Ankunft im Iran

In engen Windungen schlängelt sich die M2 den Berg hinauf. Ich bin kurz vor dem Kajaran-Pass – der letzten großen Anhöhe vor Meghri und der Grenze zum Iran. Es ist heiß, ich bin total durchgeschwitzt und viel mehr als Schritttempo ist nicht mehr drin. Seit ich am späten Vormittag in Kapan gestartet bin, ging es nur bergauf. Die ganze Zeit. Ohne Unterbrechung. Fast vierzig endlose Kilometer. Mal sechs, mal acht und auch mal zwölf Prozent Steigung. Auf den letzten Kilometern scheint einem Armenien nochmal alles abzuverlangen. Also, ich fahr ja wirklich gern in den Bergen, ich mag die körperliche Herausforderung und den Augenblick, wenn ichs dann geschafft hab und am Gipfel angekommen bin. Aber heute ist irgendwann ein Punkt erreicht, wo ich absolut keine Lust mehr hab, überhaupt gar nicht mehr, wo ich anhalte und meinem Ärger lauthals Luft mache. Kann denn dieser verdammte Berg nicht mal irgendwann zu Ende sein?!? Kurze Zeit später fängt dann hinter mir ein Auto an mich langsam zu überholen. Immer noch verärgert denk ich mir, wenn du jetzt auch noch hupst… Aber nichts dergleichen. Stattdessen lächelt der Fahrer durchs offene Fenster ganz euphorisch zu mir herüber und streckt beide Daumen in die Höhe. Das war irgendwie heilsam. Ich bin so perplex, dass ich kurz danach selber lachen muss. Vor allem über mich und mein Gemeckere…

Armenien war auf meiner Reise körperlich das bisher anstrengendste Land. Also mit großem Abstand. Ständig war es heiß und ständig gings bergauf oder bergab, abgesehen von einer kurzen Etappe hinter Jerewan. Knapp 10000 Höhenmeter sind in den 700 Kilometern Armenien zusammengekommen. Ich freu mich jetzt zur Abwechslung daher auch mal wieder auf etwas flachere Streckenabschnitte. Aber trotz dessen, dass Armenien mich nicht nur ein Mal extrem gefordert hat, werde ich das Land in sehr angenehmer Erinnerung behalten. Die Landschaft fand ich überwältigend schön und von den Menschen wurde ich so oft so herzlich aufgenommen. Ich hab mich hier richtig wohl fühlen können und bin daher von diesem kleinen Land total begeistert.

Aber ein paar Meter sinds ja noch bis zur Grenze. Am Kajaran-Pass kann ich fürs erste aufatmen. Ab jetzt geht es nämlich nur noch bergab. Bis zur iranischen Grenze. Erstmal genieße ich aber den Ausblick, setz mich irgendwo ins Gras, ess eine Kleinigkeit und mach mich dann auf den Weg ins Tal. Und schnell sind da Ärger und Anstrengungen der letzten Stunden wieder vergessen. Kurz vor Meghri füll ich an einem Brunnen meine leeren Wasserflaschen auf. Ich will gerade weiterfahren, da winkt mich jemand zu seinem Haus. Avo heißt dieser jemand. Und Avos erste Frage ist, ob ich lieber Kaffee oder Tee haben möchte. Die Entscheidung fällt mir nicht schwer – Kaffee, ganz klar. Und so stehen kurze Zeit später zwei Tassen Kaffee auf dem Tisch. Wir sitzen eine ganze Weile zusammen und unterhalten uns über alles Mögliche. Und einmal mehr bin ich froh, dass ich vor der Reise meine verstaubten Russischkenntnisse aus der Schule aufgefrischt habe. Denn Englisch ist, abgesehen von den großen Städten, kaum verbreitet. Viele sprechen jedoch Russisch und so konnt ich mich in Armenien und auch in Georgien ganz gut verständigen. Ich hab natürlich längst nicht alles verstanden, aber für eine einfache Kommunikation hats allemal gereicht.

