Oje, das Knie

Ich verlasse Ulm bei strahlendem Sonnenschein. Ein Tag Pause liegt hinter mir. Das tat wirklich gut. Meine Klamotten sind gewaschen und ich konnte mich nach der ersten Etappe mal etwas regenerieren. Dabei durfte ein kleiner Spaziergang durch die Innenstadt natürlich nicht fehlen. Pflichtprogramm hierbei das Ulmer Münster. Mit seinen 161 Metern ist es das höchste Münster der Welt. Wer halbwegs schwindelfrei ist, kann sich fast bis zur Spitze vorwagen. Bis auf knapp 140 Meter. Wegen der Wetterlage war das Münster jedoch nur bis auf eine Höhe von 70 Metern geöffnet. Für mich reicht das allemal. Und für einen beeindruckenden Blick über Ulm auch.

Von hier aus gehts dann am Karfreitag weiter. Ich freu mich wieder aufs Fahrrad. Nach Ulm zeigt sich die Landschaft am Donauradweg in einem ganz anderen Bild als noch wenige Kilometer zuvor. Zumindest kommt es mir so vor. Alles ist sehr zersiedelt und viel weitläufiger. Alle paar Meter eine kleine Ortschaft. Zudem prägen riesige Agrarflächen das Bild. Und es ist flach. Man meint gar nicht, dass man in Bayern ist. Als Exilbrandenburger fühl ich mich wie zu Hause. Wenn ich dann aber ins Gespräch mit den Leuten komme, merk ich wieder schnell, wo ich bin. Und das passiert recht häufig. Kaum halte ich irgendwo an und kram meine Karte hervor, werd ich mit einem „Grüaß Gott“ angesprochen und gefragt, ob man mir irgendwie behilflich sein kann. Und da merk ich dann, ich bin wirklich in Bayern. Interessanterweise sind es oft selbst passionierte Radfahrer, die viel mit dem Fahrrad unterwegs sind oder waren. Und so bietet sich auch genügend Gesprächsstoff für ein bisschen Smalltalk. Meist versteh ich nur die Hälfte. Aber das macht nichts. Ich freu mich trotzdem über diese kleinen Begegnungen am Wegesrand.

Über Donauwörth geht es nach Ingolstadt. Der Donauradweg führt jetzt zum Teil mehrere Kilometer an der Donau vorbei. Manchmal bekomme ich den Fluss für mehrere Stunden nicht zu Gesicht. Und die Beschilderung ist irgendwie auch nicht mehr so lückenlos. Hin und wieder verlier ich den Weg und muss wieder umkehren. Macht aber nichts, ich hab ja Zeit.

Und dann auf einmal passierts. Mein rechtes Knie meldet sich. Bitte nicht, denk ich mir. Noch nie hatte ich Knieprobleme durchs Fahrradfahren. Nicht in all den Jahren als Fahrradkurier, bei meinen vielen Touren durch den Schwarzwald und auch nicht bei meiner Alpenüberquerung mit 30 kg Gepäck. Ich bin leicht schockiert. Bisher hab ich das immer nur von anderen gehört. Es ist nicht so, dass es sehr weh tut, aber ich merk, dass da irgendetwas nicht stimmt. Gut, denk ich mir, mal die nächsten Tage abwarten. Erst mal ist ja Ostern.

Das Osterwochenende verbring ich mit Christine. Wir mieten ein Zimmer im Gästehaus Zur Linde in Ingolstadt. Nach zwei Tagen und reichlich Kilometern mal wieder ein Tag Pause. Mein Knie freuts auf jeden Fall. Und mich auch. Wir sind ganz faul und genießen das Nichtstun. Am Ostersonntag lassen wir uns durch die Ingolstädter Altstadt treiben und landen irgendwann mit zwei Bierchen an die Donau. Da ist sie wieder. Richtig schnell fließt sie hier. Und sie führt einiges an Überresten des Sturmtiefs mit. Große Äste und z. T. auch ganze Stämme treiben an uns vorbei. So gut es geht, kümmer ich mich die Tage auch um mein Knie. Ich bandgiere es, crem es ein und hoffe inständig, dass es bald wieder gut ist.

Am Ostermontag gehts für mich dann weiter. Mein Ziel ist Regensburg. Ich nehm mir vor erst mal nur kleine Gänge zu fahren. Und schön langsam. Hoffentlich renkt sich das wieder ein. Immer wieder halt ich an und richte den Verband neu aus. So wirklich besser wird es aber nicht. Ich bin frustriert. Ich komm zwar ganz gut voran, aber irgendwas stimmt da nicht. Ich hab so Lust aufs Fahrradfahren und dazu soll in den nächsten Tagen das Wetter wieder richtig schön werden. Das geht ja alles gut los!!

Nach reichlicher Überlegung entschließe ich mich heute Morgen dann einen Arzt aufzusuchen. Da soll einfach nochmal jemand vom Fach draufgucken. Nicht, dass ich da noch etwas verschleppe. Ein bisschen unwohl ist mir schon dabei. Wer weiß, was dabei herauskommt?!? Hoffentlich heißt es nicht, dass ich zwei Wochen pausieren muss. Im Internet such ich mir einen Sportmediziner in Regensburg. Mit flauen Magen fahr ich in die Praxis. Hoffentlich komm ich überhaupt dran und hoffentlich ist es nichts Ernstes.

Ich bekomm einen Termin und hab Glück. Es scheint nur eine Überlastungserscheinung zu sein. Nichts an den Sehnen oder am Gelenk. Mir wird eine Spritze verabreicht und ich bekomm Tabletten verschrieben. Und zwei Tage Pause. Puh! Das kann ich verkraften. Da hätts mich schlechter treffen können. Also bleib ich die nächsten beiden Tage eben hier. In Regensburg kann man es ja auch ganz gut aushalten. Gerade bei dem Wetter. Am Donnerstag geht es dann weiter Richtung Passau. Bis dahin heißt es: Füße hochlegen, kühlen und eincremen.