ich keinerlei Ahnung wie und wo ich das am Flughafen machen soll. Jetzt könnt ich meine Karte gebrauchen. Die hab ich heute allerdings verschenkt, weil ich dachte, dass ich sie nicht mehr brauchen werde. Blöd. Jetzt wär eigentlich der richtige Zeitpunkt, um einen Blick drauf zu werfen. Knapp 40 Kilometer sinds von hier noch bis zum Flughafen. Aber da ich hier sowieso nicht mehr umdrehen kann, muss ich wohl erstmal rauf auf die Autobahn. LKWs und Motorräder sind in diesem Abschnitt übrigens auch nicht erlaubt. Nur hält sich kaum jemand daran. Reihenweise braust alles was fahren kann an mir vorbei. Die Motorräder mit bis zu vier Personen und abenteuerlichen Gepäckkonstruktionen. Mit Vollgas und im Rückwärtsgang kommt mir sogar ein PKW entgegengefahren, dessen Fahrer zuvor an einem der vielen Stände auf dem Randstreifen Blumen gekauft hat. Das beruhigt mich alles irgendwie. Da bin ich nicht der einzige, der aus der Reihe tanzt.

Ebenfalls beruhigend ist, dass Polizei mich nicht weiter beachtet. Aber das wird sicher noch kommen. Spätestens an der Mautstelle. Da ich aber für heut Abend jedwede Art von Komplikation vermeiden möchte, verlasse ich die Autobahn an der nächstmöglichen Ausfahrt, hoffe auf eine gute Ausschilderung zum Flughafen und versuche einen Weg über die Landstraßen zu finden. Nach wenigen Kilometern muss ich jedoch einsehen, dass das ziemlich aussichtslos ist. Auch mein GPS-Gerät hilft mir nicht weiter. Die Karte ist äußerst lückenhaft und zeigt mich nur als grünen Punkt auf weißer Fläche an. Was also machen? Ich überleg kurz und fahr zurück zur Autobahn. Irgendwie muss das jetzt gehen. Wird ja auch schon dunkel.

Reihenweise drehen sich die Autofahrer nach mir um. Ich bin wohl doch nicht so unauffällig, wie gedacht und gehofft. Und bald komm ich auch schon an die Mautstelle. Jetzt bin ich gespannt. Wie erwartet werde ich von der Polizei aus der Kolonne herausgewunken. Wo ich denn hinmöchte, ist die verwunderte Frage. Zum Imam-Khomeini-Flughafen meine Antwort. Und ein bisschen unbeholfen füge ich dem noch hinzu, dass ich ein Tourist bin. Ein musternder Blick wandert von mir zu meinem Fahrrad, dem ganzen Gepäck, dem riesigen Karton auf dem Gepäckträger und wieder zurück zu mir. Und dann werde ich mit einem kurzen Kopfnicken durchgewunken. Na das hätt ich jetzt nicht gedacht. Bloß schnell weg hier. Nicht, dass sich das noch jemand anders überlegt. Bei der nächsten Kontrolle das gleiche. Nachdem ich erklärt habe, dass ich zum Flughafen will, winkt man mich durch, salutiert und wünscht eine gute Weiterfahrt. Ach, ich mag den Iran…

Wohlbehalten komme ich nach zwei Stunden Fahrt am Flughafen an. Am Informationsschalter frage ich, wo ich mein Fahrrad verpacken kann. Es gibt eine Verpackungsstation, irgendwo am anderen Ende der Halle. Aber vorher muss ich an Schalter 3 und durch die Sicherheitsschleuse. Alle Taschen und auch mein Fahrrad werden durchleuchtet. Und dann bin ich auch schon im Flughafen und kann mir ein ruhiges Plätzchen suchen, wo ich mein Fahrrad soweit auseinanderbaue, dass es in den Karton passt, den ich mir in Teheran besorgt habe. Gar nicht so einfach. Heute morgen sah der Karton irgendwie viel größer aus. Nach vielen Versuchen ist alles verstaut und zugeklebt. Bis auf mein Hinterrad. Das muss ich extra verpacken. Ganz abenteuerlich wird das dann an dem Karton befestigt und in Folie eingewickelt. Hoffentlich übersteht mein Radl den Flug. Und hoffentlich kommt es auch mit mir in Usbekistan an. Man hört ja so einiges.

Nach der Gepäckabgabe hab ich noch etwas Zeit. Ich laufe durch den weiten Hallen und genieße einfach die geschäftige Flughafenatmosphäre. So oft erleb ich das ja auch nicht. Im Dutyfree-Shop gebe ich meine letzten Rial aus und decke mich noch mit Chips und Leckereien ein. Da hab ich gerade irgendwie Lust drauf. Um 4 Uhr morgens sitze ich dann im Flugzeug und pünktlich auf die Minute hebt der Flieger Richtung Usbekistan ab.

Sechs beeindruckende Wochen im Iran liegen hinter mir. Beeindruckend, was die Landschaft, vor allem aber, was die Menschen hier betrifft. Noch nie habe ich so viel Gastfreundschaft und so eine große Aufgeschlossenheit und Hilfsbereitschaft gegenüber fremden Menschen erlebt. In keinem der Länder, in denen ich bisher mit dem Fahrrad unterwegs gewesen bin. Ein Stück weit war ich ja schon darauf vorbereitet, weil ich viele Reisende getroffen habe, die hier im Iran gewesen sind. Es ist aber trotzdem nochmal etwas anderes, wenn man das dann tatsächlich selber erlebt. Und vor allem in dieser Intensität und Menge. Diese vielen Eindrücke und Erlebnisse müssen sich jetzt erstmal setzen und ankommen bei mir. Derweil mach ich mich auf den Weg in ein neues Land.

