Visastress und eine Planänderung

Eigentlich hatte ich mir das alles ja ganz anders vorgestellt: ein paar Tage in Teheran verbringen, Visa beantragen, gemütlich eins nach dem anderen abholen, mit dem Bus für zwei, drei Tage nach Isfahan fahren, dann zurück nach Teheran und anschließend mit dem Rad weiter Richtung turkmenische Grenze. Das war der Plan. So ganz geklappt hat das jedoch nicht. Immerhin bin ich aber schon mal in Isfahan. Allerdings nicht mit dem Bus sondern mit dem Rad. Und dazu visatechnisch auch noch mit fast leeren Händen. Momentan also kaum ein Grund für Jubelschreie. Was meine Visa betrifft ist Teheran irgendwie ganz anders verlaufen, als ich mir das erhofft hatte. Aber, was soll ich machen… Zumindest hatte ich in den letzten Tagen ein bisschen Zeit, um meine Situation zu überdenken und mir einen Plan B zurechtzulegen. Und jetzt hoffe einfach mal, dass der aufgeht.

Aber der Reihe nach. Anfangs sah alles eigentlich ganz gut aus. Bei meinem Visamarathon hab ich auf jeden Fall einen Bilderbuchstart hingelegt. Die Beantragung des usbekischen Visums verlief ohne jegliche Probleme. Keine zehn Minuten hat es gedauert, schon war das Visum in meinen Pass geklebt und ich konnte wieder gehen. Geholfen hat mir hier, dass ich mir im Vorfeld die empfohlene Referenznummer besorgt hatte. Mit einem deutschen Pass braucht man die zwar nicht unbedingt, aber mit nur 70,-€ Einsatz lässt sich die Wartezeit auf das Visum, von ansonsten mehreren Tagen, auf nur wenige Minuten verkürzen. Und das war es mir auf jeden Fall Wert. Beim dem Visum für China fing das Drama dann aber an. Zwar hätte ich das auch ohne weiteres bekommen können, allerdings wäre mir für die Einreise lediglich ein Zeitfenster von 30 anstatt 90 Tagen eingeräumt worden. Eine neue Regelung. Bis vor kurzem wurde das auf jeden Fall noch anders gehandhabt.

Mit dem Flugzeug oder Bus wär das sicher kein Problem, aber mit dem Fahrrad ist die Strecke von Teheran nach China in 30 Tagen kaum zu bewältigen. Theoretisch wär es vielleicht machbar, aber genießen könnt man das sicher nicht mehr. Geschweige denn, dass man Zeit hätte sich irgendetwas anzuschauen, oder mal ein paar Tage irgendwo zu bleiben. Daher scheidet diese Option für mich aus. Das Visum für China in einem Folgeland zu besorgen wäre möglich, allerdings scheint es, als würden sich die Vergabekriterien immer wieder mal ändern, so dass ich heute nicht sicher sagen könnte, ob ich mein Visum für China dann später auch so ohne Weiteres erhalten würde. Und China möchte ich schon gern sehen. Teheran hingegen wäre visatechnisch – zumindest aktuell – eine ziemlich sichere Sache. Vor allem würde es sehr schnell gehen. Und das ist ein entscheidender Punkt. Denn bei meiner Routenplanung spielt das Wetter ja ebenfalls eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Vermeiden will ich auf jeden Fall erst im November über die Berge nach China zu fahren. Ich denk, das wär dann einfach viel zu kalt. Daher wär es gut, wenn das mit den ganzen Visa so schnell wie möglich erledigt wäre.

Nach langem Hin und Her und einigen schlaflosen Nächten hab ich mich nun dazu entschieden, von Teheran aus nach Taschkent in Usbekistan zu fliegen und dann von dort mit dem Fahrrad über den Irkeshtam-Pass nach China einzureisen. Das war jetzt für mich die naheliegendste Lösung. Das einzige Problem an dieser Sache ist, dass mein usbekisches Visum erst ab den 01.10. gilt, da ich ja eigentlich noch nach Turkmenistan wollte und daher den Gültigkeitszeitraum entsprechend nach hinten verlegt habe. Vor dem 01.10. kann ich also nicht nach Usbekistan einreisen. Mein iranisches Visum läuft jedoch schon in knapp 10 Tagen aus. Allerdings kann ich das wohl recht einfach verlängern. Ich hoff daher mal, dass das so klappt. Dann würde ich bis Ende September im Iran bleiben und anschließend nach Usbekistan fliegen. Und Turkmenistan, das lass ich jetzt einfach ganz weg. Ziemlich Schade, aber das scheint für mich jetzt einfach am sinnvollsten zu sein.

