Maranjab. Seit ich das erste Mal hier war, geistert dieser Name nun schon in meinem Kopf herum und lässt mich gar nicht mehr los. Mitte September war das. Damals allerdings mit dem Auto. Aber schon damals schien mir die Strecke vom bequemen Beifahrersitz des Geländewagens aus eine ziemliche Herausforderung zu sein. Zumindest für jemanden, der hier ohne motorisierte Hilfe unterwegs ist. Mit knapp 40 Kilometern ist der Weg von Kashan bis nach Maranjab ja eigentlich gar nicht mal so lang. Aber es geht eben immer durch die Wüste und auch immer weiter in diese hinein. Auf unbefestigten Wegen, zum Teil durch knöcheltiefen Sand – und ohne eine Möglichkeit sich mit Wasser zu versorgen. Dazu ist es heiß und man ist hier auch relativ allein unterwegs. Ab und zu kommt zwar ein Auto vorbei, aber deren Anzahl ist doch eher überschaubar. In den letzten Tagen hab ich mich daher immer wieder gefragt, wie das wohl ist, die Strecke mit dem Rad zurückzulegen. Dass das machbar ist, hab ich ja an den zwei Radlern aus Jena gesehen. Und spätestens seit dem stand für mich fest, dass ich das auch probieren muss. Unbedingt. Daher konnte ich jetzt auch nicht einfach direkt nach Teheran zurückfahren sondern hab eben nochmal einen Zwischenstopp in Kashan eingelegt.
Den hiesigen Busbahnhof erreichen wir von Isfahan aus nach knapp drei Stunden. Spätestens beim Aussteigen fällt mir auf, was es doch ausmacht in einem klimatisierten Reisebus unterwegs zu sein. Anders als in Isfahan herrschen hier in Kashan nämlich noch hochsommerliche Temperaturen. Der Unterschied zum Businneren beträgt daher wenigstens 10°C und ist überdeutlich zu spüren. Augenblicklich fühl ich mich wieder wie in einem Backofen. Und dabei hatte ich mich schon gefreut, dass langsam mal der Herbst mit etwas angenehmeren Temperaturen Einzug hält. Ich glaub, seitdem ich Batumi in Georgien verlassen habe, gab es – außer jetzt in Isfahan – keinen einzigen Tag mehr, an dem die Temperaturen nicht auf Werte zwischen 30 und 35°C geklettert wären. Aber gut, es dauert hoffentlich nicht allzu lang, bis ich mich wieder an diese Hitze gewöhnt habe.
Nachdem ich mein Fahrrad aus dem Bus gehievt und das ganze Gepäck festgezurrt habe, mach ich mich auf dem Weg in die Stadt. Ich muss mich ja noch mit Proviant eindecken. Spätestens um 15:30 Uhr möchte ich dann Kashan hinter mir gelassen und den Wüstenrand erreicht haben. Dann hätt ich noch 3,5 Stunden Zeit bis die Sonne untergeht. Das sollte eigentlich reichen, um bis zur Karawanserei zu kommen.
Was braucht man denn für 40, notfalls auch 80 Kilometer Wüste am Stück? Gute Frage… Ich rechne einfach mal mit einem Liter Wasser auf 10 Kilometer, also knapp acht Liter Wasser insgesamt. Das müsste für die Hinfahrt und wenns sein muss auch noch für die Rücktour reichen, sollte ich z. B. unterwegs irgendwo liegenbleiben. Für heute Abend hab ich außerdem noch Reis und für morgen früh Haferflocken und ein bisschen Apfelsaft. In einem kleinen Laden kaufe ich also 5 Flaschen Wasser á 1,5 Liter, dazu passierte Tomaten und für zwischendurch eine Packung Kekse. Alles schnell irgendwo verstauen und dann gehts los.
Ich verlasse Kashan und durchquere die kleine Stadt Aran. Irgendwie merke ich, dass ich ziemlich nervös und angespannt bin. Warum eigentlich? Es sind nur 40 Kilometer, ich hab reichlich zu Essen und Trinken dabei und auf meiner gesamten Reise hatte mein Rad noch keinen einzigen Defekt, abgesehen von einem Platten nach 7000 Kilometern. Von daher ist doch eigentlich alles im grünen Bereich. Aber trotzdem hab ich ziemlichen Respekt vor dieser Strecke. Es ist für mich ja das erste Mal, dass ich mit dem Fahrrad in die Wüste fahre.
Hinter Aran passiere ich eine Station des Roten Halbmondes. Quasi der letzte Außenposten. Als ich vorbeifahren will, streckt Sayd seinen Kopf zur Tür heraus und winkt mich zu sich ins Haus. Ich soll mich in eine Liste eintragen. Nur meinen Namen. Das Datum und den Rest ergänzt Sayd auf Farsi. Da er gerade am Kochen ist, lädt er mich gleich noch zum Essen ein. Es gibt Rührei, Fleisch und Brot. Eine ganze Pfanne voll. Das reicht locker für zwei. Sayd gibt mir noch ein paar Tipps zur Strecke. Vor allem meint er, dass ich ein bisschen beim Zelten aufpassen soll. Hier gibts nämlich Skorpione. Die sind jetzt wohl nicht mehr so aktiv, es könnt aber trotzdem sein, dass ich einem begegne. Und um seine Aussage etwas zu unterstreichen, steigt er auf eine Leiter, holt von einem Schrank eine Dose herunter und zeigt mir zwei Skorpione, die er vor kurzem hier gefangen hat. Na dann, gut zu wissen….