Usbekistan. Ich bin gespannt, wie es wird.

Ein Abstecher in die Wüste

Maranjab. Seit ich das erste Mal hier war, geistert dieser Name nun schon in meinem Kopf herum und lässt mich gar nicht mehr los. Mitte September war das. Damals allerdings mit dem Auto. Aber schon damals schien mir die Strecke vom bequemen Beifahrersitz des Geländewagens aus eine ziemliche Herausforderung zu sein. Zumindest für jemanden, der hier ohne motorisierte Hilfe unterwegs ist. Mit knapp 40 Kilometern ist der Weg von Kashan bis nach Maranjab ja eigentlich gar nicht mal so lang. Aber es geht eben immer durch die Wüste und auch immer weiter in diese hinein. Auf unbefestigten Wegen, zum Teil durch knöcheltiefen Sand – und ohne eine Möglichkeit sich mit Wasser zu versorgen. Dazu ist es heiß und man ist hier auch relativ allein unterwegs. Ab und zu kommt zwar ein Auto vorbei, aber deren Anzahl ist doch eher überschaubar. In den letzten Tagen hab ich mich daher immer wieder gefragt, wie das wohl ist, die Strecke mit dem Rad zurückzulegen. Dass das machbar ist, hab ich ja an den zwei Radlern aus Jena gesehen. Und spätestens seit dem stand für mich fest, dass ich das auch probieren muss. Unbedingt. Daher konnte ich jetzt auch nicht einfach direkt nach Teheran zurückfahren sondern hab eben nochmal einen Zwischenstopp in Kashan eingelegt.

Den hiesigen Busbahnhof erreichen wir von Isfahan aus nach knapp drei Stunden. Spätestens beim Aussteigen fällt mir auf, was es doch ausmacht in einem klimatisierten Reisebus unterwegs zu sein. Anders als in Isfahan herrschen hier in Kashan nämlich noch hochsommerliche Temperaturen. Der Unterschied zum Businneren beträgt daher wenigstens 10°C und ist überdeutlich zu spüren. Augenblicklich fühl ich mich wieder wie in einem Backofen. Und dabei hatte ich mich schon gefreut, dass langsam mal der Herbst mit etwas angenehmeren Temperaturen Einzug hält. Ich glaub, seitdem ich Batumi in Georgien verlassen habe, gab es – außer jetzt in Isfahan – keinen einzigen Tag mehr, an dem die Temperaturen nicht auf Werte zwischen 30 und 35°C geklettert wären. Aber gut, es dauert hoffentlich nicht allzu lang, bis ich mich wieder an diese Hitze gewöhnt habe.

Nachdem ich mein Fahrrad aus dem Bus gehievt und das ganze Gepäck festgezurrt habe, mach ich mich auf dem Weg in die Stadt. Ich muss mich ja noch mit Proviant eindecken. Spätestens um 15:30 Uhr möchte ich dann Kashan hinter mir gelassen und den Wüstenrand erreicht haben. Dann hätt ich noch 3,5 Stunden Zeit bis die Sonne untergeht. Das sollte eigentlich reichen, um bis zur Karawanserei zu kommen.

Was braucht man denn für 40, notfalls auch 80 Kilometer Wüste am Stück? Gute Frage… Ich rechne einfach mal mit einem Liter Wasser auf 10 Kilometer, also knapp acht Liter Wasser insgesamt. Das müsste für die Hinfahrt und wenns sein muss auch noch für die Rücktour reichen, sollte ich z. B. unterwegs irgendwo liegenbleiben. Für heute Abend hab ich außerdem noch Reis und für morgen früh Haferflocken und ein bisschen Apfelsaft. In einem kleinen Laden kaufe ich also 5 Flaschen Wasser á 1,5 Liter, dazu passierte Tomaten und für zwischendurch eine Packung Kekse. Alles schnell irgendwo verstauen und dann gehts los.

Ich verlasse Kashan und durchquere die kleine Stadt Aran. Irgendwie merke ich, dass ich ziemlich nervös und angespannt bin. Warum eigentlich? Es sind nur 40 Kilometer, ich hab reichlich zu Essen und Trinken dabei und auf meiner gesamten Reise hatte mein Rad noch keinen einzigen Defekt, abgesehen von einem Platten nach 7000 Kilometern. Von daher ist doch eigentlich alles im grünen Bereich. Aber trotzdem hab ich ziemlichen Respekt vor dieser Strecke. Es ist für mich ja das erste Mal, dass ich mit dem Fahrrad in die Wüste fahre.

Hinter Aran passiere ich eine Station des Roten Halbmondes. Quasi der letzte Außenposten. Als ich vorbeifahren will, streckt Sayd seinen Kopf zur Tür heraus und winkt mich zu sich ins Haus. Ich soll mich in eine Liste eintragen. Nur meinen Namen. Das Datum und den Rest ergänzt Sayd auf Farsi. Da er gerade am Kochen ist, lädt er mich gleich noch zum Essen ein. Es gibt Rührei, Fleisch und Brot. Eine ganze Pfanne voll. Das reicht locker für zwei. Sayd gibt mir noch ein paar Tipps zur Strecke. Vor allem meint er, dass ich ein bisschen beim Zelten aufpassen soll. Hier gibts nämlich Skorpione. Die sind jetzt wohl nicht mehr so aktiv, es könnt aber trotzdem sein, dass ich einem begegne. Und um seine Aussage etwas zu unterstreichen, steigt er auf eine Leiter, holt von einem Schrank eine Dose herunter und zeigt mir zwei Skorpione, die er vor kurzem hier gefangen hat. Na dann, gut zu wissen….

