Mittwoch Morgen in Trabzon. Eigentlich wollt ich heut ja richtig früh aufstehen. 6:30 Uhr hatte ich angepeilt, aber so ganz geklappt hat das nicht. Der gestrige Iftar-Abend war dafür dann doch zu lang gewesen. Als ich am Frühstückstisch sitze, ist es fast acht. Das heißt also, schnell alles aufessen, was Elif vorbereitet hat. Dann könnts noch für zwei genussvolle Tassen Kaffee reichen. Arturo war heut mal früher wach als ich und sitzt schon eine Weile am Tisch. Wir haben uns hier im Hostel kennengelernt und wollen zusammen Richtung Batumi fahren. Und um schön entspannt radeln und viele Pausen machen zu können, hatten wir unsere Abreise auf 8 Uhr terminiert. Aber das war sicher etwas überambitioniert gewesen. Und Arturo ist ja auch nicht so unglaublich viel früher wach gewesen als ich.
Ist aber alles nicht schlimm, für die Etappe, die wir uns heute vorgenommen haben, wäre auch 10 Uhr noch im Rahmen. So ganz schaffen wir das aber auch nicht, da wir uns vor dem Hostel noch verquatschen und außerdem ja auch noch ein paar Abschiedsfotos machen müssen. Aber gegen 10:15 Uhr ist es dann tatsächlich so weit. Wir rollen bei Elif vom Hof in Richtung Fernverkehrsstraße, die uns, wieder direkt am Meer entlang, bis nach Batumi bringen wird. Und das Beste ist: ich hab mein iranischen Visum im Gepäck. Unglaublich. Was war das doch für eine Rennerei und Warterei gewesen. Dass das noch geklappt hat. Genial!!
Insgesamt 12 Tage musste ich in Trabzon warten. Da müsste ich ja eigentlich froh sein endlich weiter zu kommen. Das stimmt auch ein Stück weit, aber irgendwo bin ich auch ein bisschen wehmütig, dass die Zeit in Trabzon vorbei ist. Letztendlich war es hier doch ganz schön gewesen. Hätt ich am Anfang gar nicht gedacht. Vermissen werd ich auf jeden Fall die Iftarabende mit Holger, Fatih und Fikret und ganz besonders auch Elif, unsere sympatisch-exzentrische Hostelbesitzerin, die nach Kräften geschaut hat, dass es einem an nichts fehlt und mir selbst bei ganz vielen Dingen geholfen hat: über einen Laden in Istanbul hat sie mir Ersatz für mein defektes Kameraobjektiv beschafft, sie hat mich zur Bank und zum Frisör begleitet und übersetzt und vor allem hat sie immer wieder versichert, dass das mit meinem iranischen Visum bestimmt klappen wird. Und so hab ich mich hier richtig wohl fühlen können.
Von Elifs Hostel fahren Arturo und ich einmal quer durch die Innenstadt von Trabzon. Groß verfahren kann man sich nicht. Es geht einfach immer bergab, bis man am Meer ist. Und dann brauchen wir uns nur noch rechts halten und der D-010 folgen. Landschaftlich hat sich in den letzten 300 Kilometern kaum etwas getan. Links das Meer und rechts die Berge. Und zwischendrin immer wieder kleinere Ortschaften. Man könnt ja meinen, dass es kaum eine schönere Kulisse zum Radfahren gibt, aber nach so vielen Tagen und Kilometern wär ich auch nicht traurig um eine kleine Abwechslung. Damit muss ich aber noch bis Batumi warten.
Arturo und ich lassens ganz gemütlich angehen. Wir machen immer mal wieder eine Pause und gehen entweder irgendwo einen Kaffee trinken oder kaufen uns etwas zum Essen und Trinken und setzen uns damit ans Meer. Voll entspannt. An einem Strand bauen wir abends unsere Zelte auf. Die Besitzer, die dort ein Büfett betreiben, haben nichts dagegen. Im Laufe des Abends kommen sie immer mal wieder vorbei, schauen sich ganz interessiert Zelt und Ausrüstung an oder bringen ein Gläschen Tee vorbei.
Am Donnerstag fahren wir dann recht früh los. Also für unsere Verhältnisse. Gegen 9:30 Uhr sind wir startklar und machen uns auf den Weg Richtung Georgien. Ich bin schon ganz aufgeregt. Die 80 Kilometer bis zur Grenze legen wir aber wieder im Schneckentempo zurück, halten alle 20, 30 Kilometer an und legen eine Pause ein. Aber wir haben ja Zeit. Sind ja schließlich auch früh gestartet…
Die Grenze zu Georgien ist dann mal eine Grenze, wie sie im Buche steht. Hier herrscht absoluter Hochbetrieb. Zumindest auf türkischer Seite. Schon Kilometer vor der Grenze stehen ganze LKW-Kolonnen am Straßenrand und warten auf ihre Abfertigung. An der Grenze selbst warten wiederum viele Georgier auf ihre Einreise. Fast alle haben volle Taschen dabei und waren in der Türkei Bekleidung kaufen. Die ist dort wohl recht preiswert, zumindest im grenznahen Bereich.
Arturo und ich schlängeln uns auf der LKW-Spur bis vor zur Passkontrolle. Dort werden wir erstaunlicherweise auch ziemlich zügig abgefertigt. Ausreisestempel in den Pass, ein bisschen Smalltalk – fertig. Die Einreise nach Georgien ist fast ebenso schnell passiert. Nur eine kleine Schlange von Wartenden steht vor uns am Schalter. Ich hab bei dem Ansturm draußen schon Schlimmes befürchtet. Nach der Passkontrolle steht dann noch die Gepäckkontrolle an. Die erspart man sich bei uns aber. Sehr zur Freude der hinter uns Wartenden. Allerdings werden unser Gepäck und wir selbst von einem Spürhund in Augenschein genommen. Das was er sucht, findet er bei uns aber nicht und daher können wir gleich weiter und haben auch das geschafft. Und dann sind wir in Georgien.
Was ein krasser Wechsel innerhalb von nur wenigen Metern. Genau wie nach der Einreise in die Türkei komm ich mir vor wie in einer anderen Welt. Neben der Sprache ist auf einmal auch die Schrift eine andere, es gibt anderes Geld und einen neuen Umrechnungskurs und dazu merkt man, dass man sich nicht mehr in einem muslimischen Land zur Zeit des Ramadan befindet. Leicht bekleidete Menschen laufen durch die Straßen und liegen am Strand in der Sonne. In der Türkei waren die Strände ja praktisch leer gefegt. Dazu wird überall gegessen und getrunken, obwohl es noch gar nicht 20 Uhr ist. Man meint gar nicht, wie schnell man sich an solche Dinge gewöhnen kann. Und dann ist es umso unglaublicher, wenn es auf einmal wieder ganz anders ist. So, wie man es eigentlich kennt. Und trotzdem fühlt es sich irgendwie ungewohnt an, das scheinbar so Normale. Auch die Zeit ist eine andere als noch vor 20 Minuten. Eine Stunde Unterschied zur Türkei, zwei zu Deutschland. Auf einmal kommt mir Deutschland unendlich weit weg vor. Und die Türkei erst…
So viele neue Eindrücke muss ich erstmal sacken lassen. Da kommt mir Batumi gerade recht. Hier haben Arturo und ich ein Hostel gefunden und sicher bleiben wir erstmal zwei, drei Tage. Anfang nächster Woche wirds dann weiter gehen. Über die Berge Richtung Tiflis.