Diesbezüglich bin ich mal auf den Iran gespannt. Hier bin ich gestern angekommen. Endlich der Iran!! Das war ja das große Etappenziel auf meiner Reise. Hier wollte ich unbedingt hin. Und jetzt bin ich da, nach fast 7000 Kilometern. Auf den ersten Metern kann ich das noch gar nicht richtig fassen. Unglaublich, ich bin im Iran!! In Jolfa hab ich daher heute mal einen Tag Pause gemacht. Einfach, um mich ein bisschen akklimatisieren zu können und um die vielen neuen Eindrücke aufzunehmen. Morgen früh werd ich dann in Richtung Teheran aufbrechen. In Teheran geht der Visamarathon dann in die nächste Runde. Daher werd ich sicher einige Tage in Teheran verbringen müssen. Und ich hab ja erstmal nur ein 30-Tage-Visum bekommen. Dazu sinds knappe 750 Kilometer bis Teheran. Von daher hab ich, kaum bin ich hier, schon wieder ziemlichen Zeitdruck.   Ich hoff mal, dass ich bis zum nächsten Sonntag in Teheran angekommen bin. Zeitlich wär das noch einigermaßen im Rahmen.

 

 

Zwei Nächte in Lanjanist

Ein Müsli, drei Tassen Kaffee und ich bin startklar. Meine Taschen hab ich gestern Abend schon gepackt, daher brauch ich die jetzt nur noch am Fahrrad festzumachen und kann losfahren. Und es ist gerade erst 8:30 Uhr. Nicht schlecht. Erstmal raus aus Jerewan. Dank meiner neuen Karte von Armenien inklusive Stadtplan find ich den Weg ohne Probleme. Mein nächstes großes Ziel ist Meghri, ganz im Süden von Armenien. Wenn alles läuft wie geplant, werde ich hier in der kommenden Woche die Grenze zum Iran überqueren. Bis dahin sinds aber noch knapp 400 Kilometer. Und die werden ziemlich anstrengend. Denn flache Abschnitte gibt es weiterhin kaum. Es geht bergauf und bergab. Die ganze Zeit. Und dazu bleibt es heiß, bis 38°C sind angekündigt. Ich rechne daher mal mit 70 Kilometern pro Tag. Das kann man gut schaffen. Auch bei der Hitze. Knapp eine Woche werde ich also noch bis zur iranischen Grenze brauchen.

Ab Jerewan fahr ich erstmal wieder auf der Bundesstraße M2. Das ist zwar recht unspektakulär, dafür gehts aber flott voran. Weil es flach ist und vielleicht auch, weil ich drei Fahrspuren für mich allein hab. Von ein paar Bauarbeitern wurde ich nämlich auf den noch gesperrten Abschnitt rübergewunken. Eine Autobahn ganz für mich allein. Hab ich auch noch nicht gehabt.
Es wird ziemlich schnell heiß. Gegen 10 Uhr ist längst nichts mehr von der angenehmen Morgenfrische zu spüren. Zu Trinken hab ich daher reichlich dabei. Insgesamt 4 Liter. Und unterwegs kann ich immer wieder an einem der vielen Brunnen nachtanken. Wenn sie denn Wasser haben. Das ist aber nicht immer der Fall. Daher sorg ich lieber vor.

Knapp 25 Kilometer südlich von Jerewan verlasse ich die M2. Ich hab mir wieder eine kleine Nebenstrecke ausgesucht, um die Gegend ein bisschen mehr zu erleben. Ich muss noch nicht mal einen großen Umweg fahren, denn nach gut 45 Kilometern treffen Nebenstraße und M2 wieder aufeinander. Und beide Abschnitte sind ungefähr gleich lang. Bevor es weiter geht, leere ich an einer Tankstelle aber erstmal mein warm gewordenes Wasser aus und fülle alle Flaschen mit kühlem Wasser. Innerhalb der nächsten Stunde wird das zwar wieder warm sein, aber wenigstens bis dahin ist es schön erfrischend. Ab Vedi wirds dann einsam. Laut Karte muss ich an vier kleinen Orten vorbeifahren und komme dann an eine Straße, die zu einem Kloster führt. Das möchte ich mir gern noch anschauen. Knapp 40 Kilometer sinds bis dahin. Und dann bin ich auch schon fast wieder auf der M2. Könnt ich bis zum Abend schaffen.
Aber so ganz geht mein Plan nicht auf, denn hinter Vedi wird’s langsam wieder bergiger. Das konnt ich auf meiner Karte nicht erkennen, denn auf der sind keine Höhenlinien eingezeichnet. Dass Berge kommen war klar, aber ich dachte eher zum Ende hin.