Nach einer halben Stunde mach ich mich dann wieder auf den Weg. Mittlerweile ist es ja schon 16 Uhr. Zunächst geht es auf einer breiten Schotterpiste in die Wüste hinein. Zum Teil verlaufen mehrere Wege parallel nebeneinander, da der Hauptweg stellenweise voller Bodenwellen und Schlaglöcher ist und daher nur noch sehr langsam befahren werden kann. Aber gut, Platz gibts ja hier genug. Für die Orientierung ist das allerdings etwas ungünstig, weil die Wege zum Teil fünfzig Meter und mehr auseinanderliegen und man an einer Gabelung manchmal gar nicht so einfach erkennen kann, ob man jetzt an einer Abzweigung steht und hier ein neuer Weg anfängt oder nicht. Ich bleib daher einfach immer auf dem Hauptweg. Bodenwellen hin oder her.

Soweit klappt das ja alles ganz gut, stell ich nach einer Weile beruhigt fest. Viel mehr als Schritttempo ist zwar oft nicht drin, aber dafür gibts dann auch wieder Passagen, wo es etwas schneller geht. Da ein leichter Wind geht, empfinde ich die Temperaturen ebenfalls als angenehm. Dazu halten die Autos, die an mir vorbeifahren, fast alle an und fragen, ob ich irgendetwas brauchen könnte. Schnell hab ich mich daher mit der Wüste angefreundet.

Dazu ist die Strecke selbst überaus abwechslungsreich. Flache Passagen wechseln sich mit bergigen Etappen ab. Mal ist der Weg gut befahrbar und mal ist es ziemlich sandig, so dass ich absteigen und schieben muss. Und wie beim letzten Mal, ist es ganz ruhig. Ich höre eigentlich nur das Knirschen meiner Reifen im Sand und das Klappern meiner Taschen, wenn es auf dem Weg mal allzu holperig wird.

Meinen Zeitplan kann ich halbwegs einhalten. Gegen halb acht komm ich in Maranjab an. Da morgen Freitag ist, ist hier ziemlich viel los. Die Karawanserei ist komplett belegt, so dass im Innenhof auch Zelte aufgebaut werden. Viele Iraner verbringen hier ihr Wochenende. Dazu teffe ich auch einige Touristen aus Deutschland, Österreich, England und Frankreich. Ziemlich international. Hätt ich vorher nie gedacht, da die Karawanserei ja schon recht abgelegen ist. Ich setz mich auf eine Treppe im Innenhof und koch mir erstmal mein Abendessen. Zum Glück kann ich hier auch meine leeren Wasserflaschen auffüllen. Daher gibts zum Abendessen gleich auch noch einen Kaffee. Ich bin erleichtert und froh, dass das so gut geklappt hat und genieße es jetzt einfach hier zu sein. Mitten in der Wüste, in Maranjab.

Ich unterhalte mich lange mit einer Gruppe junger Iraner, die neben mir in einem der Räume Quartier bezogen haben. Sie sind für eine Geburtstagsfeier hergekommen und wollen auf jeden Fall nicht vor 6 Uhr am nächsten Morgen ins Bett gehen. Definitiv zu lang für mich. Denn obwohl ich heute gar nicht so weit gefahren bin, bin ich ziemlich müde. Gegen Mitternacht fahr ich daher ein paar Meter raus in die Wüste, baue mein Zelt auf und schlaf auch gleich ein.

Der nächste Tag beginnt mit einem langen Frühstück am Zelt. Es gibt Haferflocken mit Apfelsaft und ein paar Tassen Kaffee. In Maranjab füll ich dann nochmal meine Wasserflaschen auf und will dann eigentlich gleich weiter. Kaum hab ich aber mein Fahrrad abgestellt, werde ich von einer Gruppe Iraner, die ich gestern Abend kurz getroffen habe, zum Frühstück eingeladen. Es gibt Tee, Brot und eine Soße aus Tomaten, Zwiebeln, Fleisch und Paprika. Wenn ich das richtig erkannt habe. Eine lustige Truppe. Es wird viel gesungen, gelacht und geklatscht. Und schnell wird auch ein Lied vom Mister Mätjus zusammengereimt, der mit dem Fahrrad bis in den Iran gefahren ist und so laut gesungen, dass man das sicher in der ganzen Karawanserei hört. Ich muss die ganze Zeit lachen, obwohl ich ja praktisch nichts verstehe.

Gegen 11 Uhr mach ich mich dann auf den Rückweg nach Kashan. Ich bekomm noch ein paar Granatäpfel mit auf den Weg und eine Flasche mit gefrorenem Wasser. Mitten in der Wüste, unglaublich!! Aber da freu ich mich jetzt schon ganz besonders drauf, wenn das später am Auftauen ist….

 

Neun Tage Isfahan

105 km/h zeigt der Tacho an. Ein ganz besonderer Moment auf meiner Reise, eine Premiere wenn man so will. Ich sitze nämlich im Bus. Mein Fahrrad ist im Gepäckraum verstaut und zum ersten Mal, abgesehen von kleineren Ausflügen, bewege ich mich mit motorisierter Unterstützung fort. Wie entspannend und komfortabel das doch sein kann. Die Landschaft fliegt an mir vorbei. Und die Strecke, für die ich normalerweise einen Tag brauchen würde, liegt bereits nach einer knappen Stunde hinter mir. Dazu gibts eine Boardtoilette, verstellbare Ledersitze mit Armlehnen, kostenlose Getränke, Kuchen und eine Klimaanlage. Das lässt mich die heiße Wüstenlandschaft hinter dem Busfenster ganz anders wahrnehmen, als noch vorletzte Woche auf dem Weg hierher. Drei Stunden Luxus. So lange werde ich bis nach Kashan brauchen. Hierher wollte ich ja nochmal einen Abstecher machen, um zur Karawanserei Marandjab in die Wüste zu fahren. Zum ersten Mal mit dem Fahrrad in der Wüste. Lauter Premieren heute. Ich bin schon ganz gespannt, wie das nachher wird.

