Trocken wärs auch ganz schön

Schuhe kaufen – das steht momentan ganz oben auf meiner Liste. Wenn ich zur Zeit nämlich etwas ganz dringend brauchen kann, dann sind es vernünftige Schuhe. Meine Fahrradschuhe haben ja wirklich tapfer durchgehalten – und lange sahs auch wirklich so aus, als würden sie es bis nach Neuseeland und von dort wieder zurück nach Hause schaffen. Aber in Australien war es irgendwann so weit und sie sind mir quasi im Fahren von den Füßen gefallen. Die Stiefel, die ich daraufhin in einer Hippiekommune geschenkt bekommen habe, waren daher ein richtiger Glücksfall. Vor allem auch, weil sie unglaublich bequem sind und wie angegossen passen. Allerdings sind sie nicht wasserdicht, so dass ich tageweise schon mit komplett nassen Schuhen fahren musste. Wasserdicht sollten Schuhe daher hier in Neuseeland auf jeden Fall sein, zumindest, wenn man nur ein Paar besitzt, denn der Winter hat es aktuell ganz schön in sich. Er ist zwar nicht sehr kalt, dafür aber ganz schön nass. Momentan jeden Tag und immer auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Mal ist es eine Art leichter, irischer Sprühregen, bei dem man zunächst kaum merkt, dass es regnet, man aber langsam und fast ebenso unbemerkt immer nasser wird, mal ist es ein typischer Landregen, der über viele Stunden anhält und einen durch das laute Trommeln aufs Zeltdach abends nicht einschlafen lässt, nachts aufweckt und dann lange wach hält und mal sind es kurze kräftige Schauer, bei denen man kaum Zeit hat sich eine Jacke überzuziehen, bevor man völlig durchnässt ist.

Nicht nur tagsüber sondern gerade auch abends bringt mich die aktuelle Wetterlage oftmals zum verzweifeln, da ich, weil der Boden vielerorts nass ist, meist ganz schön lange suchen muss, bis ich ein  halbwegs geeignetes Fleckchen für mein Zelt gefunden habe. Mit meiner Unterlegplane kann ich zwar die gröbste Nässe etwas abhalten, trotzdem wird der Zeltboden, wenn ich lange auf einer Stelle sitze oder liege, nach einer Weile innen einfach nass. Das drückt sich einfach durch. Selbst mit der Plane.  Nachts muss ich daher immer darauf Acht geben mit dem Schlafsack möglichst nicht oder zumindest nicht zu lange auf dem feucht gewordenen Zeltboden zu liegen, da die Feuchtigkeit sonst eben auch langsam in den Schlafsack kriecht. Von oben bin ich nachts bisher aber immer trocken geblieben. Zum Glück. Nicht auszudenken, wenn es zusätzlich zum nassen Zeltboden von oben auch noch zu tropfen anfangen würde.

Morgens ist es bei der Nässe und Kälte immer eine ganz schöne Überwindung aufzustehen. Aber wenn dann mal alles verstaut und in Bewegung ist, geht es wieder. Wichtig ist halt, dass der Oberkörper und vor allem auch die Füße trocken bleiben. Und deswegen geht es die nächsten Tage mal auf Schuhsuche. Das sollte nicht das Problem werden, denn mittlerweile bin ich in Taupo angekommen, einer kleinen Stadt im Zentrum der Nordinsel und einem der Outdoorzentren schlechthin. Wasserdichte Wanderschuhe werde ich wohl am ehesten hier finden. Aber auch so lässt es sich in Taupo ganz gut aushalten, denn man kann hier nämlich so einiges unternehmen. Zum Beispiel viele schöne Wanderungen und Radtouren um den Taupo-See herum oder aber den See mit einem Kanu abpaddeln. Wenn mans etwas gemütlicher mag, kann man auch eine der nahegelegenen Thermalquellen besuchen. Bei der aktuellen Wetterlage vielleicht gar nicht das Schlechteste.

