Unverhofft kommt wirklich oft…

Vama Veche, ein kleines Örtchen am äußersten Südostrand von Rumänien. Hier bin ich nach zwei Tagen Fahrt von Tulcea aus gelandet. Schon auf dem Weg wurde mir der Ort mehrfach empfohlen: direkt am Meer gelegen, langer, flacher Sandstrand und es gibt viele Möglichkeiten zu zelten. Hört sich gut an. Und da Vama Veche auch noch direkt auf meiner Route liegt, werd ich hier auf jeden Fall mal anhalten und einen Zwischenstopp einlegen.

Keine Hundert Meter vom Meer entfernt finde ich einen kleinen, gemütlichen Zeltplatz für mich und meine ganzen Sachen. Das ist ja irgendwo immer eine Grundvoraussetzung dafür, dass ich länger an einem Ort bleiben und auch mal etwas unternehmen kann. Ich zahl gleich mal für zwei Nächte. So hab ich auf jeden Fall einen kompletten Tag, an dem ich hier ausspannen kann. Und das mach ich am nächsten Tag ausgiebig. Ich bin ganz faul und lieg entweder in der Hängematte oder am Strand. Und da beides ja so nah beieinander liegt, kann ich nach Lust und Laune hin und her wechseln.

Eigentlich steht fest, dass ich noch einen weiteren Tag bleibe. Aber dann treff ich Lui. Ganz zufällig. Ich lauf gerade durch den Ort und seh auf einmal ein schwer bepacktes Reiserad irgendwo an einer Wand stehen. Ich schau kurz, wer als Besitzer in Frage kommen könnte und setz mich dann zu Lui an den Tisch, der dort ganz in Gedanken versunken an einer Hähnchenkeule nagt. Lui kommt aus Hong-Kong. Er ist vor neun Monaten in Kapstadt gestartet, hat dann ganz Afrika sowie West- und Mitteleuropa durchquert und ist jetzt auf der Heimreise nach Hong-Kong. Wir unterhalten uns ein bisschen über unsere Touren und Reiserouten und stellen ziemlich schnell fest, dass wir mit Istanbul unser nächstes Etappenziel teilen. Da könnt man doch zusammen fahren. Und genau das beschließen wir auch und verabreden uns für den nächsten Tag um 10 Uhr. So schnell ändern sich die Dinge…

Zehn wirds nicht sondern elf, aber dann stehen wir abfahrtbereit da. Erst mal steuern wir den nächsten Laden an und geben da unsere letzten Lei aus. Gleich hinter Vama Veche liegt nämlich die rumänisch-bulgarische Grenze.  Als wir die Grenze erreichen, herrscht hier Hochbetrieb. Eine lange Autoschlange schiebt sich vor uns her. Groß warten müssen wir dennoch nicht. Routiniert und mit wenigen Handbewegungen wird hier der Grenzverkehr abgewickelt. Auch ich kann gleich weiter fahren. Bei Lui dauerts ein wenig länger, bis für ihn die Grenzformalitäten geklärt sind. Aber das kennt er schon und hat mich entsprechend vorgewarnt. Anders als chinesische Staatsbürger braucht Lui mit seinem Hong-Konger Pass nämlich kein Visum für Bulgarien. Aber bis das allen klar ist, vergehen ein paar Minuten. So oft kommen hier Reisende aus China oder Hong-Kong eben nicht vorbei.

Die nächsten Tage gehts für Lui und mich immer in südlicher Richtung an der Küste entlang. Ich hab also weiterhin eine geographische Reisebegleitung. Denn wie die Donau bis Tulcea, wird jetzt das Schwarze Meer für eine Weile immer ganz in meiner Nähe sein. Von wenigen Abschnitten mal abgesehen. Bis Istanbul auf jeden Fall, und vielleicht auch noch darüber hinaus. Lui und ich fahren meist über Bundesstraßen, ab und zu passieren wir kleinere Ortschaften. Alles in allem ist dieser Routenabschnitt aber recht dünn besiedelt und so haben wir in den nächsten beiden Nächten immer die Möglichkeit unsere Zelte irgendwo in Meeresnähe aufzustellen. Abends kochen wir dann immer noch eine Kleinigkeit, bevor es dann, nachdem die Sonne untergegangen ist, in den Schlafsack geht.

Unser Plan ist es, bis Istanbul zusammen zu fahren. Und bis gestern sah es auch so aus, als würde das klappen. Unbeabsichtigterweise haben sich unsere Wege dann aber getrennt. Irgendwo hinter Varna ist es passiert. Nach einem langen Anstieg und einer Abfahrt haben wir uns aus den Augen verloren. Telefonnummern ausgetauscht hatten wir natürlich nicht. Aber zum Glück hatte mir Lui am ersten Abend seine Visitenkarte gegeben. So konnten wir heute zumindest mal wieder Kontakt aufnehmen und uns für morgen in Burgas verabreden.  Von Burgas sind es dann nochmal etwa 80 Kilometer bis zur bulgarisch-türkischen Grenze. So wie es aussieht, werden wir also spätestens am Freitag dort ankommen. Wenn alles nach Plan läuft…