Neun Tage bin ich jetzt in Isfahan gewesen. Ziemlich lang für eine Stadt. Gerade wenn man bedenkt, dass ich ursprünglich nur fünf Tage bleiben wollte. Aber genau wie damals in Tiflis ist die Zeit wieder wie im Fluge vergangen und kommt mir wesentlich kürzer vor. Und der Aufbruch fällt mir auch alles andere als leicht. Aber das ist auch nicht wirklich verwunderlich – bei dieser Stadt. Isfahan zählt ja zu den schönsten Städten im Iran und gilt als das beliebteste Reiseziel im Land, sowohl für die Iraner selbst, als auch für Touristen aus dem Ausland. Es gibt hier so unglaublich viel zu sehen, zu entdecken und zu tun, dass ich eigentlich noch viel länger hätte bleiben können.

Insbesondere auch, weil ich wieder so viel Glück mit meiner Unterkunft hatte. Ich übernachte ja gerne in Hostels. Und genau in einem solchen bin ich nach einem Tipp von einem Iraner wieder gelandet. Im Amir-Kabir-Hostel. Stadtnah, preiswert, mit einem wunderschönen Innenhof und das Beste: voller Reisender. Sowohl Backpackern, als auch Motorrad- und Fahrradfahrern oder Leuten, die seit Monaten einfach zu Fuß unterwegs sind. Von jung bis alt und aus allen Herrenländen. Hätt ich gar nicht gedacht, dass man im Iran so viele Individualreisende trifft. Einige sind hier für eine Rundreise, es gibt aber auch viele Langzeitreisende, die auf verschiedensten Routen in Richtung Südostasien oder Afrika unterwegs sind oder von dort kommen. Reichlich Gelegenheit für interessante Gespräche. Ich finds ja immer wieder total spannend mich mit anderen Reisenden austauschen zu können, von deren Erfahrungen und Erlebnissen zu hören und auch den ein oder anderen Tipp für meine Weiterreise zu bekommen. Außer in Hostels hab ich dazu ja normalerweise kaum die Gelegenheit.

Aber auch ansonsten lässt es sich in Isfahan ganz gut aushalten. Ganz klassisch hab ich mir viele der bekannten Sehenswürdigkeiten angesehen: verschiedene Moscheen, Kirchen und Museen sowie den Basar, der mit zu den größten im Iran zählt. Abseits kultureller Entdeckungstouren hab ich mich aber auch oft einfach durch die Stadt treiben lassen oder mich irgendwo in einem der vielen Parks gesetzt und mir dort Kaffee oder mein Abendessen gekocht. Vor dem Flug nach Usbekistan muss ich ja noch mein ganzes Benzin loswerden. Von daher lief mein Kocher die letzten Tage quasi im Dauerbetrieb. Neben mir immer auch viele andere Familien. Wie schon in der Türkei, sieht man hier im Iran überall in den Parks Familien sitzen und picknicken. Lang allein bleib ich daher eigentlich nie. Oft werde ich ziemlich schnell eingeladen und dann auch mit Fragen bombardiert: Wo komm ich her? Wo fahr ich hin? Was ist mein Beruf? Wie finde ich den Iran? Es sind immer die gleichen Fragen. Aber nie aufdringlich, sondern immer entspannt und sehr angenehm. Zum Kaffee gibts für mich daher also meist auch noch Tee, beutelweise Sonnenblumenkerne und manchmal gleich auch noch ein komplettes Abendessen. Könnt daher gut sein, dass ich die letzten Wochen etwas zugenommen hab…

Neben dem entspannten Teil hatte ich in Isfahan auch einige Behördengänge zu erledigen, denn da ich bereits vier Wochen im Iran bin, war es jetzt mal an der Zeit mein iranisches Visum zu verlängern. Das ging relativ problemlos. Einen Antrag ausfüllen, zwei Fotos abgeben, knapp 15 € bei einer Bank einzahlen und nach zwei Tagen war die Sache erledigt und ich hatte einen weiteren Stempel im Pass. So langsam füllt der sich und sieht auch schon längst nicht mehr so neu aus, wie am Anfang meiner Reise.

Naja, und so sind jetzt aus den geplanten fünf Tagen eben auch ganz schnell neun geworden. Aber weiter schlimm ist das nicht, denn wenn ich gerade etwas im Überfluss habe, dann ist es Zeit. Auf jeden Fall noch bis Anfang Oktober. Denn so lange muss ich noch warten, bis ich nach Usbekistan weiterreisen kann. Alles was ich bis dahin noch brauche, ist das Visum für China und das Flugticket nach Taschkent. Beides werde ich mir in Teheran besorgen und daher hab ich mich jetzt auch mal wieder auf den Rückweg gemacht. Aber den Zwischenstopp in Kashan, den wollt ich mir auf jeden Fall noch gönnen. Noch knapp zwei Stunden Fahrt, dann bin ich da….

