Ungarn und eine gelungene Überraschung

Von Tulln mach ich mich am Dienstag vor einer Woche auf den Weg nach Ungarn. Ich starte recht früh, weil die geplante Etappe diesmal etwas länger sein wird als sonst. Gegen 9 schieb ich mein Rad vom Zeltplatz und fahre los. Erst mal nur bis in den nächsten Ort. Dort deck ich mich mit Proviant für den Tag ein. Äpfel, Bananen, Käse, Brot, Haferflocken und Apfelsaft. Und eine Zwiebel für mein Abendessen. Den Apfelsaft füll ich gleich in eine Flasche am Fahrrad um, der Proviant kommt hinten in den Rucksack. Das Wetter ist frühlingshaft warm und sonnig und so freu ich mich auf einen schönen Tag im Sattel. Noch Musik anmachen und los.

Irgendwo hinter Wien holen mich Fabian und Orleans ein. Sie sind in der Türkei gestartet und auf dem Weg ans Nordkap. Die nächsten Kilometer fahren wir zusammen und unterhalten uns über unsere Strecken und Ziele, das Wetter in den nächsten Tagen und darüber, wo der Donauradweg am schönsten ist. Sie meinen, dass die schönsten Abschnitte in Südosteuropa zu finden sind. Das klingt gut, denn Südosteuropa liegt ja noch vor mir. Meine Favoriten bisher sind der erste Teil bis Ulm und dann das Stück von Passau Richtung Tulln. Ich mag ja die Berge. Von daher… Irgendwann halten die beiden an und machen eine Pause. Für mich gehts weiter Richtung Bratislava.

Wie die letzten Tage auch fahr ich meist auf Dämmen direkt an der Donau entlang. Einerseits ist das ganz angenehm. Es gibt keinen Verkehr und so kann man den ganzen Tag seinen Gedanken nachhängen und ganz entspannt fahren. Anderseits gibt es aber auch nur wenig Abwechslung und so ziehen sich manche Teilabschnitte ziemlich in die Länge. Naja, es gibt wohl Schlimmeres. Im Nationalpark Donau-Auen verschwindet die Donau hinter einem langgezogenen Waldstück. Erst als ich die Donau kurz vor Hainburg überquere, bekomm ich sie wieder zu Gesicht. Richtig breit ist sie hier schon. Die Überfahrt dauert bestimmt zwei, drei Minuten.

Hinter Hainburg wirds dann langsam etwas urbaner. Bald schon zeigt sich am Horizont ein Meer aus Beton. Bratislava ist nicht mehr weit. Ein ziemlich ungewohnter Anblick nach den vielen Tagen im Grünen. In Bratislava wird der Donauradweg dann durch eine Großbaustelle unterbrochen. Hier sind Brückenarbeiten im Gange. Absolut kein Durchkommen, das Gebiet ist weiträumig abgesperrt. Als ich die Karte raushole, ratlose Blicke. Wie es Richtung Donauradweg weiter geht, weiß hier keiner so recht. Die Baustelle soll ich auf jeden Fall weiträumig umfahren. Das wird ein bisschen schwierig, denn eine digitale Karte für die Slowakei hab ich nicht heruntergeladen, da der Streckenabschnitt ja recht kurz ist. Und meine Karte vom Donauradweg hilft auch nicht wirklich weiter. Die enthält nämlich keine detaillierten Stadtpläne. Zwei Rennradfahrer erkennen aber meine etwas missliche Lage. Ein kurzes „Donau?“ – „Yes.“ – „Follow us!“ und schon gehts im Eiltempo um die Baustelle herum. Dafür hätt ich allein ewig gebraucht. Ich freu mich sehr, über die Hilfsbereitschaft. Und auch darüber, dass ich die letzten Minuten Sonnenschein noch nutzen und es jetzt sicher noch bis Ungarn schaffen kann.

