Aonang, die Zweite

Gepäck verstauen, Rollschal über Hals und Ohren ziehen, die freien Hautstellen im Gesicht dick mit Sonnencreme einschmieren und dabei vor allem an die Nase denken. Die bekommt nämlich manchmal zu wenig ab und leuchtet dann abends immer in verschiedenen Rottönen.
Von Suratthani an der Ostküste Thailands werd ich heute die Seite wechseln und mich auf den Weg an die Westküste machen. Da Thailand in Höhe von Suratthani ziemlich schmal ist, kann man diese Strecke problemlos in zwei Tagen schaffen. Wenn man früh losfährt sogar in einem. Daran haperts bei mir aber meistens. Zumindest wenn ich eine feste Unterkunft habe, denn so ein schön entspanntes Frühstück hat ja auch was für sich. Wenn das mal ausfallen muss, leg ich meist ziemlich schnell einen ersten Zwischenstopp an einer Garküche ein. Die findet man in Thailand wirklich überall. Hier nehm ich meist eine Nudelsuppe, die kann man nämlich so schön mit Stäbchen essen. Dazu gibts dann verschiedene Gemüsesorten und Fleisch und oben drauf zwei Löffel Chillipulver, alles schön verrühren….fertig. Zur Suppe wird immer ein Becher mit Eiswürfeln gereicht. Aus dem Wasserkrug am Tisch kann man sich dann so oft nachschenken, wie man möchte. So eine Nudelsuppe ist ziemlich ergiebig und macht auf jeden Fall mal für den halben Tag satt.

Meine nächste Station nach Suratthani ist Krabi. Dort waren Erik und ich ja schon vor vier Wochen, aber irgendwie ziehts mich nochmal dahin zurück. Also, schnell ins Navi eingegeben und los gehts. Vollkommen in Gedanken verpasse ich kurz nach Suratthani jedoch gleich mal eine Abfahrt. Da kann dann auch kein GPS mehr helfen. Wobei – meine GPS-App verfügt ja eigentlich sogar über eine akustische Warnfunktion, sollte man mal zu weit fahren. Die hatte ich aber irgendwann einmal abgestellt, als mich der urplötzliche Warnton beim Musikhören so unglaublich hat zusammenzucken lassen. Zum Umdrehen ist es leider schon viel zu spät, also bleib ich erstmal auf der Nationalstraße 44. In etwa 40 Kilometern kommt dann ja schon die nächste Abzweigung. Und verpasste Abfahrten hatten mich ja schon öfter mal an ganz nette Orte geführt.

Während einer Pause lern ich an einer Tankstelle ein thailändisches Pärchen kennen. Er, selbst passionierter Radfahrer, bietet mir gleich an, mich in seinem Pickup bis Krabi mitzunehmen. Und ich muss zugeben, dass das bei der Hitze ziemlich verlockend klingt. Mein innerer Schweinehund ist sofort überzeugt und will ohne zu zögern zusagen. Aber wenn man damit mal anfängt…. Ich lehn daher höflich dankend ab und steig wieder auf mein Rad und fahr schnell weiter. Sicher ist sicher.

Am nächsten Tag komme ich in Krabi an. Hier bleibe ich einen Tag, schlendere durch die Stadt und genieß die Sonne und lecker thailändisches Chang-Bier spät abends an dem kleinen Pier. Krabi ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt für Reisende. Daher treff ich hier wieder auf viele Touristen. Der Unterschied zu anderen Provinzstädten oder besonders zum Land ist echt krass. In Krabi kann man, von Norden oder Süden kommend, den Bus wechseln oder eines der Longtailboote chartern und dann ins etwa 20 Kilometer entfernte Aonang weiterfahren, dort ein paar Tage am Meer verbringen oder gleich weiter zu einer der vielen nahegelegenen Inseln in der Andamannensee übersetzen. Nach kurzem Abwägen meiner zeitlichen Möglichkeiten entscheid ich mich für einen nochmaligen Abstecher nach Aonang. Lange Strände, Karstfelsen, die sich aus dem Meer erheben und wiedermal badenwannenwarmes Meerwasser. In Aonang lässts sich aushalten. Auch hier waren Erik und ich schon vor vier Wochen. Aber weil es so schön ist und jetzt gerade sozusagen vor der Haustür liegt, musste ich einfach nochmal hier her fahren und einen Extraurlaubstag einlegen.