 

 

Visastress und eine Planänderung

Eigentlich hatte ich mir das alles ja ganz anders vorgestellt: ein paar Tage in Teheran verbringen, Visa beantragen, gemütlich eins nach dem anderen abholen, mit dem Bus für zwei, drei Tage nach Isfahan fahren, dann zurück nach Teheran und anschließend mit dem Rad weiter Richtung turkmenische Grenze. Das war der Plan. So ganz geklappt hat das jedoch nicht. Immerhin bin ich aber schon mal in Isfahan. Allerdings nicht mit dem Bus sondern mit dem Rad. Und dazu visatechnisch auch noch mit fast leeren Händen. Momentan also kaum ein Grund für Jubelschreie. Was meine Visa betrifft ist Teheran irgendwie ganz anders verlaufen, als ich mir das erhofft hatte. Aber, was soll ich machen… Zumindest hatte ich in den letzten Tagen ein bisschen Zeit, um meine Situation zu überdenken und mir einen Plan B zurechtzulegen. Und jetzt hoffe einfach mal, dass der aufgeht.

Aber der Reihe nach. Anfangs sah alles eigentlich ganz gut aus. Bei meinem Visamarathon hab ich auf jeden Fall einen Bilderbuchstart hingelegt. Die Beantragung des usbekischen Visums verlief ohne jegliche Probleme. Keine zehn Minuten hat es gedauert, schon war das Visum in meinen Pass geklebt und ich konnte wieder gehen. Geholfen hat mir hier, dass ich mir im Vorfeld die empfohlene Referenznummer besorgt hatte. Mit einem deutschen Pass braucht man die zwar nicht unbedingt, aber mit nur 70,-€ Einsatz lässt sich die Wartezeit auf das Visum, von ansonsten mehreren Tagen, auf nur wenige Minuten verkürzen. Und das war es mir auf jeden Fall Wert. Beim dem Visum für China fing das Drama dann aber an. Zwar hätte ich das auch ohne weiteres bekommen können, allerdings wäre mir für die Einreise lediglich ein Zeitfenster von 30 anstatt 90 Tagen eingeräumt worden. Eine neue Regelung. Bis vor kurzem wurde das auf jeden Fall noch anders gehandhabt.

Mit dem Flugzeug oder Bus wär das sicher kein Problem, aber mit dem Fahrrad ist die Strecke von Teheran nach China in 30 Tagen kaum zu bewältigen. Theoretisch wär es vielleicht machbar, aber genießen könnt man das sicher nicht mehr. Geschweige denn, dass man Zeit hätte sich irgendetwas anzuschauen, oder mal ein paar Tage irgendwo zu bleiben. Daher scheidet diese Option für mich aus. Das Visum für China in einem Folgeland zu besorgen wäre möglich, allerdings scheint es, als würden sich die Vergabekriterien immer wieder mal ändern, so dass ich heute nicht sicher sagen könnte, ob ich mein Visum für China dann später auch so ohne Weiteres erhalten würde. Und China möchte ich schon gern sehen. Teheran hingegen wäre visatechnisch – zumindest aktuell – eine ziemlich sichere Sache. Vor allem würde es sehr schnell gehen. Und das ist ein entscheidender Punkt. Denn bei meiner Routenplanung spielt das Wetter ja ebenfalls eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Vermeiden will ich auf jeden Fall erst im November über die Berge nach China zu fahren. Ich denk, das wär dann einfach viel zu kalt. Daher wär es gut, wenn das mit den ganzen Visa so schnell wie möglich erledigt wäre.

Nach langem Hin und Her und einigen schlaflosen Nächten hab ich mich nun dazu entschieden, von Teheran aus nach Taschkent in Usbekistan zu fliegen und dann von dort mit dem Fahrrad über den Irkeshtam-Pass nach China einzureisen. Das war jetzt für mich die naheliegendste Lösung. Das einzige Problem an dieser Sache ist, dass mein usbekisches Visum erst ab den 01.10. gilt, da ich ja eigentlich noch nach Turkmenistan wollte und daher den Gültigkeitszeitraum entsprechend nach hinten verlegt habe. Vor dem 01.10. kann ich also nicht nach Usbekistan einreisen. Mein iranisches Visum läuft jedoch schon in knapp 10 Tagen aus. Allerdings kann ich das wohl recht einfach verlängern. Ich hoff daher mal, dass das so klappt. Dann würde ich bis Ende September im Iran bleiben und anschließend nach Usbekistan fliegen. Und Turkmenistan, das lass ich jetzt einfach ganz weg. Ziemlich Schade, aber das scheint für mich jetzt einfach am sinnvollsten zu sein.

Und da ich ja nun nicht mehr, wie gehofft, bis nach China durchfahren kann, hab ich mich dazu entschlossen wenigstens die Strecke bis Isfahan komplett mit dem Rad zurückzulegen. Irgendein markantes Ziel wollt ich schon gern haben, ab dem ich dann zum ersten Mal auf ein anderes Verkehrsmittel umsteige. China wär meine Idealvorstellung gewesen, aber mit Isfahan kann ich mich auch ganz gut arrangieren. Im Iran war Isfahan für mich ja sowieso immer das Ziel schlechthin gewesen. Zum einen weil es eine der schönsten Städte des Landes sein soll und mir immer wieder als Reiseziel empfohlen wurde und zum anderen, weil es ja die Partnerstadt von Freiburg ist. Und als bekennender Wahlfreiburger wollt ich schon lange mal nach Isfahan fahren und mir die Stadt anschauen. Hier kann ich dann hoffentlich auch mein Iranvisum verlängern. Zurück nach Teheran würd ich dann nach vier, fünf Tagen fahren, um dort dann Ende September das Visum für China zu beantragen. Dann hätt ich genügend Zeit für die Einreise und wär auch nicht zu spät in den Bergen. So sieht er nun aus, mein neuester Plan.