Und da ich ja nun nicht mehr, wie gehofft, bis nach China durchfahren kann, hab ich mich dazu entschlossen wenigstens die Strecke bis Isfahan komplett mit dem Rad zurückzulegen. Irgendein markantes Ziel wollt ich schon gern haben, ab dem ich dann zum ersten Mal auf ein anderes Verkehrsmittel umsteige. China wär meine Idealvorstellung gewesen, aber mit Isfahan kann ich mich auch ganz gut arrangieren. Im Iran war Isfahan für mich ja sowieso immer das Ziel schlechthin gewesen. Zum einen weil es eine der schönsten Städte des Landes sein soll und mir immer wieder als Reiseziel empfohlen wurde und zum anderen, weil es ja die Partnerstadt von Freiburg ist. Und als bekennender Wahlfreiburger wollt ich schon lange mal nach Isfahan fahren und mir die Stadt anschauen. Hier kann ich dann hoffentlich auch mein Iranvisum verlängern. Zurück nach Teheran würd ich dann nach vier, fünf Tagen fahren, um dort dann Ende September das Visum für China zu beantragen. Dann hätt ich genügend Zeit für die Einreise und wär auch nicht zu spät in den Bergen. So sieht er nun aus, mein neuester Plan.

Am letzten Dienstag mach ich mich daher auf die knapp 450 Kilometer lange Etappe von Teheran nach Isfahan. Landschaftlich sehr beeindruckend geht es dabei immer am Rand der Wüste Dasht-e-Kavir entlang. Abgesehen von dem gelegentlich recht hohen Verkehrsaufkommen ist es hier richtig einsam. Städte oder auch kleinere Ortschaften finden sich kaum, so dass ich nun zum ersten Mal auch ein bisschen auf meinen Wasservorrat schauen muss. Sicher, wenn mir das Wasser ausgehen würde, könnte ich bestimmt ein Auto anhalten. Da ich ja auf der alten Verbindungsstraße von Teheran nach Isfahan unterwegs bin und es hier genügend Fahrzeuge gibt, wär das auf jeden Fall kein Problem. Verdursten müsste ich also nicht. Aber es ist doch schon ein ganz anderes Fahren als bspw. in Armenien, wo es überall Brunnen gibt, an denen man immer schnell mal seine Wasservorräte auffrischen kann. Die Abstände zwischen den einzelnen Versorgungsmöglichkeiten sind hier auf der Strecke auf jeden Fall deutlich größer.

Zu schätzen gelernt habe ich außerdem den Vorteil einer guten und aktuellen Karte. Eine solche hab ich nämlich nicht. Wobei es nicht so ist, dass ich nicht danach gesucht hätte. Aber es gibt hier kaum Läden, die brauchbare Karten anbieten. In Tabriz, ganz am Anfang meines Iran-Aufenthaltes, war ich in mehreren Buchhandlungen, ohne Erfolg. Die einzige Karte, die ich in einem kleinen Laden bekommen habe, ist eine Straßenkarte aus dem Jahr 2007, die eine Übersicht über den gesamten Iran zeigt. Allerdings ist diese bei weitem nicht mehr auf dem neuesten Stand, weswegen ich kurz hinter Teheran auf einmal an einer Autobahnauffahrt stehe, wo laut Karte eigentlich eine normale Landstraße hätte sein sollen. Die 40 Kilometer zur letzten Abzweigung muss ich daher wieder zurückfahren. Aus diesem Grund orientiere ich mich seitdem mittels einer Kombination aus Straßenbeschilderung, meiner ungenauen analogen und einer sehr einfachen digitalen Landkarte. Und so hat das dann auch einigermaßen geklappt. Verfahren hab ich mich seitdem zumindest nicht mehr.