Nach einer halben Stunde mach ich mich dann wieder auf den Weg. Mittlerweile ist es ja schon 16 Uhr. Zunächst geht es auf einer breiten Schotterpiste in die Wüste hinein. Zum Teil verlaufen mehrere Wege parallel nebeneinander, da der Hauptweg stellenweise voller Bodenwellen und Schlaglöcher ist und daher nur noch sehr langsam befahren werden kann. Aber gut, Platz gibts ja hier genug. Für die Orientierung ist das allerdings etwas ungünstig, weil die Wege zum Teil fünfzig Meter und mehr auseinanderliegen und man an einer Gabelung manchmal gar nicht so einfach erkennen kann, ob man jetzt an einer Abzweigung steht und hier ein neuer Weg anfängt oder nicht. Ich bleib daher einfach immer auf dem Hauptweg. Bodenwellen hin oder her.
Soweit klappt das ja alles ganz gut, stell ich nach einer Weile beruhigt fest. Viel mehr als Schritttempo ist zwar oft nicht drin, aber dafür gibts dann auch wieder Passagen, wo es etwas schneller geht. Da ein leichter Wind geht, empfinde ich die Temperaturen ebenfalls als angenehm. Dazu halten die Autos, die an mir vorbeifahren, fast alle an und fragen, ob ich irgendetwas brauchen könnte. Schnell hab ich mich daher mit der Wüste angefreundet.
Dazu ist die Strecke selbst überaus abwechslungsreich. Flache Passagen wechseln sich mit bergigen Etappen ab. Mal ist der Weg gut befahrbar und mal ist es ziemlich sandig, so dass ich absteigen und schieben muss. Und wie beim letzten Mal, ist es ganz ruhig. Ich höre eigentlich nur das Knirschen meiner Reifen im Sand und das Klappern meiner Taschen, wenn es auf dem Weg mal allzu holperig wird.
Meinen Zeitplan kann ich halbwegs einhalten. Gegen halb acht komm ich in Maranjab an. Da morgen Freitag ist, ist hier ziemlich viel los. Die Karawanserei ist komplett belegt, so dass im Innenhof auch Zelte aufgebaut werden. Viele Iraner verbringen hier ihr Wochenende. Dazu teffe ich auch einige Touristen aus Deutschland, Österreich, England und Frankreich. Ziemlich international. Hätt ich vorher nie gedacht, da die Karawanserei ja schon recht abgelegen ist. Ich setz mich auf eine Treppe im Innenhof und koch mir erstmal mein Abendessen. Zum Glück kann ich hier auch meine leeren Wasserflaschen auffüllen. Daher gibts zum Abendessen gleich auch noch einen Kaffee. Ich bin erleichtert und froh, dass das so gut geklappt hat und genieße es jetzt einfach hier zu sein. Mitten in der Wüste, in Maranjab.
Ich unterhalte mich lange mit einer Gruppe junger Iraner, die neben mir in einem der Räume Quartier bezogen haben. Sie sind für eine Geburtstagsfeier hergekommen und wollen auf jeden Fall nicht vor 6 Uhr am nächsten Morgen ins Bett gehen. Definitiv zu lang für mich. Denn obwohl ich heute gar nicht so weit gefahren bin, bin ich ziemlich müde. Gegen Mitternacht fahr ich daher ein paar Meter raus in die Wüste, baue mein Zelt auf und schlaf auch gleich ein.
Der nächste Tag beginnt mit einem langen Frühstück am Zelt. Es gibt Haferflocken mit Apfelsaft und ein paar Tassen Kaffee. In Maranjab füll ich dann nochmal meine Wasserflaschen auf und will dann eigentlich gleich weiter. Kaum hab ich aber mein Fahrrad abgestellt, werde ich von einer Gruppe Iraner, die ich gestern Abend kurz getroffen habe, zum Frühstück eingeladen. Es gibt Tee, Brot und eine Soße aus Tomaten, Zwiebeln, Fleisch und Paprika. Wenn ich das richtig erkannt habe. Eine lustige Truppe. Es wird viel gesungen, gelacht und geklatscht. Und schnell wird auch ein Lied vom Mister Mätjus zusammengereimt, der mit dem Fahrrad bis in den Iran gefahren ist und so laut gesungen, dass man das sicher in der ganzen Karawanserei hört. Ich muss die ganze Zeit lachen, obwohl ich ja praktisch nichts verstehe.
Gegen 11 Uhr mach ich mich dann auf den Rückweg nach Kashan. Ich bekomm noch ein paar Granatäpfel mit auf den Weg und eine Flasche mit gefrorenem Wasser. Mitten in der Wüste, unglaublich!! Aber da freu ich mich jetzt schon ganz besonders drauf, wenn das später am Auftauen ist….