Am letzten Dienstag mach ich mich daher auf die knapp 450 Kilometer lange Etappe von Teheran nach Isfahan. Landschaftlich sehr beeindruckend geht es dabei immer am Rand der Wüste Dasht-e-Kavir entlang. Abgesehen von dem gelegentlich recht hohen Verkehrsaufkommen ist es hier richtig einsam. Städte oder auch kleinere Ortschaften finden sich kaum, so dass ich nun zum ersten Mal auch ein bisschen auf meinen Wasservorrat schauen muss. Sicher, wenn mir das Wasser ausgehen würde, könnte ich bestimmt ein Auto anhalten. Da ich ja auf der alten Verbindungsstraße von Teheran nach Isfahan unterwegs bin und es hier genügend Fahrzeuge gibt, wär das auf jeden Fall kein Problem. Verdursten müsste ich also nicht. Aber es ist doch schon ein ganz anderes Fahren als bspw. in Armenien, wo es überall Brunnen gibt, an denen man immer schnell mal seine Wasservorräte auffrischen kann. Die Abstände zwischen den einzelnen Versorgungsmöglichkeiten sind hier auf der Strecke auf jeden Fall deutlich größer.

Zu schätzen gelernt habe ich außerdem den Vorteil einer guten und aktuellen Karte. Eine solche hab ich nämlich nicht. Wobei es nicht so ist, dass ich nicht danach gesucht hätte. Aber es gibt hier kaum Läden, die brauchbare Karten anbieten. In Tabriz, ganz am Anfang meines Iran-Aufenthaltes, war ich in mehreren Buchhandlungen, ohne Erfolg. Die einzige Karte, die ich in einem kleinen Laden bekommen habe, ist eine Straßenkarte aus dem Jahr 2007, die eine Übersicht über den gesamten Iran zeigt. Allerdings ist diese bei weitem nicht mehr auf dem neuesten Stand, weswegen ich kurz hinter Teheran auf einmal an einer Autobahnauffahrt stehe, wo laut Karte eigentlich eine normale Landstraße hätte sein sollen. Die 40 Kilometer zur letzten Abzweigung muss ich daher wieder zurückfahren. Aus diesem Grund orientiere ich mich seitdem mittels einer Kombination aus Straßenbeschilderung, meiner ungenauen analogen und einer sehr einfachen digitalen Landkarte. Und so hat das dann auch einigermaßen geklappt. Verfahren hab ich mich seitdem zumindest nicht mehr.

Um noch ein wenig mehr von der Umgebung zu erleben, hab ich auf dem Weg nach Isfahan einige Pausen eingelegt. Bei den vielen Kilometern und dem Visastress ist das bisher eindeutig zu kurz gekommen. So mache ich in Ghom Halt, dem religiösen Zentrum des Iran. Hier bleibe ich einen Tag und schaue mir die Stadt an, vor allem die Imam-Hassan-Moschee sowie den Heiligen Schrein der Fatima, einem Gebäudekomplex, der zu den wichtigsten religiösen Orten im Iran zählt und mit seinen vielen Kuppeln und Minaretten auch aus architektonischer überaus beeindruckend ist. Sicher auch aufgrund dieser religiösen Bedeutung ist Ghom eine eher konservative Stadt. Hier sehe ich auffallend viele verschleierte Frauen. Auf jeden Fall deutlich mehr, als in anderen Landesteilen.

Nach Ghom führt mich mein Weg nach Kashan. Hier lerne ich Elham kennen. Bei ihr und ihrer Familie kann ich für eine Nacht bleiben. Und das, obwohl sie alle am späten Abends mit dem Nachtbus zu den Großeltern ins knapp 800 Kilometer entfernte Busher fahren. Den Abend können wir aber noch zusammen verbringen. Wir schauen uns viele Fotos an. Vor allem von Kashan, dem Salzsee Namak und der Wüste, an die Kashan direkt grenzt. Die Bilder finde ich so beeindruckend, dass ich am nächsten Tag gern einen kleinen Abstecher mit meinem Rad dorthin machen möchte. Elham meinte aber, dass sie mir das mit dem Fahrrad nicht empfehlen würde. Zu weit und zu heiß. Aber sie könnte einen Guide organisieren, der mich dorthin bringt. Gesagt, getan. Und so steht schnell das Programm für den nächsten Tag fest. Mein Fahrrad und das ganze Gepäck kann ich für die Zeit bei Elham lassen. Kein Problem.

Pünktlich um 16 Uhr steht dann am nächsten Tag der Fahrer mit einem Nissan-Geländewagen vor der Tür und holt mich ab. Kashan liegt schnell hinter uns und schon bald befinden wir uns in der Wüste. Über staubige Sandpisten geht es dann immer weiter in diese hinein. Immer mal wieder halten wir an und laufen ein Stück, schauen uns um und machen Fotos. Ganz still ist es. Das war das Erste, was mir beim Verlassen des Autos auffällt. Absolute Ruhe. Kein Gehupe, kein Motorenlärm, keine Stimmen, kein Vogelgezwitscher. Allenfalls der Wind. 40 Kilometer sind es bis zur Karawanserei Marandjab. Die erreichen wir nach einer Stunde. Aber wir fahren noch ein Stück weiter zu einer 150 Meter hohen Sanddüne, einer der größten Dünen im Iran. Und da klettern wir hoch. Ganz oben legen wir uns im Windschatten der Düne in den Sand. Der Guide meint zu mir, ich soll mal die Augen zu machen und ganz ruhig da liegen. Und dann hör ich auf einmal nichts mehr. Nur noch meinen Herzschlag und meinen Atem. Unglaublich fühlt sich das an. Man liegt irgendwo draußen und spürt die Weite um sich herum, aber man hört nichts mehr, nur noch sich selbst. Und wenn man dann kurz die Augen öffnet, sieht man nichts als Sanddünen, die vom untergehenden Sonnenlicht angestrahlt werden. Mir kommt es vor, als hätt ich dieses Bild schon viele Male gesehen. Es sieht fast aus, wie in einem Hochglanzprospekt, nur viel, viel beeindruckender.

