Berge, Meer und Sommerhitze

Dienstagabend. Ich sitze am Strand von Batumi und genieß nochmal die ganze Szenerie: den Blick aufs Meer, das Rauschen der Wellen und die untergehende Sonne. Es ist kurz vor acht und noch immer ist hier so einiges los. Meistens sind es kleinere Grüppchen, die sich hier und da am Strand verteilen. Dazu kommen immer wieder Händler vorbeigelaufen, die laut rufend ihre Waren anbieten. Hauptsächlich Getränke oder Kleinigkeiten zu essen, irgendwelche Maissnacks oder Brezeln aber auch ganz kuriose Dinge, wie an Schnüren aufgereihte Fische, quasi mit Haut und Haaren und ohne irgendetwas dazu. Was Essen betrifft, bin ich ja eigentlich schon sehr experimentierfreudig, aber zumindest heute Abend wär das mein Fall nicht. Dann schon eher ein kühles Bier. Aber da hab ich vorgesorgt und mir eins mitgebracht. Ein Becks und dazu eine Packung rote Gauloises. Zur Feier des Tages….

Heute bin ich nämlich zum letzten Mal am Schwarzen Meer. Und da brauchts ja auf jeden Fall einen würdigen Rahmen. Irgendwie geht mit dem heutigen Tag wieder eine Etappe meiner Reise zu Ende. Zumindest emotional gesehen. Zum ersten Mal wird mir nämlich die immer größer werdende Entfernung nach Hause bewusst. Bisher hab ich da eigentlich nie groß drüber nachgedacht. Sicherlich auch deshalb, weil ich bisher immer eine vertraute Reisebegleitung in meiner Nähe hatte. Zuerst die Donau und dann das Schwarze Meer. Und beide haben sich auch immer wie eine Direktverbindung nach zu Hause angefühlt – das Schwarze Meer, weil es direkt mit der Donau verbunden ist und die Donau, weil sie fast direkt bis nach Freiburg führt. Ab morgen ist das dann zum ersten Mal nicht mehr so. Ich könnt mir vorstellen, dass sich das Unterwegssein dann erstmal anders anfühlen wird. Mal abwarten. Auf jeden Fall wollt ich heute Abend aber unbedingt nochmal das Meer sehen und dieses letzte Mal ganz bewusst erleben und genießen.

Am Mittwoch gehts für mich dann weiter Richtung Tiflis. Arturo bleibt noch einige Tage in Batumi, da er auf sein Visum für Aserbaidschan warten muss. Das heißt, ich bin vorerst wieder alleine unterwegs. Aber mal sehen, es könnte durchaus möglich sein, dass sich unsere Wege in Tiflis wieder kreuzen. Wie so oft, dauerts am Mittwoch eine ganze Weile bis ich abreisefertig bin. Es ist aber auch einfach zu verlockend ausgiebig zu frühstücken. Gerade dann, wenn man keinerlei Zeitdruck hat und sich in netter Gesellschaft befindet. Aber spätestens nach Arturos dezentem Hinweis, dass es bald halb zwölf ist, seh ich ein, dass ich langsam losfahren sollte, wenn ich heute noch eine annehmbare Etappe schaffen will. Also gut, jetzt oder nie. Schnell alle Taschen rausbringen, nachschauen ob ich nichts vergessen hab, das Fahrrad beladen, noch ein Abschiedsfoto schießen und mich dann noch von allen verabschieden….und schon hat mich die Straße wieder.

Erstmal besorg ich mir eine georgische Sim-Karte. Die brauch ich gar nicht mal so sehr zum telefonieren, sondern um unterwegs einen vernünftigen Internetzugang zu haben. Das kann ja oft ziemlich hilfreich sein. Gerade dann, wenn man eine Unterkunft sucht oder aber, wenn man sich unterwegs mit irgendwem verabreden möchte. Offene Wlan-Netzwerke, wie es sie in ganz Südosteuropa in wirklich jedem Dorf gibt, findet man in Georgien eher selten. Da die Netzabdeckung ansonsten hervorragend ist und ein Datenvolumen von mehreren Gigabyte nur wenige Euro kostet, lohnt sich die Anschaffung einer Sim-Karte in Georgien aber auf jeden Fall.

