Das Delta und der Donaukilometer 0

In Tulcea hab ich die erste Etappe meiner Reise fast beendet. Von hier sind es jetzt noch knappe 70 Flusskilometer bis zur Mündung. Der Donauradweg bzw. die Eurovelo 6 machen in Tulcea jedoch einen Knick nach Süden und führen weiter am Schwarzen Meer entlang bis nach Constanta. Ich möchte aber unbedingt noch bis zum richtigen Donauende, dem Kilometer 0. Wenn ich schon bis hierher gefahren bin. Außerdem würd ich gern einen Abstecher ins Delta machen. In Tulcea leg ich daher einen Zwischenstopp ein und suche mir eine Pension, in der ich meine ganzen Sachen unterbringen kann.

Anbieter, die das Delta ansteuern gibt es in Tulcea reichlich. Einmal die Kaimauer entlanggelaufen und schon ist man über sämtliche Möglichkeiten informiert und kann aus einem reichhaltigen Angebot an Touren auswählen. Und eine geführte Tour macht hier auf jeden Fall Sinn, denn mit etwa 5800 Quadratkilometern ist das Delta riesig, mehr als doppelt so groß wie das Saarland. Und bestimmte Schutzbereiche kann man eben auch nur in Begleitung autorisierter Personen betreten. Ich möchte gern viel vom Delta sehen und entscheide mich daher für einen Tagesausflug mit einem schnellen Boot. Dabei wird es etwa 60 km weit ins Delta hineingehen. Es sollen verschiedene Seen und Vogelschutzgebiete angesteuert werden und außerdem ist ein Besuch der Letea-Wälder mit Jahrhunderte alten Baumbeständen geplant. Ziemlich viel für einen Tag, aber ich freu mich trotzdem drauf. Ist mal eine willkommene Abwechslung nach den vielen Tagen auf der Straße.

Am Samstag um Punkt 12 geht sie dann los, die Tour ins Delta. Mit dabei zwei Franzosen und ein Ehepaar aus Australien. Zur Begrüßung gibts schnell noch ein Schnäpschen und kurze Zeit später sitzen wir im Boot und verlassen Tulcea. Nach ein paar Kilometern biegen wir in einen der vielen kleinen Seitenarme ein. Ab hier bekommt man dann einen Eindruck von der ganzen Vielfalt des Donaudeltas. Landschaftlich, aber auch was die Pflanzen- und Tierwelt betrifft. Schmale Flussläufe wechseln sich mit breiten ab, die Ufer mal gras- und mal schilfbewachsen. Wir fahren an schwimmenden Schilfinseln vorbei und überqueren immer wieder kleinere und größere Seen. Neben der ganzen Pflanzenvielfalt ist das Delta ein Eldorado für Vogelkundler. Hier gibt es nicht nur die größte Pelikankolonie Europas, auch viele andere seltene Vogelarten sind im Donaudelta heimisch. Ab und zu halten wir an und unser Guide erklärt uns etwas zu einem See, einer Vogel- oder einer Fischart. Das ist alles schon sehr interessant, am meisten genieße ich aber einfach die Fahrt durchs Delta und die Sonne und schau mich in alle Richtungen um.

Am frühen Nachmittag machen wir einen Zwischenstopp in Mila 23, einem kleinen Dorf im Donaudelta. Hier essen wir zu Mittag. Es gibt Fisch. Verschiedene Arten, alle im Delta gefangen. Dazu Kartoffeln, Brot und Knoblauchsauce. Äußerst lecker, wie ich finde, wobei es ja eigentlich auch kaum etwas gibt, was mir nicht schmeckt. Als Appetitanreger und zur Einstimmung wieder ein Schnäpschen. „Norok“ prosten wir uns auf Rumänisch zu und ich erfahre ganz nebenbei, dass „Prost“ auf Rumänisch Trottel oder Dummkopf heißt. Na dann…wieder was gelernt.

Frisch gestärkt geht es weiter in den Nordosten des Deltas. Hier liegt der Letea-Wald. Ein streng geschütztes Naturreservat, welches nur in Begleitung und auf vorbestimmten Wegen betreten werden darf. Der Wald gilt als nördlichster tropischer Urwald Europas. Und so sieht er auch aus. Urwüchsig und undurchdringlich. Unsere Begleitperson spricht leider nur Rumänisch. Da unser Guide beim Boot ist, erfahren wir nicht so wirklich etwas über den Wald und der Gegend hier. Find ich ein bissel schade, aber gut, schön ists hier auf jeden Fall. Schnell vergeht die Zeit und bald schon ist es 18 Uhr. Für uns heißt das die Heimreise antreten und so fahren wir hinein in die untergehende Sonne und zurück nach Tulcea.

