Stalin und eine kleine Vorfreude auf Zentralasien

Soll ich von Akhaltshike gleich nach Armenien weiterfahren oder mal nicht den direkten Weg nehmen und noch einen Abstecher nach Tiflis machen? Armenien oder Tiflis? Hm, gute Frage… Ich entscheide mich für Tiflis. Irgendwie hab ich nämlich das Gefühl von Georgien noch nicht allzu viel mitbekommen zu haben. Ich hab bisher ja erst einen kleinen Teil gesehen und kenn Georgien sonst eigentlich nur von Bildern oder vom Hörensagen. Aber was ich so mitbekommen hab, klang immer sehr vielversprechend. Daher könnt ich mir vorstellen, dass es sich auf jeden Fall lohnt, noch ein bisschen hier zu bleiben. Sehr schön! Da sind sich Bauch und Kopf ausnahmsweise mal recht schnell einig geworden. Es geht also von Akhaltshike weiter in nordöstlicher Richtung nach Tiflis.

Mit meiner Abfahrt ist es dann aber wie so oft: sie verzögert sich ein bisschen. Es steht noch Büroarbeit an. In den letzten fünf Tagen haben sich nämlich so einige Einkaufsbelege angesammelt. Und die wollen alle noch in meine Ausgabenliste übernommen werden. Ordnung muss schließlich sein. Das dauert heut aber ein bisschen länger als sonst, da die Angaben auf den Kassenzetteln in georgischer Schrift gemacht sind und ich daher erstmal rekonstruieren muss, für was ich in den letzten Tagen mein Geld so ausgegeben hab. Dann noch alles in Euro umrechnen und fertig. Wie so oft nach solchen Aktionen nehm ich mir diesmal aber wirklich ganz fest vor, dass ich das ab jetzt immer täglich erledigen werde. Das ist eindeutig besser für die Nerven.

Gegen 10:30 Uhr bin ich dann startklar und kann los. Von Akhaltshike geht es zunächst über kleinere Ortschaften an Feldern und Äckern entlang in Richtung Borjomi-Nationalpark. Ziemlich unspektakulär die Strecke. Dazu ist es brütend heiß, so um die 35°C. Und es regt sich kaum ein Lüftchen. Nicht gerade die Topbedingungen, um unterwegs zu sein. Da ich aber am Flüsschen Mtkvari entlang fahre, hab ich eine Erfrischungsmöglichkeit quasi immer in greifbarer Nähe. Die nutz ich auch und halt öfter an, um schnell mal ins Wasser zu springen. So lässt sich die Hitze ganz gut ertragen. Also doch alles halb so wild.

Mit der Zeit ändert sich das Landschaftsbild dann zusehends. Es wird wieder waldreicher und bergiger. Ich bin jetzt im Borjomi-Nationalpark. Hier siehts ein bisschen aus wie im Schwarzwald. Da fühl ich mich gleich wie zu Hause. Ich übernachte in Borjomi und schaffs am nächsten Tag tatsächlich mal früh zu starten. Allerdings ohne Frühstück und Kaffee. Aber das wird nachgeholt. Ein Morgen ohne Kaffee – nicht, wenns nicht unbedingt sein muss. Gegen 10 finde ich ein schönes Plätzchen direkt am Fluss. Hier genehmige ich mir ein ausgiebiges Frühstück. So eine schöne Kulisse hat man ja auch nicht alle Tage. Es gibt mal wieder ein leckeres Müsli. Haferflocken mit Apfelsaft. Hab ich schon ewig nicht mehr gegessen. Eine Stunde ist schnell rum. Und da ich heut noch einiges an Weg vor mir hab, muss ich mich gegen 11 Uhr langsam wieder auf den Weg machen.

Nach den ruhigen Straßen im Nationalpark finde ich mich ab Kashuri auf einer Bundesstraße wieder. Was ein Kontrast zum heutigen Morgen. In einer Tour donnern jetzt LKWs, Pkws und Busse an mir vorbei. Viele Modelle stammen noch aus Sowjetzeiten. Es ist es dermaßen voll und verqualmt, dass ich für die nächsten Etappen auf jeden Fall wieder auf Nebenstraßen ausweichen werde. Aber wenigstens komm ich schnell voran.