Mein aktueller Favorit wäre allerdings eine Überquerung der Alpen im nicht allzu weit entfernten Tongariro-Nationalpark. Das wäre in einer Tageswanderung möglich und für sich allein ja schon beeindruckend genug, denn die Route führt durch ein Vulkangebiet, vorbei an Bergseen, Kratern und Lavafeldern. Hinzu kommt jetzt allerdings noch, dass der Tongariro-Nationalpark als Kulisse für die Herr-der-Ringe-Filme gedient hat. Und daher würde man bei dieser Wanderung gleichzeitig auch noch mitten durch Mordor und am Mt. Ngauruhoe bzw. dem Schicksalsberg vorbeiwandern und ein atemberaubendes Bergpanorama genießen können. Ich hab die Landschaft ja bisher nur in den Herr-der-Ringe-Filmen oder auf Bildern sehen können, aber diese Wanderung muss wirklich unglaublich beeindruckend sein. Vor allem, wenn das Wetter mitspielt. Denn momentan würde man eigentlich kaum mehr sehen, als Steine, Schnee und dichte Wolken. Daher warte ich mal noch ein paar Tage ab. Zur Not kann ich von Taupo ja auch erstmal weiterfahren, denn es gibt auch noch andere Orte, von denen man zu dieser Tour aufbrechen kann.

Trotzdem kann ich mich bislang aber nicht beklagen. Seit Auckland war ich nämlich hauptsächlich auf verschiedenen Radwanderwegen unterwegs, z. B. dem Hauraki-Rail-Trail und dem Waikato-River-Trail und konnte mich dabei schon mal etwas auf Neuseeland einstellen. Landschaftlich war dieses kurze Stück schon recht facettenreich. So ging es durch hügeliges Farmland, vorbei an kleinen Ortschaften, entlang am Waikato-River und durch verschiedene Wald- und Berglandschaften. Die ganz spektakulären, rauhen, neuseelandtypischen Landschaften (zumindest so wie ich sie mir vorstelle) haben bisher zwar noch gefehlt, sie könnten jetzt aber bald kommen. Eine Gelegenheit wäre in jedem Fall die Alpenüberquerung. Vielleicht hab ich ja Glück und das Wetter bessert sich die Tage mal. Das wär auf jeden Fall genial….

 

 

Einreise mit Hindernissen

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Mein erster Blick auf Neuseeland. Nach knapp drei Stunden Flug taucht unter der Wolkendecke fast wie aus dem Nichts die neuseeländische Küste auf. Ich hätte sie beinahe verpasst, aber auf dem kleinen Bildschirm vor mir hab ich unsere aktuelle Position immer verfolgen können. Daher war natürlich auch klar, wann wir ungefähr auf Land treffen werden. Der allererste Blick aus dem Flugzeugfenster bietet schon jetzt einen kleinen Vorgeschmack auf die Schönheit des Landes, die ich bisher ja nur von Bildern kenne. Ganz schroff und wild sieht Neuseeland von hier oben aus, dunkel und geheimnisvoll. Durch die Wolken hindurch sieht man das Meer, kleine Strände, man kann die Berge erahnen und das tiefe Grün der Landschaft. Ich fühle gleich an die Herr-der-Ringe-Filme erinnert.

Ich freu mich auf Neuseeland und bin schon sehr gespannt. Es fühlt sich aber ganz anders an, als bei meiner Ankunft in Australien. Es ist eine ganz ruhige, leise Freude. Eine, die man vielleicht nur alleine und für sich erleben kann, zumindest, wenn man so lange alleine unterwegs gewesen ist. Schwer zu beschreiben. Neben der Freude, nach all den Monaten nun wirklich in Neuseeland anzukommen, kündigt sich aber auf einmal auch ganz deutlich das Ende meiner Reise an. Das ist zwar immer noch ein paar Wochen entfernt, aber dadurch dass mein Rückflugdatum seit ein paar Tagen feststeht, sind die Tage meiner Reise nun sprichwörtlich gezählt. Das wird mir, jetzt wo Neuseeland da unter den Wolken auftaucht, auf einmal ganz deutlich bewusst. Naja gut, erstmal ankommen.

Das Prozedere am Flughafen kenn ich mittlerweile ja schon. Nach der Passkontrolle geht es Richtung Gepäckförderband, wo ich alle meine Taschen und den Fahrradkarton abhole. Von dort weiter Richtung Zoll und zur Biosecurity, wo sicherlich nochmal mein Fahrrad und das Zelt auf Rückstände von Erde, Gras und ähnlichem untersucht werden. Ich rechne mit etwa einer halben Stunde. Um 14 Uhr könnt ich also fertig sein, vor dem Flughafen mein Fahrrad zusammengebaut haben und auf dem Weg nach Auckland sein. Aber es kommt alles ganz anders.

