– Mit Einträgen in Tagebüchern ist es ja oft ganz unterschiedlich. Manchmal bewegen einen die verschiedensten Dinge, es gibt täglich etwas aufzuschreiben und die Worte sprudeln nur so aus einem heraus. Und manchmal ist es so, dass der Buchdeckel zugeklappt bleit und das Tagebuch für eine Zeit lang im Regal verschwindet. Sei es, weil es nichts Besonderes zu berichten gibt oder auch, weil man gerade keine Muse oder Ideen zum Schreiben hat.

Vorgestern war bei mir mal wieder so ein Tag. Es wollten sich einfach nicht die richtigen Worte für die zurückliegenden Tage finden lassen und auch bei den vielen Fotos war kaum etwas Brauchbares dabei. An sich ja nichts Außergewöhnliches. Das passiert immer wieder mal. Meist krieg ich dann aber noch die Kurve. Vorgestern allerdings – da war absolut nichts zu machen. Am Abend hab ich dann einfach mein Notebook zugeklappt und es gut sein lassen. Dieser Tag hat dann aber irgendwie auch einen Stein ins Rollen gebracht.

Ich hab mich ja schon länger gefragt, wie das wohl ist, zu reisen ohne einen Blog zu haben. Einfach nur unterwegs sein, Rechner und Kamera mal eine Zeit lang ausgeschaltet lassen und sich so zu seinem Glück zwingen, die Orte an denen man ist mal wieder etwas intensiver mit den eigenen Sinnen zu erleben. Wirklich da sein, wo man gerade ist, Zeit haben und wirklich mal hinsehen und hinhören auf das, was um einen herum ist. Sicher erlebt man seine Umgebung ganz anders, wenn man sich nicht dauernd eine Kamera vor Augen und Nase hält oder überlegt, wie man dieses oder jenes in einem neuen Beitrag unterbringen kann.  

Und genau das möchte ich jetzt mal ausprobieren. Einfach ein paar Wochen nichts schreiben, keine oder nur wenig Bilder machen und auch nur das Allernötigste im Internet erledigen. Vielleicht bis Ende des Jahres. Oder auch weniger. Je nachdem, wie das sich mit der Muse und den Ideen entwickelt. Dauert bestimmt nicht lange, dann ist beides wieder da. –

 

Alles nass!

Der Gebetsruf des Muezzins reißt mich abrupt aus meinen Träumen. Ich öffne meinen Schlafsack ein winziges Stück, ziehe meinen Schal zurück und spüre umgehend eine beißende Kälte im Gesicht. Es hat die ganze Nacht hindurch geregnet und im Zelt um mich herum fühlt sich alles feucht an. Mein Schlafsack ist außen klamm und an der Zeltinnenseite hängen dicke Wassertropfen, die nur darauf warten bei der kleinsten falschen Bewegung auf mich herabzufallen. Kondenswasser. Irgendwie konnte das heute Nacht nicht verdunsten. In der Dunkelheit suche ich nach meinem Handy und schau auf die Uhr. Es ist 6:30 Uhr. Durch das Zeltgewebe kann ich das erste Dämmerungslicht ausmachen. Verschlafen lasse ich mich wieder auf meine Isomatte fallen. Es ist noch viel zu dunkel, um aufzustehen. Was ein Glück. Ich verkrieche mich daher wieder ganz tief in meinen Schlafsack. Da ists trotz der Nässe und Feuchtigkeit im Zelt immer noch schön warm. Nur noch eine halbe Stunde….

Irgendwann ist die leider rum. In Anbetracht der Umstände hab ich aber weiterhin nicht die geringste Lust aufzustehen. Aber es nutzt ja nichts. In den nächsten Stunden wird es nicht viel wärmer werden und außerdem steh ich direkt an einer Straße und es wird immer heller. Also…schnell bis drei zählen und dann noch schneller anziehen. Und dabei bloß nicht an das Innenzelt stoßen. Als ich den Kopf zum Zelt rausstrecke, sehe ich, dass es geschneit hat. Nasser Backschnee liegt auf der Wiese um mich herum und auf meinem Zelt. Dazu hängt schwerer, nasskalter Nebel in der Luft. Mich fröstelt. Ich packe meine Siebensachen zusammen, bau das Zelt ab und verstaue alles, nass wie es ist, in den Taschen. Wenn die Dinge nach Plan laufen, bin ich heute Abend wieder in einem Hostel. Da kann ich ja dann alles trocknen. Bis ich mein ganzes Gepäck an der Straße hab, muss ich vier Mal durch das hohe Gras laufen. Und das mit meinen dünnen Fahrradschuhen. Aber Dank zweier Plastiktüten, die ich über meine Schuhe gestülpt habe, bleiben meine Füße halbwegs trocken. Um acht Uhr schließlich steh ich abfahrbereit an der Straße und kann los. Puh, das wäre geschafft!!