Am frühen Abend erreiche ich Gori. Auf den ersten Blick eine recht unbesondere Stadt, auf jeden Fall nichts für eine längere Pause. Aber ich bleibe trotzdem für einen Tag, weil ich mir unbedingt das Stalinmuseum anschauen möchte. Gori ist nämlich die Geburtsstadt Stalins. Und darauf ist Gori sichtlich stolz. Es gibt eine Stalinallee, einen Stalinplatz und eben das Museum. Sicher eines der ganz wenigen in der Welt. Es ist ein pompöser Prunkbau, der fast schon etwas Palastartiges an sich hat. Viel los ist hier aber trotzdem nicht. Neben zwei anderen Besuchern bin ich der einzige Gast. Ich komm mir fast ein bisschen verloren vor in den riesigen Räumen. Überall Stalinbilder, Skulpturen, Wandteppiche und verschiedenste persönliche Gegenstände. Es erschlägt einen förmlich. Hier wird Personenkult in Reinkultur betrieben, so dass es mir manchmal die Sprache verschlägt. Die Auswahl an Exponaten ist entsprechend selektiv. Das war jedenfalls mein Eindruck. Eine sachlich-distanzierte Darstellung der Geschichte findet faktisch nicht statt. Sicher, man erfährt schon etwas über bestimmte politische Stationen in Stalins Leben, über Frontverläufe im Zweiten Weltkrieg etc., es werden aber auch das Porzellan von Stalins Mutter oder Geschenke von Besuchern an das Museum ausgestellt. Sogar Stalins Wohnhaus steht vor dem Museum, vor der Witterung durch ein großes Überdach geschützt. Nichtsdestotrotz fand ich den Besuch aber ziemlich interessant. Allein, um diese Art Museum mal gesehen zu haben. Schon ziemlich skurril das Ganze.

Neben dem Stalinmuseum schau ich mir auch die Ruinen der Felsenstadt Uplistsikhe in der Nähe von Gori an. Uplistsikhe wurde bereits vor etwa 3000 – 4000 Jahre angelegt und zählt damit zu den ältesten Siedlungsräumen Georgiens. In den Fels sind hier ganze Hallen, Wohnhäuser und verschiedene Versorgungs- und Verteidigungseinrichtungen getrieben und immer mehr erweitert worden. Bis ins 13. Jh. ist Uplistsikhe bewohnt gewesen und wurde dann durch die Mongolen erobert und zerstört. Anders als im Stalinmuseum erfährt man hier allerdings ziemlich wenig über den Ort. Zum Glück hab ich mich im Vorfeld schon etwas informiert gehabt.

Am Abend mach ich noch einen Spaziergang zur Festung von Gori. Das war dann irgendwie auch der entspannendste Teil des Tages. Mit einem kühlen, georgischen Bier setz ich mich auf die Burgmauern und genieß einfach den Blick über die Stadt. Schön. Und sehr lecker….

Am Mittwoch starte ich dann auf die letzte Etappe nach Tiflis. Wie die letzten Tage auch ist es brütend heiß. Im Schatten knapp 38°C. Aber Schatten gibt es nur vereinzelt mal. Ein kleiner Vorgeschmack auf die zentralasiatischen Länder. Längere Phasen wo es kühl ist, wird es in den nächsten Wochen sicherlich nicht mehr geben. Immerhin finden sich aber in doch recht regelmäßigen Abständen Brunnen am Wegesrand, an denen ich meine Wasserflaschen wieder auffüllen kann. Die sind nämlich schneller leer als ich trinken kann.

Die nächsten Tage werd ich jetzt erstmal in Tiflis bleiben. Genug zu sehen gibts hier ja mit Sicherheit. Irgendwann Anfang nächster Woche wird es dann weitergehen Richtung Armenien.