Am Montag dann komm ich zu meinem persönlichen Highlight: die Fahrt zum Donaukilometer 0. Damit wäre dann die erste Etappe wirklich geschafft. Unser Bootsführer sagte mir während unserer Tour durchs Delta zwar, dass es sich eigentlich nicht wirklich lohne zum Kilometer 0 zu fahren. Denn viel zu sehen gäbe es da nicht. Egal, ich möchte unbedingt das richtige Ende der Donau sehen, den Ort, wo sie ins Schwarze Meer fließt. Da am Sonntag kein Schiff fährt, muss ich mich noch bis Montag gedulden. Gegen Mittag mach ich mich zum Hafen auf. 46 Lei, umgerechnet etwa 10,- €, kostet die einfache Fahrt. Da das Schiff die einzige Verbindungsmöglichkeit der Orte im Delta mit dem Festland ist, werden auf ihm nicht nur Personen befördert, sondern eben auch alles andere, was an Lebensmitteln und sonstigen Dingen im Delta benötigt wird. Um 13:30 Uhr gehen die letzten Passagiere an Bord und dann gehts auch schon los.

Die Fahrt dauert ungefähr vier Stunden. In Sulina ist es dann ähnlich wie im Hafen von Tulcea. Für die ankommenden Touristenströme ist bestens gesorgt. Es gibt ein breites Angebot an Booten, die zum Kilometer 0 fahren. Es ist daher nicht wirklich problematisch jemanden zu finden, der einen dorthin und auch noch weiter bis aufs Schwarze Meer bringt. Viele Fischer verdienen sich so ein ganz nettes Zubrot. Saison ist hier von Mai bis Mitte September und da muss dann eingefahren werden, was in den Wintermonaten ausfällt. Da gibts dann nämlich weder Fische noch Touristen.

Direkt am Hafen finde ich einen Fischer. Oder besser, er findet mich. Und kurze Zeit später sitze ich auch schon in seinem Boot und es geht los. Erst mal zum Kilometer 0. Es ist ein Schild am Rand einer Hafenanlage, direkt gegenüber von der Stelle, an der wir angekommen sind. Vollkommen unscheinbar steht es da und weist auf das Donauende hin. Da die Donau sich Jahr für Jahr immer etwas weiter ins Meer hinaus schiebt, befindet sich der offizielle Kilometer 0 aber schon lange nicht mehr am Meer. Dazu müssen wir etwas weiter fahren. Am alten Leuchtturm vorbei gehts noch ein paar Hundert Meter den Donauarm entlang. Und irgendwann sind wir dann da. Ganz am Ende der Donau, genau an dem Punkt, wo sie ins Meer fließt. Ich bin ganz überwältigt…. Fast 3500 Kilometer hab ich mir diesen Anblick vorgestellt. Und jetzt steh ich direkt davor. Unglaublich beeindruckend. Wir fahren dann noch ein Stück weiter, bis aufs Schwarze Meer hinaus. Die Wasseroberfläche ist spiegelglatt. Und es ist ganz ruhig und still hier draußen. Richtig schön. Hier und jetzt ist meine erste Etappe nun also wirklich zu Ende.

Mein nächstes Etappenziel ist jetzt Istanbul. Ein etwas kleinerer Streckenabschnitt; von Tulcea sind es ungefähr 720 Kilometer. Morgen in aller Frühe werde ich meine Sachen zusammenpacken und dann gehts direkt nach Süden, immer am Schwarzen Meer entlang.

Die Donaumündung zum Greifen nahe…

Ein Weg aus Ruse heraus ist gar nicht so leicht zu finden. Trotz GPS-Unterstützung und einer recht überschaubaren Straßenführung. Heute sind nämlich die Hauptverkehrsstraßen abschnittsweise gesprerrt. Grund ist ein Autorennen, welches mitten durch die Stadt geleitet wird, die Pista Ruse. Die Stadt ist von einem ohrenbetäubenden Lärm erfüllt. Im Minutentakt donnern Autos an mir vorbei und verschwinden genauso schnell mit quietschenden Reifen hinter der nächsten Kurve. An vielen Straßenrändern stehen Menschen und insbesondere auf Brücken, die über die Hauptstraßen führen, ist ein Durchkommen nur im Schritttempo möglich. Mein Weg führt mich daher durch die vielen Nebenstraßen im Zickzack aus der Stadt heraus. Nach einer knappen Stunde hab ichs geschafft. Die Stadt liegt hinter mir und ich bin auf dem Weg Richtung Silistra an der rumänischen Grenze.