Seit zwei Tagen bin ich jetzt unterwegs. Von Lanzhou nach Xiahe. Es ist ein Abstecher, denn Xiahe liegt eigentlich etwas abseits meiner Route. Aber ich musste hier unbedingt hinfahren, denn in meinem Reiseführer wird die Stadt als absolut sehenswertes Ziel beschrieben: eine kleine Stadt an der Grenze zu Tibet, Mönche, buddhistische Tempel, ein großes Kloster, viele Pilger und das alles umgeben von Bergen, Jurten, Yaks und Grasland. So die Kurzfassung. Das konnte ich nicht einfach so ungesehen vorbeiziehen lassen. Es ist außerdem eine willkommene Abwechslung zu den hektischen Großstädten, in denen ich während der letzten Wochen so viel Zeit verbracht habe. Und irgendwie vielleicht auch eine Suche nach innerer und äußerer Ruhe, die mich nach Xiahe zieht.

70 Kilometer und 1500 Höhenmeter liegen heute vor mir. Keine große Sache eigentlich. Nur das Wetter…naja, das könnte besser sein. Um mich etwas zu motivieren, stell ich mir immer wieder vor, wie ich später im Hostel ankomme und eine dampfende Tasse mit heißem Kaffee in den Händen halte. Auf die hab ich heut Morgen nämlich ausnahmsweise mal verzichtet. Irgendwie scheint das zu klappen, das mit der Motivation. Vielleicht bilde ich mir das ja auch nur ein, aber ich komm glaub ich ziemlich flott voran. Und spätestens als mir wieder etwas wärmer geworden ist, ist der Schnee auf den Bäumen auch wieder nett anzusehen. Und hej, ich bin wieder in den Bergen. Zu meinem Glück herrscht eine Inversionswetterlage. Je höher es hinauf geht, desto wärmer und trockener und sonniger wird es. Wie gut sich das doch anfühlt, die wärmenden Sonnenstrahlen auf der Haut. Insbesondere nach den wolkenverhangenen letzten Tagen und dem durchweichten, nasskalten Morgen. Und wie schön ein kleiner Fetzen blauer Himmel aussehen kann. Ich bin auf einmal unglaublich froh hier zu sein und das so direkt zu sehen und zu erleben. Dass so ganz einfache und banale Dinge für solche Glücksmomente sorgen können, überrascht mich irgendwie immer wieder. Kurz vor Xiahe dann strahlend blauer Himmel und unglaubliche 12°C. Richtiges Frühlingswetter. Wer hätte das heute Morgen noch gedacht?

Und dann erreiche ich Xiahe. Also irgendwann vorgestern Nachmittag. Meine Tasse Kaffee, die gabs aber schon vorher. Kurz vor Xiahe auf einer kleinen Wiese in der Sonne. Da musste ich einfach anhalten. Ich war ja auch so schnell unterwegs… Gestern hatte ich dann schon Mal etwas Zeit in der Stadt herumzuschlendern. Und jetzt werd ich sicher ein, zwei Tage bleiben und mir auf jeden Fall auch das Kloster ansehen, bevor es dann Mitte der Woche wieder weiter geht. Erst nach Lanzhou und dann weiter nach Xian.

 

154 Meter unter dem Meeresspiegel

Mit Jack aus Australien und Li aus Japan schlendere ich über den Nachtmarkt in Kashgar. Es dampft und duftet aus allen Richtungen. Ein wahres Festmahl für die Sinne. Eine Garküche reiht sich an die nächste und überall stehen Tische und Bänke bereit, die dazu einladen sich zu setzen, um von den vielen Köstlichkeiten zu probieren. Und das machen wir ausgiebig. Ob verschiedene Nudel- oder Reisgerichte, Suppen, Schaschlik mit Brot oder Ei am Stiel, alles testen wir mal durch. Und jeder bei jedem. Wirklich Schade, dass man so schnell satt ist und einfach nichts mehr Platz hat im Bauch. Aber wir haben ja ein paar Tage Zeit. Das Essen auf dem Nachtmarkt oder auf der Straße generell ist äußerst preiswert. Für knapp 1,50 € bekommt man eine Schüssel voll Reis oder Nudeln, Gemüse und Fleisch und das reicht eigentlich schon völlig aus, um satt zu werden. Und es ist so unglaublich lecker….ich fühl mich wie im siebten Himmel.