Die Nacht verbringen wir in der Karawanserei. Mit uns sind hier noch einige andere Gäste. Unter anderem zwei Radfahrer aus Jena. Es wär also doch machbar gewesen mit dem Rad. Dieser Gedanke wird mich in den nächsten Tagen nicht mehr loslassen…

Seit gestern bin ich jetzt in Isfahan. Ausspannen, die Stadt anschauen und mein iranisches Visum verlängern. Das steht die nächsten Tage auf dem Programm. Und mal sehen, vielleicht werd ich auf dem Rückweg nochmal einen Zwischenstopp in Kashan einlegen und in die Wüste fahren. Das wärs….

 

 

Der Iran – Erste Tage und Eindrücke

„Welcome to Iran.“ Seit ich im Iran bin, höre ich diesen Satz immer wieder. Eigentlich jeden Tag. Das erste Mal gleich an der Grenze, wo ich von einer Gruppe Iranern begrüßt werde, die mit mir auf die Einreise warten. Was die überschwängliche Gastfreundschaft der Menschen hier betrifft, wurde ich ja sozusagen vorgewarnt. Das bleibt gar nicht aus, denn je näher man diesem Land kommt, desto häufiger trifft man Menschen, die bereits hier waren und die in den höchsten Tönen von Land und Leuten schwärmen. Aber auch schon während meiner Reisevorbereitungen habe ich ständig von der großen Gastfreundlichkeit im Iran gelesen. Und sicherlich war das auch mit ein Grund dafür, dass ich hier unbedingt her wollte. Ich wollte das Land und die Menschen gern selbst mal erleben. Gerade auch weil der Iran im Westen ja nicht unbedingt das positivste Image hat und es auch nicht nur zustimmende Rückmeldungen gab, als ich sagte, dass der Iran auf meiner Reiseroute liegt. Daher war ich im Vorfeld auch schon ganz gespannt auf die Begegnungen hier. Und die sind ganz oft einfach absolut überwältigend. Wirklich jeden Tag treffe ich hier Menschen, die so überaus herzlich und hilfsbereit und bemüht sind, dass ich manchmal nur noch mit offenem Mund dastehen und staunen kann. In dieser Menge hab ich das bisher in keinem Land auf meiner Reise erlebt.

Oftmals sind es Kleinigkeiten, nur flüchtige Begegnungen, die mich ganz sprachlos machen: ein Motorradfahrer, der neben mir auf der Landstraße hält und aus seiner Tasche einen Apfel holt, mir diesen in die Hand drückt und sagt, dass der mir ein paar Meter weiter hinten aus meiner Tasche gefallen ist. Oder ein Pärchen auf dem Motorrad, dass neben mir an der roten Ampel steht, beim Weiterfahren kurz lächelt und winkt, mich dann nach etwa fünfzehn Minuten wieder überholt, anhält und eine Flasche mit eiskaltem Mineralwasser zu mir herüberreicht, wieder lächelt und winkt und dann weiter fährt. Nach solchen Aktionen muss dann oft erstmal innehalten und mich sammeln und manchmal steh ich dann noch eine Weile da und frage mich, ob das gerade wirklich passiert ist. Immer wieder bin ich aufs Neue von dieser Aufmerksamkeit und Herzlichkeit fremden Menschen gegenüber beeindruckt und besonders davon, dass manche das eben auch einfach direkt in die Tat umsetzen und wegen eines Apfels auf der Straße anhalten oder irgendwem auf der Straße eine Flasche Wasser kaufen.

Diese Hilfsbereitschaft erlebe ich hier häufig. Und auf ganz unterschiedlicher Art und Weise. In der Stadt, auf Campingplätzen, in Unterkünften geben mir Passanten oder Gäste ihre Telefonnummern für den Fall, dass ich irgendwelche Probleme oder Fragen habe, am Zelt werde ich abends angerufen und gefragt, ob alles in Ordnung ist oder ich noch irgendetwas brauche. Oder ich bekomme von wildfremden Leuten, die mich beim Einchecken sehen, Essen ans Zelt oder auch mal ins Hotel gebracht. Diese große Herzlichkeit zieht sich wie ein roter Faden durch meinen bisherigen Aufenthalt im Iran und macht es mir extrem leicht, mich in diesem Land sehr wohl zu fühlen.

Zugleich sind manche Dinge aber natürlich ganz anders als bei uns und zum Teil auch ziemlich gewöhnungsbedürftig. Zum Beispiel das oftmals deutlich geringere Distanzverhalten in Gesprächen. Schnell geht es da dann um recht persönliche Dinge, bspw. um die Höhe des Gehalts, den Familienstand oder ob man Kinder hat. Und wenn man keine hat oder nicht verheiratet ist, will man gern den Grund dafür wissen. Wobei ich mich damit aber noch ganz gut arrangieren kann. Was ich viel anstrengender finde, ist eine spürbare Distanzlosigkeit fremdem Eigentum gegenüber. Zumindest war das jetzt öfter mein Eindruck. Eh man sich versieht, wird dann ungefragt schnell mal alles am Fahrrad angefasst und ausprobiert, geklingelt, an der Schaltung herumgedrückt, der Reifendruck geprüft, das eigene Kind für ein Erinnerungsfoto aufs Fahrrad gesetzt oder ein tiefer Blick in die Lenkertasche geworfen. Auch wenn diese verschlossen ist. Es ist nicht immer so, dass mich das stört, aber manchmal eben schon.