Um noch ein wenig mehr von der Umgebung zu erleben, hab ich auf dem Weg nach Isfahan einige Pausen eingelegt. Bei den vielen Kilometern und dem Visastress ist das bisher eindeutig zu kurz gekommen. So mache ich in Ghom Halt, dem religiösen Zentrum des Iran. Hier bleibe ich einen Tag und schaue mir die Stadt an, vor allem die Imam-Hassan-Moschee sowie den Heiligen Schrein der Fatima, einem Gebäudekomplex, der zu den wichtigsten religiösen Orten im Iran zählt und mit seinen vielen Kuppeln und Minaretten auch aus architektonischer überaus beeindruckend ist. Sicher auch aufgrund dieser religiösen Bedeutung ist Ghom eine eher konservative Stadt. Hier sehe ich auffallend viele verschleierte Frauen. Auf jeden Fall deutlich mehr, als in anderen Landesteilen.

Nach Ghom führt mich mein Weg nach Kashan. Hier lerne ich Elham kennen. Bei ihr und ihrer Familie kann ich für eine Nacht bleiben. Und das, obwohl sie alle am späten Abends mit dem Nachtbus zu den Großeltern ins knapp 800 Kilometer entfernte Busher fahren. Den Abend können wir aber noch zusammen verbringen. Wir schauen uns viele Fotos an. Vor allem von Kashan, dem Salzsee Namak und der Wüste, an die Kashan direkt grenzt. Die Bilder finde ich so beeindruckend, dass ich am nächsten Tag gern einen kleinen Abstecher mit meinem Rad dorthin machen möchte. Elham meinte aber, dass sie mir das mit dem Fahrrad nicht empfehlen würde. Zu weit und zu heiß. Aber sie könnte einen Guide organisieren, der mich dorthin bringt. Gesagt, getan. Und so steht schnell das Programm für den nächsten Tag fest. Mein Fahrrad und das ganze Gepäck kann ich für die Zeit bei Elham lassen. Kein Problem.

Pünktlich um 16 Uhr steht dann am nächsten Tag der Fahrer mit einem Nissan-Geländewagen vor der Tür und holt mich ab. Kashan liegt schnell hinter uns und schon bald befinden wir uns in der Wüste. Über staubige Sandpisten geht es dann immer weiter in diese hinein. Immer mal wieder halten wir an und laufen ein Stück, schauen uns um und machen Fotos. Ganz still ist es. Das war das Erste, was mir beim Verlassen des Autos auffällt. Absolute Ruhe. Kein Gehupe, kein Motorenlärm, keine Stimmen, kein Vogelgezwitscher. Allenfalls der Wind. 40 Kilometer sind es bis zur Karawanserei Marandjab. Die erreichen wir nach einer Stunde. Aber wir fahren noch ein Stück weiter zu einer 150 Meter hohen Sanddüne, einer der größten Dünen im Iran. Und da klettern wir hoch. Ganz oben legen wir uns im Windschatten der Düne in den Sand. Der Guide meint zu mir, ich soll mal die Augen zu machen und ganz ruhig da liegen. Und dann hör ich auf einmal nichts mehr. Nur noch meinen Herzschlag und meinen Atem. Unglaublich fühlt sich das an. Man liegt irgendwo draußen und spürt die Weite um sich herum, aber man hört nichts mehr, nur noch sich selbst. Und wenn man dann kurz die Augen öffnet, sieht man nichts als Sanddünen, die vom untergehenden Sonnenlicht angestrahlt werden. Mir kommt es vor, als hätt ich dieses Bild schon viele Male gesehen. Es sieht fast aus, wie in einem Hochglanzprospekt, nur viel, viel beeindruckender.

Die Nacht verbringen wir in der Karawanserei. Mit uns sind hier noch einige andere Gäste. Unter anderem zwei Radfahrer aus Jena. Es wär also doch machbar gewesen mit dem Rad. Dieser Gedanke wird mich in den nächsten Tagen nicht mehr loslassen…

Seit gestern bin ich jetzt in Isfahan. Ausspannen, die Stadt anschauen und mein iranisches Visum verlängern. Das steht die nächsten Tage auf dem Programm. Und mal sehen, vielleicht werd ich auf dem Rückweg nochmal einen Zwischenstopp in Kashan einlegen und in die Wüste fahren. Das wärs….