Als nächstes brauch ich dann noch Proviant. Fürs Abendessen hab ich zwar schon vorgesorgt, aber eine Kleinigkeit für zwischendurch wär nicht schlecht, am besten etwas, was ich einfach während der Fahrt essen kann. Und natürlich ausreichend Flüssigkeit. Am Stadtrand finde ich eine Bäckerei und versorg mich dort mit einem Brot und 1,5 Liter Wasser. Das sollte bis heut Abend reichen. Und dann gehts in östlicher Richtung in die Berge. Zunächst bleibt es aber flach. Zur Einstimmung ist mir das ganz recht. Trotzdem ist es jetzt schon ganz schön anstrengend. Zum einen sind da die fünf Tage Pause und zum anderen ist es schwülwarm mit Temperaturen um die 30 Grad. Ein paar Kilometer hinter Batumi bessert sich die Wetterlage aber zusehends. Es ist zwar immer noch sehr warm, aber die Luftfeuchtigkeit lässt immer mehr nach. Und je weiter ich in die Berge reinkomme, desto angenehmer wirds.

Irgendwann halt ich an, um ein paar Fotos zu machen. Dabei treff ich Pavel aus der Tschechei. Er ist ebenfalls mit dem Rad unterwegs, war im Iran und Armenien und ist jetzt auf dem Weg in die Ukraine. Er muss in zwei Tagen in Batumi sein, um dort die Fähre nach Odessa zu erreichen. Bis dahin hat er aber Zeit und wollte versuchen bis zum Goderdzi–Pass zu fahren. Da das auch meine Richtung ist, machen wir uns zusammen auf den Weg. Irgendwie verrückt. In Europa hab ich kaum Radreisende getroffen. In der Türkei oder jetzt auch in Georgien dafür aber umso mehr.

Ab etwa 18 Uhr fangen Pavel und ich an nach einer geeigneten Übernachtungsmöglichkeit Ausschau zu halten. Da wir in einem Talkessel fahren, bieten sich uns hierfür aber nur begrenzt Möglichkeiten. Es ist irgendwie immer das Gleiche. Meist findet man die tollsten Plätze, wenn es noch viel zu früh ist. Irgendwann haben wir aber Glück und kommen an einer schönen Wiese vorbei. Etwas abseits der Straße, kurz hinter einer Brücke und direkt an einem Bach gelegen. Schnell stehen die Zelte und dann wird gekocht. Heute gibts Bulgur, pikant gewürzt und dazu eine Tomaten-Paprika-Sauce. Äußerst lecker. Findet auch Pavel.

Für den nächsten Tag steht dann eine richtig schöne Bergetappe an. Knapp 60 Kilometer und 1700 Höhenmeter liegen vor uns, wobei sich ein Großteil dieser Höhenmeter auf die letzten 20 Kilometer vor dem Pass verteilt – und das bei recht losem Untergrund. Hinter Khulo hört der Asphalt nämlich auf und es geht auf unbefestigten Wegen steil bergauf. Dazu scheint die Sonne und wie gestern sinds wieder um die 30 Grad. Und das schon seit dem frühen Vormittag. Wir machen daher immer wieder Pausen. Aber trotzdem läufts irgendwie nicht so rund. Die Kilometer ziehen sich endlos in die Länge. Bis Khulo brauchen wir geschlagene vier Stunden, obwohl es bis dahin ja nur knapp 35 Kilometer mit kaum nennenswerten Anstiegen gewesen sind.

Die fangen dafür aber gleich am Ortsausgang von Khulo an. Bei Temperaturen jenseits der 30-Grad-Marke quälen wir uns die Schotterpiste hoch. Nach ein paar Kilometern sieht Pavel aber ein, dass er den Pass heute nicht mehr erreichen kann. Denn heute Abend wollte er ja wieder in der Nähe von Batumi sein. Kurz hinter Khulo dreht Pavel daher wieder um und fährt zurück. Vor mir liegen jetzt noch knapp 20 Kilometer und etwa 1400 Höhenmeter. Und es wär nicht schlecht, wenn ich bis zum Einbruch der Dunkelheit auf dem Pass wäre und einen Platz für mein Zelt hätte.

Als wärs geplant gewesen, erreiche ich gegen 20 Uhr den Pass. Ein Honigverkäufer begrüßt mich gleich mal mit einem Glas Wodka. Ich hab kaum ausgetrunken, da möchte er schon nachschenken. Ich lehn aber dankend ab, denn ich brauch ja noch einen Schlafplatz. Den finde ich knapp zwei Kilometer hinter dem Pass an einem Berghang. Alt werd ich da aber nicht mehr. Ich ess noch mein Brot auf, was ich in einer kleinen Berghütte gekauft habe und geh dann schlafen. Also heut hab ich mir meine Nachtruhe redlich verdient.

Gestern Nachmittag schließlich bin ich in Akhaltsikhe angekommen. Hier in der Nähe hab ich mir heute die Höhlenstadt Vardzia angesehen. Ich denk mal, dass es morgen dann weiter in Richtung Tiflis geht. Aber ganz sicher bin ich mir noch nicht. Da muss ich morgen früh mal hören, was mein Bauch mir sagt