Ich hab mich auf einen langen Tag eingestellt. Vor mir liegen ungefähr 120 km. Dazu soll es dann noch sehr warm werden, knapp 30 °C sind angekündigt. Aber schon jetzt spürt man die aufkommende Hitze. Wasser hab ich daher reichlich eingepackt. Knapp 3 Liter verteilen sich an und auf meinem Fahrrad. Das sollte erst mal eine Weile reichen. Und zwischendrin kann ich auch immer mal wieder nachtanken, denn auf dem Weg nach Silistra werd ich an einigen Ortschaften vorbeikommen. Diesbezüglich ist die Versorgungssituation in Bulgarien ausgezeichnet. Denn ganz anders als in Deutschland haben auch am Wochenende viele Läden geöffnet. Zumindest der Nachschub an Lebensmitteln stellt daher überhaupt kein Problem dar. Das war auch schon in Serbien so. Brot ist recht günstig und kostet nur wenige Cent. Dazu kauf ich mir dann immer noch Obst, meist Äpfel und Bananen, und Wasser. Damit komme ich dann ganz gut durch den Tag. Auf mein geliebtes Müsli mit Apfelsaft muss ich morgens aber oft verzichten, denn Saft bekommt man in den kleinen Lebensmittelläden kaum. Und wenn doch, dann sind es meist nur Fruchtsaftgetränke mit sehr viel Zucker.

Trotz meines reichhaltigen Frühstücks finde ich die Strecke nach Silistra aber irgendwie anstrengend. Ich fahre zwar auf einer Bundesstraße und komm daher auch ganz komfortabel voran, aber es gibt immer wieder sehr flache Anstiege, die sich über einige Kilometer hinziehen. Anfangs hab ich das gar nicht so richtig mitbekommen und mich immer gewundert, warum es so schwer vorangeht. Bis ich dann irgendwann einfach mal gewendet habe und mein Fahrrad dann urplötzlich ganz langsam anfing zu rollen. Aha, so ist das also… Darüber hinaus gibt es landschaftlich kaum Abwechslung und so ziehen sich die Kilometer endlos in die Länge. Die Beschilderung am Straßenrand tut ihr übriges und weist mich in ernüchternder Regelmäßigkeit immer wieder darauf hin: Silistra 80 km…Silistra 65 km…Silistra 50 km. Die Strecke scheint kein Ende zu nehmen. Naja, da muss ich jetzt irgendwie durch.

Gegen 18 Uhr beschließe ich nach knapp 100 km einen Platz fürs Zelt zu suchen. Auf meiner Karte seh ich, dass ganz in der Nähe, bei Srebarna, ein See ist. Da könnts doch sicher gute Zeltplätze geben. Auf meinem Weg um den See herum finde ich tatsächlich auch eine schöne Wiese und beschließe hier mein Zelt aufzubauen. Neben mir grillt eine junge Familie, die mich kurzerhand zu Bier und Würstchen einlädt. Ich hol meine Karten raus und erklär ihnen, wo ich herkomme und wo es die nächsten Tage noch hingehen soll. Wir können uns glücklicherweise auf Englisch unterhalten und so wird es ein ganz lustiger Abend. Gegen 9 ists dann fast dunkel. In der Ferne zieht ein Gewitter auf. Aber da lieg ich schon gemütlich im Schlafsack.

Am nächsten Tag überquere ich bei Silistra die Grenze zu Rumänien. Für den Rest des Donauradweges wird das mein letzter Grenzübertritt gewesen sein. Etwa 350 km sind es jetzt noch bis zur Mündung der Donau ins Schwarze Meer. Und die geht es hauptsächlich durch recht dünn besiedelte Landstriche im Osten Rumäniens. Meist fahr ich an Weiden, Äckern oder Waldstücken vorbei. Ab und zu durchquere ich kleine Dörfer. Jedes Haus hat hier einen kleinen Garten oder Hof in dem etwas angebaut und Hühner oder Enten gehalten werden. Um die Dörfer herum, viele kleine Felder, die oft noch in Handarbeit bewirtschaftet werden. Überall seh ich Pferdewagen, mehr noch als in Bulgarien hab ich den Eindruck. Meist dienen sie als Transportmittel, manchmal aber auch einfach als Autoersatz. Und so hört man in den Dörfern auf der Straße oft Hufgeklappere, anstelle von Motorengeräuschen und sieht vor den Lebensmittelläden oder Kneipen keine Autos sondern eben zwei oder drei Pferdewagen stehen. So, als wäre die Zeit um 100 Jahre zurückgedreht worden.

