Bulgarien und Rumänien – die ersten Eindrücke

Die Grenze zu Bulgarien ist die erste, an der es nicht gleich weiter geht. Zwei Autos stehen vor mir und warten auf ihre Abfertigung. Und wie es scheint, kann sich das hinziehen, denn die serbischen Beamten machen ihre Arbeit ziemlich gründlich. Beim ersten Auto lassen sie Motor- und Kofferraum öffnen und inspizieren beides sehr genau. Da hilft auch alles Geschimpfe des Fahrers nichts. Na das kann ja was werden. Ich stell mich auf eine längere Pause ein. Gerade will ich meine Karten rausholen, um meine Route nochmal zu überfliegen, da winkt man mich nach vorne auf eine Nebenspur. Die Registrierungsdokumente und Übernachtungsbestätigungen aus den Hostels bleiben vollkommen unbeachtet. Bei meinem Gepäck ist es ähnlich. Ein kurzer Blick, das wars. Mein Pass wird jedoch ziemlich genau geprüft. Der Grenzbeamte verschwindet damit in seinem Häuschen und kommt erst nach etwa 5 Minuten wieder raus. Scheint aber alles in Ordnung zu sein. Man wünscht mir eine gute Reise und ich kann weiterfahren. Zumindest bis zur nächsten Schranke. An der bulgarischen Seite das gleiche Prozedere. Auch hier wird mein Pass sehr genau in Augenschein genommen. Nachdem ich mein Reiseziel genannt habe, auch hier noch ein kurzer Blick auf die Taschen, dann wird mir eine gute Weiterreise gewünscht und ich kann einreisen.

Ich bin jetzt wieder in der EU. Genauer gesagt in Bregovo, im äußersten Nordwesten Bulgariens. Der Ort wirkt ziemlich verwaist. Ich sehe viele leerstehende, teilweise auch verfallene Häuser und geschlossene Geschäfte. Und kaum ein Mensch auf der Straße. Kein Ort, wo ich mich lange aufhalten muss. Außerdem zieht hinter mir eine Gewitterfront auf. Passt irgendwie zu meiner Stimmung. Ich fühl mich gerade irgendwie verloren. Es dauert nicht lang und da fängt auch schon an zu gießen. Ich stell mich irgendwo unter und warte das Gröbste ab. Nach einer halben Stunde gehts dann auf einer mit Wasserlachen übersäten Bundesstraße weiter Richtung Vidin. Mit etwa 50000 Einwohnern ist Vidin eine der größeren Städte Bulgariens. Aber auch hier ist es nicht wirklich schön. Zumindest in dem Stadtteil, über den ich ankomme. Farblose Plattenbauten, viel Müll am Straßenrand und auch hier viele geschlossene Geschäfte. Dagegen wirkt das Stadtzentrum schon etwas freundlicher. Jedoch hält es mich auch hier nicht lange. Ich heb etwas Geld ab, trink einen Kaffee und fahre weiter. Es ist ja erst früher Nachmittag und ich möchte noch etwas vorankommen.

Ich fahre noch etwa 40 Kilometer, bis kurz vor Dobri Dol. Bei einem Motel frage ich nach, ob ich mein Zelt auf dem Rasen aufbauen darf. Kein Problem heißt es. Und so kann ich, nachdem das erledigt ist, noch ein bisschen die Sonne genießen. Im Motel genehmige ich mir ein opulentes Abendessen. Wenn ich hier schon zelten darf. Es gibt keine Karte, dafür aber eine Empfehlung des Hauses: Schnitzel, Pommes und Salat. Ok, dann einmal das und ein bulgarisches Bier. Nach den spartanischen Mahlzeiten der letzten Tage für mich ein wahres Festmahl. Ich genieße jeden Bissen. Als Absacker gibts dann noch einen Selbstgebrannten. Den muss ich unbedingt probieren, meint der Motelbesitzer. Geht aufs Haus. Also gut. Ein bisschen Platz ist ja noch. Und so steht kurze Zeit später ein Doppelter auf dem Tisch. Der fährt mir durch Mark und Bein, aber schlafen kann ich später auf jeden Fall hervorragend.

In den nächsten beiden Tagen gehts immer an der bulgarischen Donauseite entlang. Der Donauradweg führt hier über verschiedene Fernverkehrsstraßen. Zum Teil mit riesigen Bodenwellen und Schlaglöchern. Hauptsächlich gehts an Wiesen und Äckern vorbei. Hier ist es ziemlich ruhig. Ab und an kommt mir ein Auto entgegen, oder ein Pferdefuhrwerk. Aber ansonsten hab ich die Straße für mich allein. Ich komm ganz gut voran. Hin und wieder passiere ich kleine Ortschaften. Überall ein ähnliches Bild. Viele Häuser sind verlassen, Grundstücke verwildert, halbe Ortschaften stehen leer, ein Großteil der Häuser zerfallen oder zumindest ziemlich heruntergekommen. Die Lebensumstände auf dem Land sind zum Teil erschreckend. Ich sehe Häuser mit eingestürzten oder fehlenden Wänden, die notdürftig mit Plastikplanen abgehängt sind, in denen aber immer noch jemand wohnt. Wie ich später von einem Belgier, der in Sofia lebt, erfahre, gehört der nordwestliche Teil Bulgariens zu den ärmsten Regionen Europas. Wer kann, zieht hier weg und versucht anderswo sein Glück. Gerade junge Menschen verlassen ihre Dörfer und ziehen nach Sofia oder ins europäische Ausland. Davon nur zu hören ist das eine, aber es dann selbst auch mal vor Ort zu sehen, ist doch irgendwie noch etwas anderes. Stellenweise bin ich richtig schockiert.

Am Donnerstag überquere ich die Donau mit der Fähre und fahre nach Lisa in Rumänien. Hier kann ich eine Nacht im Sommerhaus von Andrej verbringen. Wir verabreden uns in Lisa vor einem Gemischtwarenladen und fahren an den Ortsrand zu dem Grundstück. Andrej drückt mir die Schlüssel in die Hand, zeigt und erklärt kurz das Wichtigste und fährt dann wieder nach Hause. Es ist alles vollkommen zugewachsen und verwildert. Andrejs Traum ist es, hier einmal ein Hostel zu eröffnen. Das steht als Rohbau auch schon im hinteren Grundstücksbereich. Wenn es die Zeit erlaubt und Andrej genügend Baumaterial hat, geht es immer ein Stückchen weiter mit dem Hausbau. Aber es wird sicher noch eine ganze Weile dauern, bis er sein Hostel eröffnen kann. Das Sommerhaus stellt er Reisenden oder rumänischen Bauern zur freien Verfügung. Es ist sehr einfach und rustikal. Fließend Wasser gibt es nur draußen. Genau wie die Toilette. Aber es hat Charme, wie ich finde.

Für die nächsten Tage ist mein Plan auf der bulgarischen Seite weiter an der Donau entlang zu fahren, bis nach Silistra. Bei den vielen Grenzübertritten komm ich langsam etwas mit den Währungen durcheinander. Ab Silistra sind es dann noch etwa 350 Donaukilometer bis zur Mündung.  Das Ende der ersten Etappe rückt also langsam in Sichtweite. Ich denke, Mitte, Ende nächster Woche könnte ich das Donaudelta erreicht haben. Mal schauen…