Das Fahren ist jetzt ziemlich anstrengend, denn es ist unglaublich heiß, es gibt kaum Schatten, viel Gegenwind und es geht stetig bergauf. Die Abschnitte zwischen den einzelnen Ortschaften fühlen sich daher endlos an, obwohl es ja immer nur etwa 10 Kilometer sind. Mein Wasser ist irgendwann auch wieder warm und trägt kaum noch zur Erfrischung bei. Aber glücklicherweise finde ich bald wieder einen Brunnen und kann meinen Wasservorrat auffüllen und mich ein bisschen abkühlen.  Gegen 18 Uhr bin ich noch immer meilenweit von meinem Kloster entfernt. Man, da hab ich mich aber echt verrechnet. Jetzt ist vollkommen klar, dass ich das nicht mehr schaffen kann und in den Bergen übernachten muss.

Bei Lanjanist frag ich einen Rinderhirten, ob ich hier irgendwo zelten kann. Natürlich kann ich. Überall. Aber ich kann auch mit zu ihm kommen, meint er. Da kann ich mich duschen. Und außerdem bereitet seine Frau gerade das Abendessen vor. Es sind nur ein paar Hundert Meter bis zu seinem Haus. Klingt verlockend. Ich bin mir unsicher, ob ich das annehmen kann und frag daher nochmal nach, ob es tatsächlich kein Problem ist. Kein Problem. Überhaupt nicht. Ich kann ruhig mitkommen. Und so laufen wir gemeinsam zu seinem Haus. Micha, so heißt der Hirte, zeigt mir kurz die Dusche und bringt mir ein Handtuch. Er muss dann aber nochmal los, die Rinder und Schafe von der Weide holen und in den Stall bringen. Aber in 20 Minuten ist er wieder da. Seine Frau Anna und seine Schwester kommen derweil aus dem Garten und fangen an das Abendessen zuzubereiten. Fast alles, was sie zum Leben brauchen, bauen sie selber an. Die Milch kommt jeden Morgen frisch aus dem Stall, und auch der Käse und die Wurst werden selbst gemacht. Das Abendessen schmeckt fantastisch und es gibt so viel, dass ich fast platze.

Kaum haben wir fertig gegessen, steht Alex, Michas Nachbar, in der Tür. Irgendwie hat er mitbekommen, dass Besuch da ist. Und so dauert nicht lang, da ist mein Abend und auch mein nächster Tag verplant. Heute will Alex mit mir auf die Baustelle seines neuen Hauses fahren. Dort gibts ein zweites Abendessen mit seinen Freunden und den Nachbarn, die Alex beim Hausbau behilflich sind. Und morgen findet die Geburtstagsfeier von Michas Neffen Arman statt. Und da steh ich jetzt auch auf der Gästeliste. Alex fährt seinen alten Lada vor und es geht los. Durch die Nacht und über steinige Feldwege. Mit schlafwandlerischer Sicherheit und ohne Rücksicht auf Verluste quält Alex seinen Lada Pisten entlang, die den Vergleich mit mitteleuropäischen Offroadparks nicht im Geringsten zu scheuen bräuchten.

Und während wir so durch die Nacht brausen, bin auf einmal ganz überwältigt von dieser großen Herzlichkeit und Gastfreundschaft, die ich hier erfahre. Ich mein, Micha und Alex, die kennen mich ja überhaupt gar nicht. Ich bin einfach irgendein Fahrradfahrer, den Micha auf der Straße getroffen hat. Und trotzdem werd ich hier so herzlich aufgenommen, von Alex auf ein Abendessen oder von Micha nach Hause eingeladen und den Nachbarn und Freunden vorgestellt. Ich bekomm ein Handtuch, kann mich duschen, bekomm zu Essen und einen Platz zum Schlafen. Einfach so. Ganz selbstverständlich und vollkommen ungezwungen. Und ohne, dass irgendwer etwas dafür haben will. Für solche Erlebnisse und Erfahrungen bin ich wirklich unglaublich dankbar. Sie bereichern meine Reise ungemein.

Insgesamt zwei Nächte verbring ich bei Micha und seiner Familie in Lanjanist. Nach einem reichhaltigen Frühstück mach ich mich am Samstag dann wieder auf den Weg. Micha und Anna bereiten noch bergeweise Essen für mich vor. Brot, ihren Käse und Gemüse aus dem Garten. Und dazu eine kleine Flasche Wodka und eines von Michas Wodka-Gläsern. Schwer bepackt geht es damit zurück auf die M2, mit 40 Stunden Verspätung zwar, aber dafür reich beschenkt mit vielen Eindrücken und Erlebnissen.