Die nächsten drei Tage fahre ich bis in den späten Nachmittag hinein durch. Eine kurze Pause mach ich immer am späten Vormittag, wenn ich einen Lebensmittelladen angesteuert und mich mit Essen und Wasser für den Tag eingedeckt habe. Viele Läden haben im Eingangsbereich Stühle und Tische stehen. Hier trink ich meist noch einen Kaffee. Oft sitzen dann auch schon zwei, drei Gäste an den Tischen. Wenn ich mein bepacktes Fahrrad dann vor dem Laden abstelle, dauert es meist auch nicht lang bis wir ins Gespräch kommen. Neben dem Woher und Wohin wird oft gefragt, ob ich allein fahre, wie viel Kilometer es schon sind, wie schwer mein Fahrrad ist und ob ich keine Angst vor Banditen habe. Die Kommunikation läuft meist ziemlich holperig. Aber irgendwie gehts. Ich werde verstanden und verstehe auch mehr als gedacht. Viele Begriffe kann man über das Lateinische ableiten. Ab und an komm ich aber auch mit Englisch weiter.

Seit Donnerstag bin ich jetzt in Tulcea. Tulcea wird auch als das Tor zum Donaudelta bezeichnet. Hier bleib ich erst mal eine Weile. Nach den vielen Tagen, die ich jetzt am Stück unterwegs war, tut mir ein kleines Päuschen sicher ganz gut. Auf jeden Fall möchte ich mir das Donaudelta anschauen und ans Schwarze Meer bis zum Donaukilometer Null bei Sulina fahren. Mitte nächster Woche wird es dann weiter Richtung Süden gehen.

Bulgarien und Rumänien – die ersten Eindrücke

Die Grenze zu Bulgarien ist die erste, an der es nicht gleich weiter geht. Zwei Autos stehen vor mir und warten auf ihre Abfertigung. Und wie es scheint, kann sich das hinziehen, denn die serbischen Beamten machen ihre Arbeit ziemlich gründlich. Beim ersten Auto lassen sie Motor- und Kofferraum öffnen und inspizieren beides sehr genau. Da hilft auch alles Geschimpfe des Fahrers nichts. Na das kann ja was werden. Ich stell mich auf eine längere Pause ein. Gerade will ich meine Karten rausholen, um meine Route nochmal zu überfliegen, da winkt man mich nach vorne auf eine Nebenspur. Die Registrierungsdokumente und Übernachtungsbestätigungen aus den Hostels bleiben vollkommen unbeachtet. Bei meinem Gepäck ist es ähnlich. Ein kurzer Blick, das wars. Mein Pass wird jedoch ziemlich genau geprüft. Der Grenzbeamte verschwindet damit in seinem Häuschen und kommt erst nach etwa 5 Minuten wieder raus. Scheint aber alles in Ordnung zu sein. Man wünscht mir eine gute Reise und ich kann weiterfahren. Zumindest bis zur nächsten Schranke. An der bulgarischen Seite das gleiche Prozedere. Auch hier wird mein Pass sehr genau in Augenschein genommen. Nachdem ich mein Reiseziel genannt habe, auch hier noch ein kurzer Blick auf die Taschen, dann wird mir eine gute Weiterreise gewünscht und ich kann einreisen.

Ich bin jetzt wieder in der EU. Genauer gesagt in Bregovo, im äußersten Nordwesten Bulgariens. Der Ort wirkt ziemlich verwaist. Ich sehe viele leerstehende, teilweise auch verfallene Häuser und geschlossene Geschäfte. Und kaum ein Mensch auf der Straße. Kein Ort, wo ich mich lange aufhalten muss. Außerdem zieht hinter mir eine Gewitterfront auf. Passt irgendwie zu meiner Stimmung. Ich fühl mich gerade irgendwie verloren. Es dauert nicht lang und da fängt auch schon an zu gießen. Ich stell mich irgendwo unter und warte das Gröbste ab. Nach einer halben Stunde gehts dann auf einer mit Wasserlachen übersäten Bundesstraße weiter Richtung Vidin. Mit etwa 50000 Einwohnern ist Vidin eine der größeren Städte Bulgariens. Aber auch hier ist es nicht wirklich schön. Zumindest in dem Stadtteil, über den ich ankomme. Farblose Plattenbauten, viel Müll am Straßenrand und auch hier viele geschlossene Geschäfte. Dagegen wirkt das Stadtzentrum schon etwas freundlicher. Jedoch hält es mich auch hier nicht lange. Ich heb etwas Geld ab, trink einen Kaffee und fahre weiter. Es ist ja erst früher Nachmittag und ich möchte noch etwas vorankommen.