In Aonang finde ich einen Campingplatz auf dem Gelände des Verwaltungsgebäudes des Nationalparks. Hier kann ich für umgerechnet 0,70€ mein Zelt aufstellen. Fast direkt am Meer. Meinen freien Tag verbring ich natürlich am Strand, lese endlich mal eines der beiden Bücher zu Ende, die ich in Hua Hin in einem Secondhand-Buchladen gekauft habe, geh im Meer baden, lauf die Uferpromenade auf und ab und schau mir den Sonnenuntergang an. Sogar zwei Mal. Ach, eigentlich könnt ich noch ein paar Tage bleiben, aber irgendwann ists halt wirklich Zeit und es muss weitergehen. Für mich weiter nach Süden. Am nächsten Tag will ich daher früh starten. Mein Tagesziel ist Trang, etwa 150 Kilometer von Aonang entfernt. Das könnte man auf zwei Tage aufteilen. Aber laut Karte und Google gibts zwischendrin nicht wirklich etwas, wo ich einen längeren Zwischenstopp einlegen müsste. Und da die einzig sinnvolle Verbindung ohnehin meist über die N4 läuft, will ich versuchen, die Strecke in einer Tagesetappe zusammenzufassen.

So früh, wie geplant komm ich jedoch mal wieder nicht weg. Gerade als ich losfahren will, laden mich Savanpak und ihre Familie, die neben mir zelten, zum Frühstück ein. Unter einem Pavillondach haben sie Bastmatten ausgelegt. Darauf stehen verschiedene Schüsseln, die mit Reis aus eigenem Anbau, Schrimps, Krabben, gebratenem Fisch und verschiedenen Currysoßen gefüllt sind. Den Fisch haben sie gestern und die Krabben heute Morgen um drei Uhr früh am Strand gefangen. Die Fische sind winzig klein. Daher braucht man nichts auseinanderpuhlen sondern kann sie sich geradewegs in den Mund stecken und essen. Vorher noch in eine der Soßen getunkt….äußerst lecker. Gegessen wird mit der Hand. Da der Reis ziemlich klebrig ist, geht das ganz wunderbar. Und es schmeckt wiegesagt fantastisch. Als ich erwähne, dass ich meine Nudelsuppen immer mit zwei Löffeln Chillipulver nachwürze, stellt Savanpak ganz begeistert eine kleine Schüssel mit Currysoße vor mich, die bisher etwas abseits gestanden hat. Ich soll erstmal nicht so viel nehmen meinte sie noch – und auf jeden Fall ordentlich Reis. Das mit dem Reis war ein ganz guter Ratschlag. Aber trotz allem brennt sich die Paste mit solch unvorstellbarer Schärfe durch meinen Mund, dass augenblicklich alle anderen Geschmacksempfindungen verdrängt werden. Mit Schweißperlen im Gesicht und einer triefenden Nase recke ich grinsend beide Daumen in die Höhe. Und Savanpak strahlt von einem Ohr zum anderen, weil mir ja ihre Currypaste so gut schmeckt.

Gestärkt und um eine kulinarische Erfahrung reicher, mach ich mich dann gegen zehn Uhr auf den Weg. Ich schau jetzt einfach mal, wie weit ich komme. Schnell wird es richtig heiß. Das merk ich besonders dann, wenn ich anhalte. Mit dem Fahrtwind ist es, trotz der langen Sachen, eigentlich sehr erträglich. Trotzdem messe ich heute die bislang heißeste Temperatur auf meiner Reise: stolze 54°C sind es in der Sonne und über Asphalt gemessen. Im Schatten ist es da mit 36°C deutlich angenehmer. Glücklicherweise liegt die relative Luftfeuchtigkeit nur bei 40%. Daher kann man es noch ganz gut aushalten. Und dazu werde ich von fahrenden Motorrädern und von an der Ampel wartenden Autos mit Säften, kaltem Tee und Wasser versorgt. Trotzdem zieh ich mir zur Kühlung ein nasses T-Shirt über den Helm und mach viele Pausen. Eine schlechte Erfahrung diesbezüglich reicht mir. Als ich nämlich die Grenze zu Thailand überquert hatte, hab ich nach einem Tag in der Sonne vermutlich einen leichten Hitzschlag gehabt. Und so schnell brauch ich das nicht nochmal.