Gegen halb acht passiere ich die ungarische Grenze. Bis Rajka ists dann nur noch ein Katzensprung. Der Zeltplatz zu dem ich eigentlich wollte, ist leider geschlossen. Na das kenn ich ja jetzt schon. Dann muss ich mir heut also etwas anderes suchen. Ich fahr noch ein paar Kilometer. Hinter Dunakiliti pack ich an einer wind- und sichtgeschützten Stelle am Waldrand Isomatte und Schlafsack aus. Kaum lieg ich, bin ich auch schon eingeschlafen. War doch ganz schön lang gewesen heute.

Der Plan für die folgenden beiden Tage ist bis Esztergom zu fahren. Hier möchte ich mich mit meinem Vater treffen, um dann am Wochenende meine Tanten, Onkels, Cousins und Cousinen zu besuchen. Und das geht zeitlich nur an diesem Wochenende. Daher auch die ganze Eile in den letzten Tagen. Seit Regensburg bin ich ja quasi durchgefahren. Die drei Tage Pause sind daher sicher nicht verkehrt. Die nächsten Kilometer werden aber nochmal eine ziemliche Umstellung. Oft gibt es hier nämlich keine Radwege. Das heißt, dass ich mir die Straßen mit allen Verkehrsteilnehmern teilen muss. Und so donnern neben PKWs auch Busse und 40-Tonner direkt an mir vorbei. Manchmal mit kaum mehr als einer Armeslänge Abstand. Von den beschaulichen Radwegen in den Donauauen direkt in den Berufsverkehr. Beim Fahren muss ich daher ziemlich aufpassen. Gefühlt alle 10 Sekunden schau ich in den Rückspiegel. Und meine gelbe Warnweste hab ich vorsichtshalber auch mal angezogen.

Nach Komárom führt der Donauradweg an brachliegenden Industrieanlagen vorbei. Das Verkehrsaufkommen ist immens. Aber hier gibt es zum Glück Radwege. Die Donau seh ich so gut wie gar nicht. Stattdessen führt die Route dort entlang, wo man die Nähe zur Donau nun überhaupt nicht vermuten würde: kilometerweit über staubige Felder, an Bahngleisen entlang und durch immer gleich aussehende Ortschaften. Ab und zu seh ich das erlösende Schild mit der Nummer 6, was mir zeigt, dass ich immer noch auf dem Eurovelo6 bin, dem Fernradwanderweg vom Atlantik ans Schwarze Meer. Da freu ich mich dann immer richtig.

Donnerstag gegen 15 Uhr erreiche ich Esztergom. Mein Vater holt mich ab und mit dem Auto gehts dann in den Osten Ungarns, in den kleinen Ort Derecske in der Nähe von Debrecen. Hier werden wir drei ruhige Tage verbringen. Zumindest denke ich das. Denn ohne, dass ich das irgendwie mitbekommen hätte, wurde hier eine zweite Abschiedsfeier organisiert. Mit allem was dazu gehört. Vielen Gästen, viel zum essen und trinken, einen Kessel Slumbuc und einem Transparent, welches vor dem Haus hängt. Ich kann mich leider nicht so gut verständigen, was ein bisschen Schade ist. Aber die Überraschung ist auf jeden Fall gelungen. Und ich hab so viel gegessen. Also wenn ich das alles aufzählen würde, könnt ichs bestimmt selbst kaum glauben. Von daher ist es gut, dass ich in den nächsten Tagen wieder etwas mehr Fahrrad fahren kann.

Seit gestern bin ich nun auch wieder auf dem Donauradweg unterwegs. Gegen 6 Uhr gings von Derecske zurück nach Esztergom. Die Woche werd ich auf jeden Fall noch in Ungarn bleiben. Zeitdruck hab ich ja jetzt keinen mehr. Daher können die nächsten Etappen dann auch mal etwas kürzer werden.