Li spricht etwas Chinesisch und kann Jack und mir daher ein paar einfache Begrüßungsfloskeln beibringen. „Nihao“ heißt „Hallo“, „Sai-Dschien“ „Auf Wiedersehen“ und „Che Che“ heißt „Dankeschön“. Mal sehen, wie lange ich das behalten kann. Auch die Zahlen von eins bis zehn üben wir. Aber da versage ich kläglich. Das kann ich mir keine Minute lang merken. Fast genauso verwirrend sind am Anfang auch die Handzeichen für die jeweiligen Zahlen. Bis zur Fünf zählt man in China fast wie in Deutschland. Begonnen wird allerdings mit dem Zeigefinger. Dazu kommen dann der Reihe nach Mittel- und Ringfinger, kleiner Finger und dann der Daumen. Und schon hat man Fünf. Dann wirds allerdings kompliziert, denn es geht mit der gleichen Hand weiter. Die Sechs wird mit ausgestrecktem Daumen und kleinem Finger dargestellt, für die Sieben drückt man Daumen, Zeige- und Mittelfinger aneinander, die Acht sind ausgestreckter Daumen und Zeigefinger, für die Neun rollt man den Zeigefinger etwas zusammen und für die Zehn kreuzt man beide Zeigefinger miteinander und formt ein Plus. Bis man das mal raushat. Anfangs waren daher die Preise für ein Essen immer eine kleine Überraschung gewesen….

In Kashgar bleib ich drei Tage lang. Erstmal ein bisschen akklimatisieren, umschauen und in China ankommen. Und dann gehts weiter. Mit einem Fernbus. In dem gibt es allderings keine Sitze sondern nur Betten. Es geht Richtung Norden nach Urumqi. Insgesamt 28 Stunden dauert die Fahrt. Durch eine immer gleich aussehende Landschaft. Karge Berge wechseln mit wüstenähnlichen Landschaften ab. Hin und wieder mal eine Stadt oder ein Dorf. 1400 Kilometer lang. Sonderlich weit sieht das auf der Landkarte allerdings trotzdem nicht aus. China ist riesig. Das sind ganz Dimensionen als in Europa. Bewusst wird mir das in Urumqi, als eine Hostelmitarbeiterin mir sagt, dass sie bzw. ihre Eltern ganz in der Nähe wohnen und sie nur sieben Stunden mit dem Zug bis zu ihnen nach Hause fährt. In Deutschland wär das in etwa die Strecke Freiburg – Berlin. Allein Xianjang – die Provinz, in der ich mich gerade befinde – ist größer als Deutschland, Frankreich, die Schweiz und Spanien zusammengenommen. Daher hab ich mich auch entschlossen etappenweise immer auch mal den Bus zu nutzen. Dann brauch ich nicht so durchs Land zu hetzen. Wär irgendwie Schade drum. Momentan reise ich also eher etwas gemächlicher und bleib auch mal zwei, drei Tage an einem Ort. Eben, so wie in Kashgar oder in Urumqi.

Von Urumqi hab ich mich dann allerdings wieder mit dem Fahrrad aufgemacht. Nach Turpan. Mit 154 Metern unter dem Meeresspiegel, einer der am tiefsten gelegenen Orte der Erde und zugleich der heißeste Ort Chinas. Im Sommer kann es hier bis zu 48°C heiß werden. Aber zum Glück ist der ja vorbei. Nicht auszudenken…