Gegen 20:30 Uhr erreiche ich gestern Abend Trang. Und heute liegt schon wieder ein weiterer Pausentag hinter mir. Aber dafür sind die verschwitzen Klamotten gewaschen, die Route für die nächsten Tage grob ist zurechtgelegt, Fotos sind aussortiert und der Tagbucheintrag geschrieben. Und es war sogar noch Zeit für eine halbe Stunde Mittagsschlaf. Morgen geht es dann in Thailand auf die letzte Etappe. Erstmal bis nach Rawai Beach ganz im Süden, wo ich zum letzten Mal mein Zelt aufstellen werde. Und in zwei Tagen könnt ich dann schon an der malaiischen Grenze sein.

Kreuz und quer durch Thailand

In Thailand fährt man links. Eigentlich keine Neuigkeit für mich. Aber besonders während der ersten Tage nach dem Grenzübertritt blende ich das gerne mal aus. Tagsüber, wenn ich auf dem Rad sitze, ist der Linksverkehr an sich nicht das Problem. Eher dann, wenn ich zu Fuß unterwegs bin und bspw. eine (Schnell-)Straße überqueren will. Besonders am ersten Abend. Der gewohnte Blick nach links geht da leider in die falsche Richtung und mit lautem Hupen und einem langgezogenen Ausweichmanöver werde ich schnell wieder an diese nicht gerade unwichtige Besonderheit erinnert. Also manchmal halte ich meine vielen Schutzengel ganz schön auf Trab. Aber langsam kommt die Routine.

Ansonsten finde ich Thailand verkehrstechnisch etwas entspannter als Kambodscha oder Vietnam. Die Zahl der Mopeds ist deutlich geringer und es wird wieder viel weniger gehupt. Das war in Kambodscha und ganz besonders in Vietnam ja ein alltägliches und omnipräsentes Verkehrsgeräusch. Auf Thailands Straßen ist es dahingehend richtig angenehm. Zumindest auf dem Land. Bangkok ist da natürlich ein ganz anderes Kaliber. Ohne mehrspuriges Verkehrsgedränge, Motorenlärm von allen Seiten und abgasverpestete, stehende, stickig-heiße Stadtluft geht auch hier nichts. Normalerweise stört mich Großstadtluft ja nicht so sehr, aber in Bangkok bin ich immer freiwillig mit einer Schutzmaske gefahren. Obs viel geholfen hat, bleibt dahingestellt, aber der gröbste Dreck wurde vielleicht doch etwas abgehalten. Daher konnte ich mich, trotz der Wärme unter der Maske, ganz gut damit arrangieren.

Bangkok ist ein Moloch und lädt als Stadt kaum zum längeren Verweilen ein. Es gibt sicher einige schicke Ecken und interessante Sehenswürdigkeiten, Tempel, Märkte, Paläste, Buddhastatuen, aber bei der drückenden, feuchtwarmen Luft will bei mir da keine so rechte Lust auf Entdeckungstouren aufkommen. Wobei einem entsprechende Rundfahrten ja quasi vor die Füße gelegt werden. Im Innenstadtbereich muss man nur an der Straße stehen und etwas verloren wirken, auf sein Handy oder eine Karte schauen. Dann dauert es mit Sicherheit nicht lang, bis man von einem Tuktukfahrer angesprochen wird, der einen für schlappe 30 Baht, also umgerechnet etwa 0,75 €, durch die halbe Stadt und zu sämtlichen Hauptsehenswürdigkeiten fahren möchte. Klingt erstmal verlockend und irgendwie sehen die ja auch so niedlich aus, diese Tuktuks, so dass man, wenn man schon nicht selber ans Steuer darf, dann doch wenigstens mal mitfahren möchte. Nun gibts aber auch in Thailand keine Stadtrundfahrt für 0,75 € und daher hat die Sache natürlich einen gewaltigen Haken.