Ungarn, ich komme…

Tulln an der Donau, Montagnachmittag. Ich lieg in meinem Zelt und hör dem monotonen Trommeln des Regens zu, der seit einer Weile auf mein Zeltdach prasselt. Es gibt doch nichts Gemütlicheres als im Zelt zu liegen, wenn es regnet. Total entspannend. Jetzt ein Nickerchen, das wärs. Aber dazu ist keine Zeit. Mein Kocher muss dringend gereinigt werden, dann wollt ich noch duschen, mein Abendessen kochen und meinen Bürokram erledigen, d.h. die ganzen Tourdaten, also gefahrene Kilometer, Übernachtungsort etc. und meine Ausgaben dokumentieren. Also noch volles Programm heute.

Ich bin jetzt kurz vor Wien. Wenn alles gut läuft, dann schaff ichs morgen vielleicht bis nach Ungarn. Kurz hinter der Grenze, in Rajka, gibts einen Zeltplatz. Bis dahin möchte ich gern kommen. In Ungarn werd ich mich dann zum ersten Mal richtig im Ausland fühlen. Andere Sprache, andere Währung, das wird schon eine ganz schöne Umstellung. Zumindest was die Kommunikation betrifft. Aber das wird sicher auch irgendwie gehen. Ich kenn Ungarn ja ein wenig, hab ganz viele Verwandte dort, bei denen ich die Tage auch noch vorbeifahren werde und hab auch schon viele Urlaube dort verbracht. Von daher ist es ja kein absolutes Neuland für mich. Aber anders wirds trotzdem irgendwie.

Auch was die Donau betrifft. Mit Bergen ists dann wohl erst mal vorbei. Davon gabs in den letzten Tagen aber noch mal reichlich. Diese waren landschaftlich auch wieder sehr beeindruckend. Mehrmals wechseln sich bergige und flache Abschnitte ab. Die Donau bleibt dabei meist in Sichtweite des Radweges. Häufig fahre ich auf Dämmen direkt an der Donau entlang. Zwischendrin passiere ich immer wieder kleinere Ortschaften. Die sehen schon ganz anders aus als zu Hause. Enge Gassen und viele alte Häuser in einer recht gedrungenen Bauweise. Insbesondere bei den Kirchen fällt mir das immer wieder auf. Man könnte meinen, hier sei die Zeit stehen geblieben. Schön siehts hier aus. Alles wirkt sehr gepflegt. Herausgeputzte Vorgärten, liebevoll dekorierte Häuser und immer wieder Schilder, die Radler willkommen heißen. Und man merkt, dass langsam der Frühling Einzug hält. Überall leuchtende Forsythiensträucher, das erste Grün an den Büschen und auch die Kirschbäume stehen in voller Blüte. Und tagsüber wird es schon sehr warm. Nachts ist es aber immer noch recht frisch. Morgens hats oft nur zwei, drei Grad.

Trotzdem hab ich seit Passau immer im Zelt geschlafen. Die vielen Übernachtungen in Jugendherbergen sind ganz schön ins Geld gegangen. Da mein Frühstück seit dem immer etwas kürzer und weniger üppig ausfällt, genehmige ich mir am späten Vormittag oft nochmal ein zweites. Irgendwo, wo es schön ist, setz ich mich dann auf eine Wiese, kram meinen Kocher heraus und mach mir nochmal eine Tasse Kaffee. Manchmal sitz ich dann eine Stunde da oder lieg im Gras und genieß die Sonne. Abends dann das Gleiche. Entweder koch ich direkt am Zelt oder aber noch irgendwo unterwegs. Mein Favorit zurzeit ist Reis mit Zwiebeln angebraten, dazu Tomatenmark und noch etwas Salz und Pfeffer. Nach sechs Stunden im Sattel ein kulinarischer Hochgenuss.

Was das Essen betrifft, bin ich schon sehr auf die nächsten Länder gespannt. Die ungarische Küche hats mir ja besonders angetan. Da freu ich mich auf jeden Fall schon mal auf die nächsten Tage.