Weiter geht es dann durch die Provinz Wajos Dsor und über den Vorotan-Pass Richtung Goris. Die Landschaft ist atemberaubend schön und lädt zu vielen Pausen ein. Der Aufstieg zum Pass ist lang, aber nicht so beschwerlich wie die Fahrt vorgestern. Vielleicht auch weil jeder dritte Autofahrer hupt, winkt oder den Daumen in die Höhe streckt. Kurz unterhalb des Passes bau ich am Abend mein Zelt auf und genieße die Ruhe und den Blick über die Berge.
In Goris bin ich gestern schließlich angekommen. Hier werd ich mich jetzt mit Dollar oder Euro für den Iran eindecken müssen, denn aufgrund der noch immer bestehenden Sanktionen ist es nach wie vor nicht möglich im Iran Geld abzuheben, so dass ich mein gesamtes Reisebudget in bar mitführen muss. Ich hoffe, dass ich am Mittwoch weiterfahren kann und dann am Freitag den Iran erreiche.

 

 

Wodka und armenische Gastfreundschaft

Freitagmorgen, Aufbruch in Tiflis. Der zweite Versuch. Beim ersten bin ich grandios gescheitert. Der ursprüngliche Plan war ja durch das Trialeti-Gebirge Richtung armenische Grenze zu fahren. Aber dabei mach ich gleich mehrere Dinge falsch. Ich fahr viel zu spät los, mitten in die allergrößte Mittagshitze hinein. Und als wär das nicht schon genug hab ich hinter Tiflis gleich mal ein paar knackige Anstiege zu bewältigen. Wahrlich kein Spass bei dem Wetter und nach sieben Tagen Pause. Dazu werde ich ein paar Kilometer hinter Tiflis von einem Melonenverkäufer angesprochen. Der meint, dass ich auf der Straße hier nicht weiter komme. Noch ein paar Kilometer, da gäbs wohl ein paar Probleme, eine Sperrung oder irgendwas in der Art. Ein dazukommender Passant bestätigt das. Kein Durchkommen. Die nächste Möglichkeit wär eine Straße ganz in der Nähe. Um dahin zu kommen, müsste ich aber wieder zurück nach Tiflis fahren. Den ganzen Berg wieder runter und an einer anderen Stelle wieder rauf. Meine Lust darauf hält sich bei der Hitze ziemlich in Grenzen. Aber was soll ich machen. Ich dreh erstmal um und fahr zurück. Kaum in Tiflis angekommen, ärgere ich mich aber über mich selbst. Ich hätts doch wenigstens probieren können. Vielleicht wär ich mit dem Fahrrad irgendwie weitergekommen. Aber gut, ist jetzt so. Aus Fehlern kann man ja lernen und beim nächsten Mal werd ich das auf jeden Fall anders machen. Für heute bin ich aber bedient und fahr schnurrstracks zurück zum Hostel.

Am Freitag mach ich mich dann zur Abwechslung mal in aller Frühe auf den Weg. Kurz nach sieben Uhr sitz ich auf dem Fahrrad und verlasse Tiflis. Angenehm so früh. Kaum Verkehr und temperaturtechnisch noch erträglich. Da ich gestern einen Tag verloren habe, werd ich heute aber nicht über die Berge fahren, sondern den direkten Weg nach Armenien nehmen. Berge und Klöster werd ich da noch genug haben.

Nach knapp 60 Kilometern auf der Bundesstraße erreiche ich am frühen Nachmittag Armenien. Das Landschaftsbild hat sich heute einmal komplett verändert. Nach den bräunlichen, baumlosen und hitzeflimmernden Hügeln Südgeorgiens finde ich mich bald nach der Grenze in einer Waldlandschaft wieder. Was ein Kontrast. Hier mach ich erstmal ein Päuschen. Wieder eine Grenze. Die wievielte eigentlich? In Windeseile fahre ich meine Tour nach. Neun Grenzen sinds mittlerweile. Unglaublich. Die Pause tut gut, so am und im Wasser. Weit will ich heute auch nicht mehr fahren. Einen Platz fürs Zelt suchen, Essen kochen und dann schön früh schlafen gehen.

Noch ein paar Kilometer fahr ich am Flüsschen Debed entlang, welches durch die gleichnamige Schlucht fließt. Bei Akhtala verlasse ich dann meine Reiseroute und biege in den Ort ab. Ich brauch nämlich noch armenisches Geld. In Akhtala gibt es aber leider keine Geldautomaten. Dafür treffe ich Alex. Alex ist Armenier, wohnt und arbeitet aber schon seit Ewigkeiten in Erfurt. Er freut sich hier in seinem Heimatort jemanden aus Deutschland zu treffen und lädt mich gleich mal auf ein Bierchen ein. Er hätte mir auch gern einen Platz zum Schlafen angeboten, aber leider fliegt er heute Nacht wieder zurück nach Deutschland. Davor ist mir Alex aber noch bei der Zeltplatzsuche behilflich. Nach kurzer Rücksprache mit seinen Kumpels sind sich alle einig, dass ich mein Zelt direkt auf dem Gelände des Akhtala-Klosters aufbauen kann. Genial. Da wär das auch geklärt….