Am Schalter des Zolls nimmt die Beamtin meinen Pass entgegen und fängt an diesen durchzublättern. Und damit beginnt das mit Abstand anstrengendste, nervenaufreibendste Einreisedrama meiner gesamten Reise. Fragen tauchen auf – viele Fragen, Fragen auf die man an einem neuseeländischen Zollschalter erst mal kommen muss. Ob ich alleine unterwegs bin, will man wissen, was ich im Iran wollte, wie lange ich in Usbekistan war, warum ich so nah an Syrien vorbeigefahren bin, ob ich im Irak war, warum ich mein Rückflugticket so spät gebucht habe, wo ich übernachten werde, warum ich noch nicht weiß, was ich mir in Neuseeland alles anschauen möchte, wie viele Grenzen ich passiert habe, wo genau ich in Australien gewesen bin. Und das war jetzt nur eine winzige Auswahl an Fragen. Mit der Zeit wird die Schlange hinter mir immer länger, so dass ein zweiter Schalter aufgemacht wird.

Ganz am Anfang denk ich mir noch nicht so viel dabei, beantworte geduldig alle Fragen und schieb ab und zu noch ein Witzchen nach. Aber irgendwann fang ich mich dann doch an zu wundern und stell ebenfalls eine Frage. Und zwar, warum sie das denn alles wissen möchte. Eine Antwort darauf bleibt die Beamtin mir jedoch schuldig bzw. weicht gekonnt aus. Nach einer halben Stunde bin ich erlöst. Endlich geht es weiter. Allerdings nur ein paar Meter. Ich werde aufgefordert mein Gepäck an einen Tisch zu schieben, der kurz hinter dem Schalter steht und dort zu warten. Es kommt gleich jemand.

Nach zehn Minuten kommt tatsächlich jemand. Und dann beginnt Fragerunde 2. Wieder Fragen zu meiner Route, zum Grund meiner Reise, zu meinen Ausrüstungsgegenständen etc. Außerdem wird jede meiner Taschen kontrolliert. Also aufs Genaueste. Jedes einzelne Ausrüstungsteil und Kleidungsstück wird ausgepackt und begutachtet, gedreht und gewendet. Auf dem Tisch liegt irgendwann ein Berg aus Taschen, Kleidung, Werkzeug und Kochgeschirr. Meine Tagebücher werden durchblättert und immer wieder werden ähnliche Fragen gestellt. Mit der Zeit kommt mir das alles wie das reinste Verhör vor. Die ganze Situation wirkt auf mich außerdem ziemlich angespannt. So als wäre ich schon fast wegen irgendetwas überführt. Ich mein, die Beamten sind schon, sagen wir mal, distanziert-freundlich. Ich bekomm etwas zu Trinken, werde aber gleichzeitig auch aufgefordert mich nicht so nah an den Tisch zu setzen. Gehört sicher zum Protokoll und wird bestimmt auch immer so gehandhabt, es erzeugt in mir aber ziemlich befremdliches Gefühl.

Und irgendwann nervt es einfach nur noch. Gerade weil es kein Ende zu nehmen scheint. Am Anfang versuch ich ja wie gesagt noch ruhig zu bleiben und sag mir, dass die Leute vom Zoll ja auch nur ihren Job machen. Auch den Drogentest mit speziellen Kontrollstreifen lass ich höchstens mit einem kleinen Stirnrunzeln über meine Taschen ergehen. Aber meine Antworten werden zusehends einsilbiger. Als dann jedoch zum dritten Mal gefragt wird, wo ich in Australien unterwegs gewesen bin, da kann ich einfach nicht mehr an mir halten. Dass er verdammt nochmal zuhören soll, wenn ich etwas erkläre, mache ich meinem Ärger gegenüber dem Beamten ziemlich deutlich Luft. Der ist noch ziemlich jung und wirkt auf mich, als würde er hier Dienst nach Lehrbuch veranstalten. Auf meine erneute Frage, warum ich hier so aufwendig untersucht würde und was die ganzen Fragerei soll, antwortet er, dass dies eben Aufgaben des Zolls sei. Er verschwindet dann irgendwann mit meinem Schlafsack, der Isomatte und meinem Fahrradkarton und meint, dass er das jetzt alles zur Kontrolle röntgen lassen müsse. Also da wusste ich dann wirklich nicht mehr, ob ich weinen oder lachen soll und konnte mein Gesicht nur noch ganz tief in meinen Händen vergraben.