Während des offiziellen Tourprogramms geht es nämlich, wie es der Zufall eben will, noch ganz schnell zu verschiedenen Schneidern, Juwelieren und Reisebüros, wo man am besten überall etwas kaufen oder buchen soll. Und natürlich sind es immer Sonderpreise. Die Tuktukfahrer streichen dann ihre wohlverdienten Provisionen ein, die sie von den jeweiligen Läden bekommen, weil sie hier mal wieder ein paar ahnungslose Touristen abgeladen haben. Und wie kann es anders sein, auch Erik und ich sind natürlich geradewegs in die Falle getappt. Juwelen und Anzüge haben wir geschickt umschifft – ich kann in solchen Fällen ja immer ganz galant die Gewichtsproblematik bei Radreisen anführen – allerdings haben wir eine Reise gebucht, deren Gesamtpreis sicher etwas über dem sonst üblichen Marktniveau gelegen hat. Zu unserer Verteidigung muss ich aber sagen, dass wir ja immerhin die Preise verglichen und nicht gleich das erst beste Angebot genommen haben. Sonst wär es nämlich noch schlimmer gekommen. Und immerhin wollten wir ja auch irgendwohin fahren und haben uns nicht etwas vollkommen Unnützes andrehen lassen. Aber naja, beim nächsten Mal sind wir dann natürlich wieder schlauer und planen alles selber. Aus typischen Touristenanfängerfehlern kann man ja lernen….

Nach zwei Wochen in den schönsten Inselparadiesen im Süden Thailands gings dann wieder zurück nach Bangkok. Von dort hab ich mich dann Anfang letzter Woche erneut auf den Weg gemacht und bin jetzt quasi wieder auf dem Rückweg in den Süden Thailands.

Bis ich Bangkok hinter mir gelassen habe, vergeht ein halber Tag und so wird es früher Nachmittag, als ich die Stadtgrenzen passiere. Ich bin auf jeden Fall heilfroh, als Bangkok endlich hinter mir liegt. Eine absolut grauenvolle Strecke. Und ich hab ja nun schon einige unschöne Ecken gesehen. Dichter Verkehr, Abgase überall, Hitze und dazu ist alles heillos zugebaut. Nirgends ein Fleckchen,  wo man mal entspannt den Blick schweifen lassen könnte. Bei der ersten Gelegenheit verlasse ich auf meiner Fahrt nach Süden daher die Nationalstraße 4 und fahre abseits auf kleinen Landstraßen weiter. Das ist auf jeden Fall besser für die Nerven. Mein erster Zwischenstopp führt mich nach Hua Hin, eine mittelgroße Stadt, etwa 200 Kilometer südlich von Bangkok. Hier steht bereits die erste Visaverlängerung an. Wie schnell doch drei Wochen vergehen können. Wahrscheinlich könnte ich es auch immer noch ohne ein neues Visum rechtzeitig an die Grenze schaffen. Aber nach den langen Etappen in den letzten Wochen möcht ich jetzt gern mal wieder kleinere Strecken fahren und auch mal wieder die Möglichkeit haben, wenns mir gefällt, hier und da ein paar Tage bleiben. Da, wo es eben schön ist. Und solche Ecken gibt es ja so einige in Thailand. Daher wäre es Jammerschade einfach so bis nach Malaysia durchzurauschen.

Und spätestens ab Hua Hin lohnt es sich auch wieder ein bisschen Tempo rauszunehmen. Rechts und links der Nationalstraße gibt es nämlich so viele Nebenstraßen auf denen es sich ganz wunderbar fahren lässt. Und so geht es für mich fast ausschließlich durchs thailändische Hinterland, vorbei an kleinen Ortschaften, Palmenhainen, meist sogar in Meeresnähe und – als absolutes Highlight – durch zwei Nationalparks. Landschaftlich ein absoluter Hochgenuss. Und so schön ruhig. Nicht nur auf der Straße. Auch die Strände sind fast menschenleer. Irgendwie komisch, denn der Februar gehört ja eigentlich noch zur Hauptreisezeit in Thailand. Aber anscheinend ist in diesem Jahr weniger los. Das hör ich unterwegs immer wieder. Ich hab natürlich nichts dagegen. Zumal die Strände oft kilometerlang sind und man somit ohne große Mühen und fast überall schöne Zeltplätze finden kann. Und so führt mich ab Hua Hin mein Weg immer an der Ostküste entlang. An manchen Tagen passiere ich nur ab und an kleinere Ortschaften und hab die Straße meist auch für mich alleine.

Nach drei Tagen an einsamen Stränden bin ich gestern in Chumphon angekommen, eine kleine Stadt, etwa 500 Kilometer südlich von Bangkok. Hier werd ich einen Tag Pause machen. Voll entspannend, mal wieder alle Zeit der Welt zu haben. Morgen wirds dann wieder weiter Richtung Süden gehen. Ob Ost- oder Westküste muss ich mir noch überlegen. Das werd ich morgen beim Frühstück ganz spontan entscheiden.