Zwangspause in Trabzon

„Come back on Tuesday!“ Nur vier Worte, aber die reichen, dass meine Stimmung augenblicklich in den Keller sackt. Dass es dermaßen schwierig wird ein Visum für den Iran zu bekommen hätt ich echt nicht gedacht. Aber immerhin geht es voran. Wenn auch nur häppchenweise. Zum dritten Mal bin ich jetzt im iranischen Konsulat und wenigstens das Antragsformular hab ich heut schon mal bekommen. Ein kleiner Fortschritt im Vergleich zu den letzten beiden Malen. Da konnt ich nämlich gleich wieder gehen, weil dem Konsulat aus nicht nachvollziehbaren Gründen meine Referenznummer noch nicht vorlag. Ein Anruf bei meiner Visaagentur und wie von Zauberhand lag meine Nummer dann aber auf einmal doch vor. Und jetzt steh ich hier am Schreibtisch der Sachbearbeiterin, alle Unterlagen sind vollständig und trotzdem muss ich noch einmal geschlagene sieben Tage auf die Ausstellung des Visums warten. Ich frag sie vorsichtshalber nochmal, ob sie nicht vielleicht doch „Thursday“ meint, das wär in zwei Tagen und würde sich deutlich besser anhören. Könnte ja möglich sein. Aber nein, es sind tatsächlich sieben Tage, wie sie in sehr bestimmtem Ton wiederholt.

Dass ich mein Visum nicht gleich am selben Tag bekommen würde, hab ich mir fast schon gedacht. Aber, dass es jetzt nochmal sieben Tage dauert…. Das fängt ja alles gut an mit den Visaanträgen. Ich will mir gar nicht ausmalen, was mich diesbezüglich in den nächsten Ländern erwartet. Aber es nutzt ja alles nichts. Hauptsache ich bekomms dann am Ende. Denn das steht ja auch noch in den Sternen. Jetzt muss ich jedenfalls erst mal schauen, dass ich die nächsten Tage irgendwie rumbekomme. Sieben Tage – das kommt mir vor wie eine Ewigkeit, denn ich bin ja schon vier Tage hier. Und so viele sehenswerte Ecken gibts in Trabzon nun auch wieder nicht. Aber irgendetwas wird sich da schon finden.

Glücklicherweise hab ich bei meinem ersten Konsulatsbesuch Holger kennengelernt. Holger kommt aus Deutschland und will ebenfalls in den Iran reisen. Anders als bei mir, lag seine Referenznummer jedoch von Anfang an vor und anders als ich, muss Holger insgesamt nur fünf Tage warten. Holger ist mir gleich sympathisch. Wir verstehen uns auf Anhieb gut und verabreden uns daher gleich mal für den Abend, zum Iftar, dem Fastenbrechen bzw. dem Abschluss des Fastentages im Ramadan in Form eines Abendessens. Oft trifft man sich zum Iftar zu Hause mit der ganzen Familie. So ähnlich, wie an Weihnachten. Oder man geht irgendwo nach draußen und kocht oder grillt gemeinsam. Das kann bis in den späten Abend hinein dauern. Viele Restaurants bieten außerdem ein Iftaressen an.

Tagsüber sind die Restaurants wegen Ramadan allerdings mehr oder weniger leer. Gerade hier im konservativen Trabzon. Für den Abend werden dann aber die Tische vorbereitet und füllen sich bis 20 Uhr zusehends. Holger und ich gehen jedoch nicht in eines der normalen Restaurants sondern treffen uns in der Nähe des Atatürk-Parks, wo Tische, Bänke und Pavillions aufgestellt sind und für jeden ein kostenloses Iftaressen angeboten wird. Der Andrang ist immer recht groß, es ist aber nie so, dass man kein Essen mehr bekommen würde. Gesponsert wird das Essen von einigen Trabzoner Bürgern, die während des Ramadan nicht fasten und anstelle dessen eben etwas spenden.

Wir treffen uns meist gegen 19:45 Uhr und setzen uns mit unserem Essen an einen der zahlreichen Tische. Und dann warten wir, bis gegen 20 Uhr mit einem lauten Knall und dem Gebetsruf des Muezzins das Iftaressen eröffnet wird. Mir schmeckts wie immer total gut und ich bin danach auch meist pappsatt. Genauso schnell, wie alles begonnen hat, ist es dann aber auch wieder vorbei. Schon um 20:30 Uhr ist kaum noch jemand an den Tischen zu sehen. Wir gehens da eher gemütlich an, lassen uns Zeit und erzählen immer noch eine ganze Weile. Mit uns am Tisch sitzen meist auch noch Fatih und Fikret. Die beiden hat Holger hier in Trabzon kennengelernt. Oft verbringen wir noch den restlichen Abend zusammen und gehen nach dem Iftaressen in und um Trabzon noch irgendwo Tee trinken. Das ist immer sehr kurzweilig und ein schöner Ausklang des Tages.

Im Vergleich dazu verlaufen für mich die Tage eher etwas unspektakulär ab. Meist verbring ich die im Hostel, frühstücke ausgiebig, werkel an meinem Fahrrad herum, plan ein bisschen für Georgien vor oder aber vertrödel den Tag einfach. Ist ja auch mal ganz angenehm, das Nichtstun zu genießen.

Da mir Elif, die Hostelbesitzerin, beim Frühstück immer von den Sehenswürdigkeiten um Trabzon vorschwärmt, mach ich mich am Freitag auf zum Kloster Sümela. Das liegt eine knappe Autostunde von Trabzon entfernt und ist – überaus imposant – in eine Felswand hineingebaut. Das Kloster wurde bereits im 4. Jahrhundert errichtet, wurde dann nach und nach immer weiter ausgebaut und war wohl lange Zeit ein wichtiger Wallfahrtsort sowohl für Christen als auch für Muslime. Viel über das Kloster erfährt man vor Ort leider nicht. Die für Besucher geöffneten Gebäudeteile sind alle leer und Führungen wurden keine angeboten. Ziemlich schade wie ich finde, denn die Geschichte des Klosters ist mit Sicherheit sehr interessant. Nichtsdestotrotz fand ich den Besuch sehr beeindruckend. Allein schon von der architektonischen Seite.

Zwei Tage bleiben mir jetzt noch in Trabzon, bis ich dann am Dienstag um 16 Uhr mein Visum abholen kann. Hoffentlich klappt das jetzt endlich. Falls nicht, hab ich mir aber schon eine Alternativroute über Russland gesucht. Aber erst mal abwarten. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Ab Mittwoch gehts auf jeden Fall weiter in Richtung Georgien. Nach sechs Wochen Türkei wirds irgendwie Zeit. Ich brauch mal wieder eine Veränderung und freu ich mich jetzt schon richtig auf einen Tapetenwechsel.