Budapest oder alle guten Dinge sind drei

Eigentlich wollt ich ja nur für einen Tag in Budapest bleiben. Eigentlich. Jetzt sind drei draus geworden. Drei Tage, in denen ich auf Entdeckungstour durch die Stadt gehen und mir einiges anschauen konnte. Organisatorisch ist das ja immer gar nicht so einfach, denn um sorgenfrei unterwegs sein zu können, brauch ich eine halbwegs sichere Möglichkeit, meine ganzen Sachen unterzubringen. Die hab ich hier vorgestern ganz zufällig gefunden. Und zwar im Bikercamp, einem Zeltplatz auf einem kleinen Privatgrundstück mitten in der Stadt. Eine richtig schöne, grüne Oase in total familiärer Atmosphäre. Und man bezahlt eine Nacht und bekommt die zweite gratis dazu. Und das noch viel günstiger als auf allen anderen Zeltplätzen, auf denen ich bisher gewesen bin. Ein richtiger Geheimtipp das Bikercamp.

Von hier starte ich meine Touren in die Stadt. Das Fahrrad lass ich hier. Ich habs einen Tag lang probiert, aber für Radfahrer ist Budapest nicht wirklich geeignet. Zumindest ist das mein Eindruck. Kaum Radwege und viel Verkehr machen das Fahrradfahren zu einer echten Herausforderung. Dann doch lieber mit den Öffentlichen. Mit der U-Bahn fahr ich immer erst mal ins Zentrum zum Deák-Ferenc-Platz, dem zentralen Knotenpunkt der U-Bahnen. Und von dort lauf ich dann durch die Straßen. Oder ich fahr mit einem der vielen Busse oder den Straßenbahnen irgendwo hin. Manchmal steig ich einfach aus, wo es schön ist und manchmal fahr ich bis zur Endhaltestelle und wieder zurück. So bekommt man einen Überblick und auch irgendwie auch einen ganz guten Eindruck von einer Stadt. Und man sieht nicht nur Ecken, die in Reiseführern stehen. Natürlich interessieren die mich aber auch.

Zum Beispiel das Burgviertel. Der Besuchermagnet schlechthin. Hier schau ich mir das Felsenkrankenhaus an. Ende der 1930er Jahre wurde das in die Höhlen des Budaer Burgberges hineingebaut. Ursprünglich für 200 Menschen konzipiert, wurden hier während des Zweiten Weltkrieges bis zu 700 Personen versorgt. Wachsfiguren und die originale Einrichtung vermitteln einen wagen Eindruck von den Zuständen und der Enge, die hier geherrscht haben müssen. In den 1960er Jahren wurde die Anlage dann zu einem Atombunker ausgebaut und blieb zur Zeit des Kalten Krieges in ständiger Bereitschaft. Erst 2008 wurde der ganze Komplex für Besucher geöffnet.

Vom Felsenkrankenhaus sinds nur ein paar Schritte zur Matthiaskirche. Die schau ich mir daher auch gleich an. Drinnen ist es gar nicht so voll, wie ich gedacht habe. Die Atmosphäre empfinde ich als sehr angenehm. Gerade auch von der Lichtstimmung her. Irgendwie ganz warm. Ich bleib daher auch eine Weile und lass mir ziemlich viel Zeit. Wieder draußen gehts auf die Fischerbastei. Hier weht ein laues Lüftchen von der Donau hoch. Das tut ganz gut, denn es ist ziemlich warm. Und von hier oben hat man außerdem auch noch einen schönen Blick auf das Parlamentsgebäude und den Stadtteil Pest, der durch die Donau vom Stadtteil Buda getrennt ist. Bis ins 19. Jahrhundert hinein waren beides eigenständige Städte. Zusammen mit dem ebenfalls eigenständigen Óbuda ist daraus dann Budapest entstanden.

Budapest kommt mir sehr jung und modern vor. Zwar gibt es auch viele Ecken an denen der Zahn der Zeit nagt, aber die gibts wohl in jeder Großstadt. Auf jeden Fall sehe ich auffallend viele junge Menschen in den Straßen und Parks und abends in den vielen Kneipen und Bars in der Innenstadt. Die Tage in Budapest haben mir auf jeden Fall richtig gut gefallen. Es gibt hier so viel zu entdecken und zu sehen. Ich könnte eigentlich noch länger bleiben. Aber irgendwann muss ich ja auch mal weiter fahren.