Abgesehen von einem kleinen Abstecher durch die Berge führt die Fahrt nach Turpan quasi immer parallel an der Autobahn entlang. Nicht gerade eine Traumstrecke. Wobei es landschaftlich eigentlich ziemlich schön ist: rechts und links der Straße ragen die schneebedeckten Berge des Tien-Shan-Gebirges auf. Mal mehr mal weniger weit entfernt. Allerdings fällt das kaum auf, denn entlang der Straße ist alles scheinbar wahllos zugebaut. Viele Windräder stehen an der Strecke und dazu passiere ich immer wieder ziemlich heruntergekommene Straßendörfer in denen sich der Müll zum Teil bergeweise an den Hauswänden entlang und hinauf türmt. Aber auch an der Straße verteilt liegt immer wieder Müll herum. Nicht, dass das in anderen Ländern überhaupt nicht der Fall gewesen wäre, aber hier in China fällt es mir besonders auf. Wobei es in Kashgar und Urumqi allerdings ziemlich sauber gewesen ist.

Zwei Tage bin ich jetzt in Turpan gewesen. Morgen wird es für mich dann wieder weiter gehen. Weiter Richtung Osten. Mein nächstes großes Ziel ist Xian. Bis ich dort ankomme, werden aber sicher noch einige Tage vergehen.

 

Über die Berge nach China

Kalt soll es sein in den Bergen. In Osh hör ich das immer wieder. In den Geschäften, auf der Straße und auch im Touristenbüro. Das ist eigentlich schon geschlossen, denn die Saison ist seit zwei Wochen vorbei. Der einzig verbliebene Mitarbeiter ist nur zum Aufräumen hier, aber trotzdem werde ich von ihm noch mit einigen wichtigen Tipps für die Strecke nach China versorgt. Lebensmittelläden gibt es wohl einige unterwegs, Unterkunftsmöglichkeiten auch. Und insgesamt sind es von hier knapp 260 Kilometer bis zur Grenze. Ach ja, und ich sollte mit Schnee rechnen. Zumindest auf den Pässen und in Sary Tash. Dort hat wohl schon der Winter Einzug gehalten.

Also bis auf den Schnee klingt das doch gar nicht schlecht. Obwohl, eigentlich mag ich den ja auch. Zumindest solange die Straßen einigermaßen frei sind und ich nicht irgendwo eingeschneit werde. Aber trotzdem geh ich doch lieber nochmal auf den Markt und kauf mir eine lange Unterhose. Sicher ist sicher. Ist ja in Osh schon ziemlich frisch. Und die nächsten Tage gehts rauf auf über 3500 Meter. Da ist es also nochmal deutlich kälter als hier. Ansonsten müsste ich aber ganz gut ausgestattet sein. Ganz am Anfang meiner Reise hatte es ja auch geschneit. Und wenn ich da an die Nacht vor der DAV-Hütte denke….das ging ja auch irgendwie. Trotzdem bin ich aber mal wieder etwas aufgeregt.

Nach zwei Tagen in Osh mach ich mich am Mittwochmorgen dann schließlich auf den Weg. Das Wetter könnte besser nicht sein. Es ist sonnig und spätsommerlich warm. Zumindest kann ich im T-Shirt fahren. Erstmal besoge ich mir etwas Proviant: Haferflocken, Apfelsaft, Wasser, ein paar Fertiggerichte und zwei Fladenbrote. Und dann gehts los. Ich verlasse Osh in östlicher Richtung. Und hier beginnt er irgendwo: der Pamir-Highway, eine der höchsten Fernstraßen der Welt und sicherlich der Traum vieler Radreisender. 1300 Kilometer lang, verläuft er zwischen Osh und Dushanbe, der Hauptstadt Tadschikistans. Und auf diesen 1300 Kilometern erwarten einen spektakuläre, atemberaubend schöne Landschaften und kilometerlange Einsamkeit. Der eindrucksvollste Teil ist wohl der Abschnitt in Tadschikistan. Bis dahin komm ich aber leider nicht, denn auf dem Weg nach China werde ich den Pamir-Highway bereits nach knapp 200 Kilometern wieder verlassen. Aber ich freu mich trotzdem unglaublich auf diesen Abschnitt.

Es dauert eine ganze Weile bis Osh hinter mir liegt. Kilometerlang ziehen sich die Ausläufer der Stadt hin. Trotzdem wirkt alles sehr schnell ländlich. Städte kommen nach Osh keine mehr. Ab und an ein Dorf oder Hof. Das wars. Große Anstiege gibt es ebenfalls erstmal nicht. Es geht aber permanent bergauf. Es macht unglaublich Spaß zu fahren. Habs richtig vermisst. Ich hatte aber echt auch eine lange Pause.