Nach etwa zwei Stunden ist dann auch dieser Teil überstanden. Es geht nun weiter mit dem Mitarbeiter von der Biosecurity. Dieser fängt an mein Campingequipment, meine Schuhe und das Fahrrad zu untersuchen. Da ich in Melbourne aber alles penibel geputzt hatte, war er recht schnell fertig, saugte jedoch am Ende zur Sicherheit noch die letzten Krümel aus meinen Fahrradtaschen.
Und dann ging es weiter zur nächsten Befragung. In den ersten Stock in ein kleines Nebenzimmer. Dort wurden dann von einer dritten Beamtin ähnliche Fragen gestellt, wie in Runde 1 und 2. Wie finanziere ich die Reise? Was möchte ich mir in Neuseeland ansehen? Wo übernachten?

Nach weiteren zwanzig Minuten werde ich dann auch dort entlassen und soll nochmal kurz im Flur warten. Man würde sich jetzt besprechen. Zu diesem Zeitpunkt war es mir jedoch schon vollkommen egal, ob man mich einreisen lassen würde oder nicht. Ich war einfach nur noch total genervt. Eine so penible Kontrolle habe ich wirklich an keiner einzigen Grenze erlebt. Nichtmal im Ansatz. An den meisten Grenzen wurden zwar meine Taschen geröntgt, an der usbekisch-kirgisischen Grenze auch mal stichprobenartig ein Blick hinein geworfen und die Bilder meiner Kamera kontrolliert, die Grenzübertritte selbst haben jedoch nie länger als eine Stunde gedauert. Meistens war es sogar deutlich kürzer. Ich hatte auf jeden Fall immer das Gefühl, dass der Kontrollaufwand vollkommen im Rahmen ist und im Verhältnis steht. Jedoch nicht so in Neuseeland. Vollkommen überzogen war das. Ich mein, ich bin doch sicher nicht der erste Radfahrer, der nach Neuseeland kommt, der durch Zentralasien gefahren ist und noch nicht seine komplette Reiseroute für Neuseeland im Kopf hat. Naja, wie auch immer. Nach etwa fünfminütiger Beratung beschließt man schlussendlich, dass alles in Ordnung ist und ich gehen kann.

Als ich mit meinem Fahrrad und dem Gepäck vor dem Flughafengebäude stehe, ist es schon nach 16 Uhr. Bis ich mein Fahrrad zusammengebaut habe, ist es dunkel. Mittlerweile regnet es auch in Strömen. Ein Wetter passend zu meiner Stimmung. Um eine Nachtfahrt auf den Highways zu vermeiden, entscheide ich mich die 20 Kilometer nach Auckland mit einem Shuttlebus zurückzulegen. Außerdem will ich jetzt einfach nur noch irgendwo ankommen. Die Adresse eines Hostels hab ich mir noch in Melbourne rausgesucht. Hier setzt mich der Fahrer nach halbstündiger Fahrt ab und lädt mein Fahrrad aus dem Anhänger aus. Im Hostel merk ich dann kurze Zeit später, dass meine Regenjacke, die ich auf den Gepäckträger geschnallt hatte und mein kleines Fähnchen aus der Lenkertasche fehlen. Das muss in dem Hänger, in dem wir mein Fahrrad zum Transport hinlegen mussten, irgendwie herausgerutscht und abgefallen sein. Zu allem Übel lag in einer meiner Jackentaschen auch noch meine heißgeliebt Mütze, nach der ich in Vietnam, als ich sie in einem Taxi hab liegen lassen, einmal eine halbe Stadt abtelefoniert habe.

Bilanz des Tages: Mütze weg, Jacke weg, Fahne weg, 40$ für einen Shuttlebus bezahlt und die nervigste Einreise, die ich jemals erlebt habe. Manchmal gibt es Tage, an denen wäre man besser gar nicht aufgestanden…