Was ich momentan allerdings wirklich anstrengend finde ist, dass ich durch das 30-Tage-Visum ziemlichen Zeitdruck habe. Zum einen ist der Iran ja ein riesiges Land. Daher hat es auch knapp 10 Tage gedauert, bis ich überhaupt erstmal in Teheran angekommen bin. Zum anderen muss ich jetzt in Teheran sämtliche Visa für meine Weiterreise besorgen: die Visa für Usbekistan, Turkmenistan und China. Und das kann dauern, wie ich ja schon bei meinem iranischen Visum gesehen habe. Sicher, ich hätte von der Grenze auch mit dem Bus hierher fahren können. Kurzzeitig hatte ich das auch überlegt, aber weil es ja eigentlich mein Ziel war bis China jeden Meter mit dem Rad zu fahren, habe ich bisher auf andere Verkehrsmittel verzichtet. Aber ob das weiterhin so machbar ist, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Ich bin gespannt….

Um möglichst schnell in Teheran anzukommen, bin ich  ab Jolfa daher praktisch ausschließlich auf einer Transitstraße gefahren. Landschaftlich war das überraschenderweise ziemlich abwechslungsreich und schön gewesen. Insbesondere der mittlere Teil. Hauptsächlich ging es durch karge, wüstenartige Bergregionen. Und der Verkehr war, abgesehen von den Ballungszentren auch erträglich. Aber auf einer Strecke von knapp 750 Kilometern gibt es natürlich auch Abschnitte, bei denen man froh ist, wenn man diese hinter sich gebracht hat. Aber da muss man dann durch. Es kann halt nicht überall schön sein. Und trotzdem fand ich diese Strecke absolut lohnenswert, denn unterwegs habe ich jeden Tag Menschen getroffen, die mir die erste Woche im Iran zu einer der schönsten meiner bisherigen Reise gemacht haben.

Ganz besonders bleibt mir die Begegnung mit Abas in Erinnerung. Abas und ich haben uns ganz zufällig auf der Straße getroffen, als er von der Feldarbeit auf dem Weg nach Hause war. Nach der Frage, woher ich komm und wohin die Reise geht, hat mich Abas dann auch gleich zu sich nach Hause zum Essen eingeladen. Erst gab ich Abas noch zu verstehen, dass ich heute noch ziemlich weit fahren muss. Aber er ließ nicht locker. Schließlich werde ich doch sicher Hunger haben. Und außerdem würde es ja auch nicht lange dauern. Kurz etwas essen, dann kann ich auch schon weiter fahren.

Also gut. Wir fahren von der Straße runter in das Dorf in dem Abas wohnt. Es ist ein kleines Dorf mit nur wenigen Häusern. Ich habe Mühe Abas auf seinem Motorrad über die unebenen Straßen zu folgen. Aber schon nach wenigen Hundert Metern stehen wir dann aber am Tor zu seinem Grundstück. Er zeigt mir erstmal die kleine Garage und die neue Toilette im Garten, auf die er sichtlich stolz ist. Und dann soll ich schon mal vorgehen, ins Haus. Er zieht sich noch schnell um. Ich bin ganz gespannt, wie es wohl in einem iranischen Haus aussieht. An der Tür ziehe ich mir die Schuhe aus und betrete dann gleich das Wohnzimmer. Ein schlichtes Zimmer ohne Möbel. Nur der Fernseher steht auf einem kleinen Schränkchen. Der Boden ist komplett mit Teppichen ausgelegt, an der Wand lehnen Kissen. Obwohl der Raum so leer ist, find ich ihn ganz gemütlich. Abas und ich setzen uns auf den Boden. Seine Frau bringt Tee und bereitet dann das Essen vor. Ich zeige Abas Fotos aus Freiburg und meinem Zuhause, woraufhin er auch ein Fotoalbum holt und mir Bilder von sich und seinen Kindern zeigt.

Nach dem Tee wird eine Tischdecke auf dem Boden ausgebreitet und dann kommt auch schon das Essen. Es gibt Reis und eine scharfe Soße mit Gemüse und Fleisch. Dazu Weintrauben und Brot. Und eine Cola. Sogar mit Eiswürfeln. Es schmeckt ganz fantastisch und ich ess ganz langsam, um jeden Bissen genießen zu können. Nach dem Essen gibt es nochmal Tee. Und dann muss ich mich bald wieder auf den Weg machen. Es ist ja schon halb drei und im Prinzip hab ich noch meine gesamte Tagesetappe vor mir. Abas bringt mich noch an die Straße, es gibt ein Küsschen rechts und links und dann bin ich auch schon wieder unterwegs.
Beeindruckend fand ich es bei Abas und seiner Frau zu Hause. Wie anders es hier doch im Vergleich zu Armenien ist. Das hat noch ziemlich europäisch auf mich gewirkt, wie Serbien oder Rumänien. Aber der Iran, ein Sprung in eine ganz andere Welt ist das.

Am Dienstag schließlich bin ich in Teheran angekommen. Hier hab ich mich in einem kleinen Hotel im Zentrum der Stadt einquartiert. Es hat fast Hostelatmosphäre, denn hier gibt es viele Rucksackreisende aus zumeist mitteleuropäischen Ländern. Ich hab hier sogar jemanden aus Freiburg getroffen. Unglaublich. Wie klein die Welt manchmal ist. In Teheran werde ich die nächsten Tage mit Antragsformularen und Behördengängen verbringen. Ich hoffe mal, dass das nicht länger als eine Woche dauert. Und in einer Woche werde ich dann auch hoffentlich wissen, wie es von hier weitergeht. Es gibt zwei Optionen: das Fahrrad oder das Flugzeug. Mal sehen, was kommt…