Ich fahre noch etwa 40 Kilometer, bis kurz vor Dobri Dol. Bei einem Motel frage ich nach, ob ich mein Zelt auf dem Rasen aufbauen darf. Kein Problem heißt es. Und so kann ich, nachdem das erledigt ist, noch ein bisschen die Sonne genießen. Im Motel genehmige ich mir ein opulentes Abendessen. Wenn ich hier schon zelten darf. Es gibt keine Karte, dafür aber eine Empfehlung des Hauses: Schnitzel, Pommes und Salat. Ok, dann einmal das und ein bulgarisches Bier. Nach den spartanischen Mahlzeiten der letzten Tage für mich ein wahres Festmahl. Ich genieße jeden Bissen. Als Absacker gibts dann noch einen Selbstgebrannten. Den muss ich unbedingt probieren, meint der Motelbesitzer. Geht aufs Haus. Also gut. Ein bisschen Platz ist ja noch. Und so steht kurze Zeit später ein Doppelter auf dem Tisch. Der fährt mir durch Mark und Bein, aber schlafen kann ich später auf jeden Fall hervorragend.

In den nächsten beiden Tagen gehts immer an der bulgarischen Donauseite entlang. Der Donauradweg führt hier über verschiedene Fernverkehrsstraßen. Zum Teil mit riesigen Bodenwellen und Schlaglöchern. Hauptsächlich gehts an Wiesen und Äckern vorbei. Hier ist es ziemlich ruhig. Ab und an kommt mir ein Auto entgegen, oder ein Pferdefuhrwerk. Aber ansonsten hab ich die Straße für mich allein. Ich komm ganz gut voran. Hin und wieder passiere ich kleine Ortschaften. Überall ein ähnliches Bild. Viele Häuser sind verlassen, Grundstücke verwildert, halbe Ortschaften stehen leer, ein Großteil der Häuser zerfallen oder zumindest ziemlich heruntergekommen. Die Lebensumstände auf dem Land sind zum Teil erschreckend. Ich sehe Häuser mit eingestürzten oder fehlenden Wänden, die notdürftig mit Plastikplanen abgehängt sind, in denen aber immer noch jemand wohnt. Wie ich später von einem Belgier, der in Sofia lebt, erfahre, gehört der nordwestliche Teil Bulgariens zu den ärmsten Regionen Europas. Wer kann, zieht hier weg und versucht anderswo sein Glück. Gerade junge Menschen verlassen ihre Dörfer und ziehen nach Sofia oder ins europäische Ausland. Davon nur zu hören ist das eine, aber es dann selbst auch mal vor Ort zu sehen, ist doch irgendwie noch etwas anderes. Stellenweise bin ich richtig schockiert.

Am Donnerstag überquere ich die Donau mit der Fähre und fahre nach Lisa in Rumänien. Hier kann ich eine Nacht im Sommerhaus von Andrej verbringen. Wir verabreden uns in Lisa vor einem Gemischtwarenladen und fahren an den Ortsrand zu dem Grundstück. Andrej drückt mir die Schlüssel in die Hand, zeigt und erklärt kurz das Wichtigste und fährt dann wieder nach Hause. Es ist alles vollkommen zugewachsen und verwildert. Andrejs Traum ist es, hier einmal ein Hostel zu eröffnen. Das steht als Rohbau auch schon im hinteren Grundstücksbereich. Wenn es die Zeit erlaubt und Andrej genügend Baumaterial hat, geht es immer ein Stückchen weiter mit dem Hausbau. Aber es wird sicher noch eine ganze Weile dauern, bis er sein Hostel eröffnen kann. Das Sommerhaus stellt er Reisenden oder rumänischen Bauern zur freien Verfügung. Es ist sehr einfach und rustikal. Fließend Wasser gibt es nur draußen. Genau wie die Toilette. Aber es hat Charme, wie ich finde.

Für die nächsten Tage ist mein Plan auf der bulgarischen Seite weiter an der Donau entlang zu fahren, bis nach Silistra. Bei den vielen Grenzübertritten komm ich langsam etwas mit den Währungen durcheinander. Ab Silistra sind es dann noch etwa 350 Donaukilometer bis zur Mündung.  Das Ende der ersten Etappe rückt also langsam in Sichtweite. Ich denke, Mitte, Ende nächster Woche könnte ich das Donaudelta erreicht haben. Mal schauen…