Und da sind sie dann auf einmal wieder, die Begegnungen am Straßenrand. Es ist doch schon ein Riesenunterschied, ob man mit dem Fahrrad unterwegs ist oder eben im Auto oder Zug. Auf dem Fahrrad ist immer ziemlich schnell Kontakt da. Man begegnet mir sehr offen und interessiert. Besonders die Kinder. Sie kommen von überall her angerannt, winken und rufen mir ein lautes, euphorisches „Hellooo“ zu. Und dann freuen sie sich bis über beide Ohren, wenn ich ebenfalls zurückwinke und rufe. Von Bauern, die am Straßenrand ihr Obst verkaufen, werde ich angehalten und mit Äpfeln versorgt oder aber einfach von der Straße weg zum Essen eingeladen. Zum Beispiel von Anmar, der mit Nachbarn vor seinem Haus sitzt, als ich vorbeifahre. Umar, den ich in Osh kennengelernt habe, erklärt mir die kirgisische Gastfreundschaft aus einer historischen Sicht: die Jurten der Nomaden standen früher viele, viele Kilometer auseinander. Zwanzig, dreißig oder auch mal fünfzig. Gerade im Winter war es daher ganz klar, dass ein Fremder, der vorbei kam, auf jeden Fall aufgenommen und versorgt wurde. Und daran hat sich bis heute nichts geändert, meint er.

Auf meiner Fahrt durch die Berge erfahre ich das mehrfach. Gleich am ersten Tag nochmal. Ich habe gerade mein Zelt aufgebaut, da kommt Abelek, ein Schäfer, vorbeigeritten. Ganz interessiert schaut er sich zuerst das Zelt und die vielen Taschen an und lädt mich dann kurzerhand  zum Abendessen ein. Mit seinem Bruder wohnt er in einem winzigen Haus, das nur aus einer Küche und zwei kleinen Zimmern besteht. Ohne Toilette und fließend Wasser. Und es ist richtig kalt bei den beiden. Fast so kalt, wie draußen. Daher sitzen wir erstmal mit Mütze und Jacke da. Aber auf dem Ofen dampft schon eine heiße Nudelsuppe. Dazu gibt es noch Brot und eine große Kanne Tee. Irgendwie haben wir alle Hunger, denn wir essen den ganzen Topf leer und sicher zwei, drei Brote. Als ich dann am Gehen bin, begleitet mich Abelek noch bis zum Zelt, denn ich hab meine Taschenlampe vergessen und ist bereits stockdunkel. Und er lädt mich gleich nochmal zum Frühstück ein. Das gibts um sieben. Da soll ich auf jeden Fall wieder vorbeikommen. Gar nicht diskutiert wird, als ich am nächsten Tag meine beiden Brote zum Frühstück beisteuern will. Die werd ich noch brauchen und daher soll ich die mal schön wieder mitnehmen. Und so bleibt mir später nur, mich bei den beiden ganz doll zu bedanken, bevor ich am frühen Vormittag wieder weiterfahre.

Weiter in die Berge. Ich bin voll in meinem Element. Es ist so atemberaubend schön, dass ich kaum vorankomme. Ich schaffe meist nur fünfzig Kilometer am Tag, weil ich überall anhalte, Pausen mache und die Umgebung und das gute Wetter genieße. Das spielt nämlich auch mit. Tagsüber kann ich im T-Shirt fahren und nachts, da gibts zwar leichten Frost, aber da hält mich mein Schlafsack schön warm. So kalt ist es also gar nicht. Glück gehabt.

Insgesamt bin ich fünf Tage in den Bergen unterwegs. Besonders schön finde ich den Abschnitt hinter Sary Tash. Da ist es auch am einsamsten. 70 Kilometer keine einzige Ortschaft und auch kein Hof. Und kaum mehr als ein Auto pro Stunde, was an mir vorbei fährt. Bis Nura, dem letzten größeren Ort vor der Grenze. Über Nura und den Grenzübergang Irkeshtam bin ich schließlich vor zwei Tagen nach China eingereist. Das muss ich jetzt erstmal verdauen, dass ich tatsächlich in China bin. In Kashgar, um genau zu sein. Morgen wirds dann aber schon wieder weitergehen. 1400 Kilometer Richtung Norden, nach Urumqi. 20 Stunden Busfahrt…