Servus Österreich

Gestern Mittag kurz vor zwölf roll ich über die Grenze nach Österreich. Ein bisschen feierlich ist mir da schon zu Mute. Nichtsdestotrotz ist mein erster Grenzübertritt aber reichlich unspektakulär. Mein Handy piepst kurz und weist auf die neuen Datentarife hin. Dann gibts noch zwei Hinweisschilder, das wars. Und schon ist man in Österreich. Der deutsche Teil des Donauradweges liegt damit hinter mir. Landschaftlich sehr abwechslungsreich, interessante Städte, gut ausgebautes Wegenetz und unterkunfts- und verpflegungstechnisch optimal auf Radfahrer eingestellt. So bleibt er mir in Erinnerung. Hat mir richtig gut gefallen die erste Etappe.

Meine Tour Richtung Österreich startet in Passau. Ich komme erst am späten Vormittag los. Das Frühstück in Jugendherbergen ist einfach zu lecker. Außerdem brauche ich noch digitale Karten von Österreich und Ungarn. Da es in der Jugendherberge wegen des Sturms noch kein stabiles Netz gibt, muss ich mich nach einer anderen Zugangsmöglichkeit umsehen. Die Touristeninformation empfiehlt mir die Stadtgalerie. Da gibts für zwei Stunden kostenloses WLAN. Also schnell zur Stadtgalerie, das Fahrrad vorm Eingang abgestellt und eingeloggt. Ich wär gern draußen bei meinen Rad geblieben, aber da ist das Netz zu schwach. Zumindest für einen Download. Also muss ich rein. Gerade so weit, dass ich mein Rad noch im Blick habe. Ich wähl mich ein und dann wandert mein Blick immer vom Fahrrad aufs Display und zurück. Eine halbe Stunde geht das so. Dann hab ich die beiden Karten und kann los.

Nach Passau wieder ein landschaftlicher Wechsel. Die Donau durchfließt jetzt das Obere Donautal bzw. die Donauschlucht. Und da ist der Name Programm. Bis Aschach ragen rechts und links der Donau steile Berge auf. Das heißt für mich, es geht immer direkt an der Donau entlang. Spektakuläre Landschaftseindrücke inklusive. Ab und an ein paar kleinere Anstiege, gerade wenn sich das Tal etwas verbreitert, aber meist ist es flach. Und so komm ich ganz gut voran. Und das ohne Kniebeschwerden. Die Pause in Regensburg hat mir wirklich gut getan. Da kann ich das Fahrradfahren wieder richtig genießen. Dazu noch das schöne Wetter. Was will man mehr.

In Aschach deck ich mich mit Proviant für das Wochenende ein. Weil ich seit heut Morgen nichts mehr gegessen und daher ziemlichen Hunger habe, verdrücke ich einen Teil davon gleich auf dem Parkplatz. Und dann mach ich mich auf den Weg nach Linz. Laut meiner Karte gibt es da einen Zeltplatz. Da möchte ich hin. Der Zeltplatz ist schnell gefunden, es gibt nur ein kleines Problem. Er ist geschlossen. Die Saison beginnt erst im Mai. Da muss ich also weiter schauen. Der nächste Zeltplatz liegt etwa 10 km entfernt. Da probier ichs mal. Gegen 19 Uhr komm ich beim Zeltplatz Nr.2 an. Hier das gleiche. Erst ab Mai geöffnet. Oh man, wer weiß, wo ich heut Abend schon wieder schlafen werde. Eine Option hab ich aber noch. Ein kleiner Zeltplatz bei Tödling. Da das ganz in der Nähe ist, möchte ich es da auch noch mal versuchen. Wenn das auch nichts ist, dann muss ich mein Zelt eben irgendwo aufbauen. Aber ich hab Glück. Der Zeltplatz ist geöffnet. Noch ziemlich leer zwar, aber offen. Außer ein paar Wohnwagen gibts noch keine Gäste. Ich bin der einzige mit einem Zelt. Hier bleib ich für eine Nacht.

Mittlerweile bin ich wieder startklar. Zum Frühstück gabs Kaffee und Käsebrötchen. Jetzt gehts dann weiter Richtung Melk.