Fahrräder verboten. Das Schild, das die Autobahnauffahrt markiert, ist eindeutig und lässt leider keinerlei Spielraum für Interpretationen. Irgendwie hab ich wohl eine Abzweigung verpasst. Aber ich muss zum Flughafen und das am besten ohne große Umwege. Mein Flug nach Usbekistan geht zwar erst heut Nacht, aber ich muss noch mein Fahrrad verpacken und da ich zum ersten Mal mit einem Fahrrad im Gepäck fliege, hab ich keinerlei Ahnung wie und wo ich das am Flughafen machen soll. Jetzt könnt ich meine Karte gebrauchen. Die hab ich heute allerdings verschenkt, weil ich dachte, dass ich sie nicht mehr brauchen werde. Blöd. Jetzt wär eigentlich der richtige Zeitpunkt, um einen Blick drauf zu werfen. Knapp 40 Kilometer sinds von hier noch bis zum Flughafen. Aber da ich hier sowieso nicht mehr umdrehen kann, muss ich wohl erstmal rauf auf die Autobahn. LKWs und Motorräder sind in diesem Abschnitt übrigens auch nicht erlaubt. Nur hält sich kaum jemand daran. Reihenweise braust alles was fahren kann an mir vorbei. Die Motorräder mit bis zu vier Personen und abenteuerlichen Gepäckkonstruktionen. Mit Vollgas und im Rückwärtsgang kommt mir sogar ein PKW entgegengefahren, dessen Fahrer zuvor an einem der vielen Stände auf dem Randstreifen Blumen gekauft hat. Das beruhigt mich alles irgendwie. Da bin ich nicht der einzige, der aus der Reihe tanzt.
Ebenfalls beruhigend ist, dass Polizei mich nicht weiter beachtet. Aber das wird sicher noch kommen. Spätestens an der Mautstelle. Da ich aber für heut Abend jedwede Art von Komplikation vermeiden möchte, verlasse ich die Autobahn an der nächstmöglichen Ausfahrt, hoffe auf eine gute Ausschilderung zum Flughafen und versuche einen Weg über die Landstraßen zu finden. Nach wenigen Kilometern muss ich jedoch einsehen, dass das ziemlich aussichtslos ist. Auch mein GPS-Gerät hilft mir nicht weiter. Die Karte ist äußerst lückenhaft und zeigt mich nur als grünen Punkt auf weißer Fläche an. Was also machen? Ich überleg kurz und fahr zurück zur Autobahn. Irgendwie muss das jetzt gehen. Wird ja auch schon dunkel.
Reihenweise drehen sich die Autofahrer nach mir um. Ich bin wohl doch nicht so unauffällig, wie gedacht und gehofft. Und bald komm ich auch schon an die Mautstelle. Jetzt bin ich gespannt. Wie erwartet werde ich von der Polizei aus der Kolonne herausgewunken. Wo ich denn hinmöchte, ist die verwunderte Frage. Zum Imam-Khomeini-Flughafen meine Antwort. Und ein bisschen unbeholfen füge ich dem noch hinzu, dass ich ein Tourist bin. Ein musternder Blick wandert von mir zu meinem Fahrrad, dem ganzen Gepäck, dem riesigen Karton auf dem Gepäckträger und wieder zurück zu mir. Und dann werde ich mit einem kurzen Kopfnicken durchgewunken. Na das hätt ich jetzt nicht gedacht. Bloß schnell weg hier. Nicht, dass sich das noch jemand anders überlegt. Bei der nächsten Kontrolle das gleiche. Nachdem ich erklärt habe, dass ich zum Flughafen will, winkt man mich durch, salutiert und wünscht eine gute Weiterfahrt. Ach, ich mag den Iran…
Wohlbehalten komme ich nach zwei Stunden Fahrt am Flughafen an. Am Informationsschalter frage ich, wo ich mein Fahrrad verpacken kann. Es gibt eine Verpackungsstation, irgendwo am anderen Ende der Halle. Aber vorher muss ich an Schalter 3 und durch die Sicherheitsschleuse. Alle Taschen und auch mein Fahrrad werden durchleuchtet. Und dann bin ich auch schon im Flughafen und kann mir ein ruhiges Plätzchen suchen, wo ich mein Fahrrad soweit auseinanderbaue, dass es in den Karton passt, den ich mir in Teheran besorgt habe. Gar nicht so einfach. Heute morgen sah der Karton irgendwie viel größer aus. Nach vielen Versuchen ist alles verstaut und zugeklebt. Bis auf mein Hinterrad. Das muss ich extra verpacken. Ganz abenteuerlich wird das dann an dem Karton befestigt und in Folie eingewickelt. Hoffentlich übersteht mein Radl den Flug. Und hoffentlich kommt es auch mit mir in Usbekistan an. Man hört ja so einiges.
Nach der Gepäckabgabe hab ich noch etwas Zeit. Ich laufe durch den weiten Hallen und genieße einfach die geschäftige Flughafenatmosphäre. So oft erleb ich das ja auch nicht. Im Dutyfree-Shop gebe ich meine letzten Rial aus und decke mich noch mit Chips und Leckereien ein. Da hab ich gerade irgendwie Lust drauf. Um 4 Uhr morgens sitze ich dann im Flugzeug und pünktlich auf die Minute hebt der Flieger Richtung Usbekistan ab.
Sechs beeindruckende Wochen im Iran liegen hinter mir. Beeindruckend, was die Landschaft, vor allem aber, was die Menschen hier betrifft. Noch nie habe ich so viel Gastfreundschaft und so eine große Aufgeschlossenheit und Hilfsbereitschaft gegenüber fremden Menschen erlebt. In keinem der Länder, in denen ich bisher mit dem Fahrrad unterwegs gewesen bin. Ein Stück weit war ich ja schon darauf vorbereitet, weil ich viele Reisende getroffen habe, die hier im Iran gewesen sind. Es ist aber trotzdem nochmal etwas anderes, wenn man das dann tatsächlich selber erlebt. Und vor allem in dieser Intensität und Menge. Diese vielen Eindrücke und Erlebnisse müssen sich jetzt erstmal setzen und ankommen bei mir. Derweil mach ich mich auf den Weg in ein neues Land.
Usbekistan. Ich bin gespannt, wie es wird.