Nachdem Alex gegangen ist, mach ich mich auf den Weg zum Kloster. Ich schlendere erst ein bisschen über den Klosterhof und will gerade mein Zelt aufbauen, da kommen Goro und Aran auf mich zugelaufen. Sie fragen, ob ich wirklich hier zelten will und bieten mir stattdessen an mit zu Aran zu kommen. Zum einen soll es hier in der Gegend Wölfe geben und zum anderen entspricht das ihrem Verständnis von Gastfreundschaft, wie sie betonen. Außerdem hat Arans Mutter gekocht! Und es gibt Wodka. So vielen überzeugenden Argumenten kann ich nichts entgegensetzen. Goro und Aran sind mir außerdem gleich sympathisch. Also bau ich mein Zelt wieder ab und geh mit den beiden mit. Bei Aran angekommen werd ich erstmal seiner Familie vorgestellt und bekomm eine Führung durchs ganze Haus. Die Lebensverhältnisse sind einfach, das Haus an vielen Stellen ein Provisorium, die Inneneinrichtung zum Teil Jahrzehnte alt. Draußen gibts einen Garten in dem Obst und Gemüse für den Eigenbedarf angebaut wird. Um den Garten kümmert sich Aran. Eigentlich hat er in Jerewan Journalismus studiert und vor einem Jahr seinen Masterabschluss gemacht. Bisher hat er jedoch keine Arbeit gefunden und lebt daher wieder zu Hause bei seinen Eltern. Arans Familie ist überaus herzlich. Es wird viel gelacht und zusammen haben wir einen richtig schönen und auch langen Abend.

Am Samstag gehts weiter durch die Debed-Schlucht Richtung Sevan-See. Ich kann mich ganz in meinem Element fühlen. Überall Berge. Es geht rauf und runter. In einer Tour. Selten gibt es flache Abschnitte. Und weiterhin wechseln sich im Tagesrhythmus die Landschaftsbilder ab. Morgens waldreich, abends steppenartig. Anstrengend und abwechslungsreich zugleich. Am Sevan-See komme ich am Sonntag an und übernachte auf einer Art Campingplatz. Kaum steht mein Zelt werde ich von Sarkis und seinen Freunden, die hier den Abend verbringen, zum Barbecue eingeladen. Es gibt bergeweise Köstlichkeiten. Verschiedene Sorten Fleisch, gegrilltes Gemüse, Kartoffeln, Salat und zwischendrin immer wieder Wodka. Gründe zum Anstoßen finden sich viele. Nach dem fünften Glas ist für mich aber Schluss. Wobei ich dafür einiges an Überzeugungsarbeit leisten muss. Und als Sarkis und seine Freunde dann später zusammenpacken, mach ich mich mit einem seligen Grinsen im Gesicht auf den Weg Richtung Zelt.

Am Sevan-See beschließe ich, nicht wie ursprünglich geplant, weiter am See entlang zu fahren, sondern noch einen Abstecher in die Hauptstadt Jerewan zu machen. Da ich momentan keine wirklich brauchbaren Karten habe, muss ich in Sevan nach dem Weg fragen. Nikolai hilft mir weiter. Er lotst mich durch Sevan und läd mich dann schnell noch zu sich nach Hause ein. Als Fahrradfahrer muss ich doch Hunger haben, meint er. Es gibt Bratkartoffeln, Brot und Käse. Und später zum Abschied noch ein Glas Wodka. Schon wieder, oje….
Ich denk mir, dass ein Glas okay ist. Und irgendwie will ich ja auch nicht unhöflich sein. Aber für die Zukunft muss ich mir da echt eine Taktik überlegen. So viel Wodka, wie in drei Tagen Armenien, hab ich glaub ich im ganzen letzten Jahr nicht getrunken. Aber gut, im Iran ist damit ja dann erstmal Schluss.

Von Nikolai gehts dann wieder auf der Bundesstraße entlang. Ab Hrazdan wechsel ich auf Nebenstraßen. So seh ich nämlich noch ein bisschen was von der Landschaft. Gestern schließlich bin ich in Jerewan angekommen und hier bleib sicher auch eins, zwei Tage. Mal wieder in einem schicken Hostel.