Heut werd ich mich daher wieder auf den Weg machen. Es geht jetzt quasi direkt nach Süden, Richtung serbische Grenze. Vielleicht schaff ichs ja noch am Wochenende dort zu sein. Mal sehen. Es ist ab jetzt auf jeden Fall so, dass jeder gefahrene Meter Neuland für mich sein wird. Denn südlich von Budapest bin ich in Ungarn noch nie gewesen und auch in den folgenden Ländern auf meiner Route nicht. Ab jetzt wirds also richtig spannend für mich.

 

 

Ungarn und eine gelungene Überraschung

Von Tulln mach ich mich am Dienstag vor einer Woche auf den Weg nach Ungarn. Ich starte recht früh, weil die geplante Etappe diesmal etwas länger sein wird als sonst. Gegen 9 schieb ich mein Rad vom Zeltplatz und fahre los. Erst mal nur bis in den nächsten Ort. Dort deck ich mich mit Proviant für den Tag ein. Äpfel, Bananen, Käse, Brot, Haferflocken und Apfelsaft. Und eine Zwiebel für mein Abendessen. Den Apfelsaft füll ich gleich in eine Flasche am Fahrrad um, der Proviant kommt hinten in den Rucksack. Das Wetter ist frühlingshaft warm und sonnig und so freu ich mich auf einen schönen Tag im Sattel. Noch Musik anmachen und los.

Irgendwo hinter Wien holen mich Fabian und Orleans ein. Sie sind in der Türkei gestartet und auf dem Weg ans Nordkap. Die nächsten Kilometer fahren wir zusammen und unterhalten uns über unsere Strecken und Ziele, das Wetter in den nächsten Tagen und darüber, wo der Donauradweg am schönsten ist. Sie meinen, dass die schönsten Abschnitte in Südosteuropa zu finden sind. Das klingt gut, denn Südosteuropa liegt ja noch vor mir. Meine Favoriten bisher sind der erste Teil bis Ulm und dann das Stück von Passau Richtung Tulln. Ich mag ja die Berge. Von daher… Irgendwann halten die beiden an und machen eine Pause. Für mich gehts weiter Richtung Bratislava.

Wie die letzten Tage auch fahr ich meist auf Dämmen direkt an der Donau entlang. Einerseits ist das ganz angenehm. Es gibt keinen Verkehr und so kann man den ganzen Tag seinen Gedanken nachhängen und ganz entspannt fahren. Anderseits gibt es aber auch nur wenig Abwechslung und so ziehen sich manche Teilabschnitte ziemlich in die Länge. Naja, es gibt wohl Schlimmeres. Im Nationalpark Donau-Auen verschwindet die Donau hinter einem langgezogenen Waldstück. Erst als ich die Donau kurz vor Hainburg überquere, bekomm ich sie wieder zu Gesicht. Richtig breit ist sie hier schon. Die Überfahrt dauert bestimmt zwei, drei Minuten.

Hinter Hainburg wirds dann langsam etwas urbaner. Bald schon zeigt sich am Horizont ein Meer aus Beton. Bratislava ist nicht mehr weit. Ein ziemlich ungewohnter Anblick nach den vielen Tagen im Grünen. In Bratislava wird der Donauradweg dann durch eine Großbaustelle unterbrochen. Hier sind Brückenarbeiten im Gange. Absolut kein Durchkommen, das Gebiet ist weiträumig abgesperrt. Als ich die Karte raushole, ratlose Blicke. Wie es Richtung Donauradweg weiter geht, weiß hier keiner so recht. Die Baustelle soll ich auf jeden Fall weiträumig umfahren. Das wird ein bisschen schwierig, denn eine digitale Karte für die Slowakei hab ich nicht heruntergeladen, da der Streckenabschnitt ja recht kurz ist. Und meine Karte vom Donauradweg hilft auch nicht wirklich weiter. Die enthält nämlich keine detaillierten Stadtpläne. Zwei Rennradfahrer erkennen aber meine etwas missliche Lage. Ein kurzes „Donau?“ – „Yes.“ – „Follow us!“ und schon gehts im Eiltempo um die Baustelle herum. Dafür hätt ich allein ewig gebraucht. Ich freu mich sehr, über die Hilfsbereitschaft. Und auch darüber, dass ich die letzten Minuten Sonnenschein noch nutzen und es jetzt sicher noch bis Ungarn schaffen kann.

Gegen halb acht passiere ich die ungarische Grenze. Bis Rajka ists dann nur noch ein Katzensprung. Der Zeltplatz zu dem ich eigentlich wollte, ist leider geschlossen. Na das kenn ich ja jetzt schon. Dann muss ich mir heut also etwas anderes suchen. Ich fahr noch ein paar Kilometer. Hinter Dunakiliti pack ich an einer wind- und sichtgeschützten Stelle am Waldrand Isomatte und Schlafsack aus. Kaum lieg ich, bin ich auch schon eingeschlafen. War doch ganz schön lang gewesen heute.

Der Plan für die folgenden beiden Tage ist bis Esztergom zu fahren. Hier möchte ich mich mit meinem Vater treffen, um dann am Wochenende meine Tanten, Onkels, Cousins und Cousinen zu besuchen. Und das geht zeitlich nur an diesem Wochenende. Daher auch die ganze Eile in den letzten Tagen. Seit Regensburg bin ich ja quasi durchgefahren. Die drei Tage Pause sind daher sicher nicht verkehrt. Die nächsten Kilometer werden aber nochmal eine ziemliche Umstellung. Oft gibt es hier nämlich keine Radwege. Das heißt, dass ich mir die Straßen mit allen Verkehrsteilnehmern teilen muss. Und so donnern neben PKWs auch Busse und 40-Tonner direkt an mir vorbei. Manchmal mit kaum mehr als einer Armeslänge Abstand. Von den beschaulichen Radwegen in den Donauauen direkt in den Berufsverkehr. Beim Fahren muss ich daher ziemlich aufpassen. Gefühlt alle 10 Sekunden schau ich in den Rückspiegel. Und meine gelbe Warnweste hab ich vorsichtshalber auch mal angezogen.

Nach Komárom führt der Donauradweg an brachliegenden Industrieanlagen vorbei. Das Verkehrsaufkommen ist immens. Aber hier gibt es zum Glück Radwege. Die Donau seh ich so gut wie gar nicht. Stattdessen führt die Route dort entlang, wo man die Nähe zur Donau nun überhaupt nicht vermuten würde: kilometerweit über staubige Felder, an Bahngleisen entlang und durch immer gleich aussehende Ortschaften. Ab und zu seh ich das erlösende Schild mit der Nummer 6, was mir zeigt, dass ich immer noch auf dem Eurovelo6 bin, dem Fernradwanderweg vom Atlantik ans Schwarze Meer. Da freu ich mich dann immer richtig.

Donnerstag gegen 15 Uhr erreiche ich Esztergom. Mein Vater holt mich ab und mit dem Auto gehts dann in den Osten Ungarns, in den kleinen Ort Derecske in der Nähe von Debrecen. Hier werden wir drei ruhige Tage verbringen. Zumindest denke ich das. Denn ohne, dass ich das irgendwie mitbekommen hätte, wurde hier eine zweite Abschiedsfeier organisiert. Mit allem was dazu gehört. Vielen Gästen, viel zum essen und trinken, einen Kessel Slumbuc und einem Transparent, welches vor dem Haus hängt. Ich kann mich leider nicht so gut verständigen, was ein bisschen Schade ist. Aber die Überraschung ist auf jeden Fall gelungen. Und ich hab so viel gegessen. Also wenn ich das alles aufzählen würde, könnt ichs bestimmt selbst kaum glauben. Von daher ist es gut, dass ich in den nächsten Tagen wieder etwas mehr Fahrrad fahren kann.

Seit gestern bin ich nun auch wieder auf dem Donauradweg unterwegs. Gegen 6 Uhr gings von Derecske zurück nach Esztergom. Die Woche werd ich auf jeden Fall noch in Ungarn bleiben. Zeitdruck hab ich ja jetzt keinen mehr. Daher können die nächsten Etappen dann auch mal etwas kürzer werden.