Dicht an dicht durch Angkor Wat

Es dauert nicht lang und ich hab Phnom Penh hinter mir gelassen. Es ist früher Vormittag, aber schon jetzt drückend heiß und schwül. Heute sollen Werte um die 35°C erreicht werden. So wie auch schon gestern und vorgestern. Seit dem Wolkenpass sind die Temperaturen kontinuierlich angestiegen. Man konnte quasi dabei zuschauen. Jeden Tag ein bisschen mehr. Meist sind nur die frühen Morgenstunden richtig angenehm. Aber auch da spürt man bereits die aufsteigende Hitze und die drückende Schwüle. Das heißt, ich brauch wieder deutlich mehr Wasser. Obwohl man sich in Kambodscha ja auch auf dem Land wunderbar versorgen kann, hab ich heute mal vier Liter aufgeladen. Das sollte zumindest für den halben Tag reichen.

Mein nächstes Etappenziel ist Siem Reap mit den berühmten Tempelanlagen von Angkor, heute ein riesiger archäologischer Park auf dessen Gelände sich verschiedene Hauptstädte alter Khmerkönigreiche befinden. Angkor gehört zum Weltkulturerbe und wurde auch schon öfter als das Achte Weltwunder bezeichnet. Angkor Wat, einer der Tempel auf diesem Gelände, soll der größte Sakralbau der Erde sein. So viele Superlative ziehen natürlich an. Und daher ist Angkor in Kambodscha auch der Touristenmagnet schlechthin. Viele kommen überhaupt nur deswegen hierher. Die Messlatte und auch meine Erwartungshaltung für diesen Ort hängen daher ganz schön weit oben. Bin schon ganz gespannt. Aber erstmal hinkommen. Von Phnom Penh sind es etwa 350 Kilometer, also gut drei Tagesetappen mit dem Rad. Da ich bisher in Kambodscha nur auf der Nationalstraße unterwegs war, gönn ich mir mal wieder den Luxus und folge einen Tag lang meinem Navi auf kleine Nebenstraßen. Die vorgeschlagene Route führt zum Teil direkt am Mekong entlang und trifft nach etwa anderthalb Tagesetappen wieder auf die Nationalstraße. Das passt doch eigentlich.

Kaum habe ich die Nationalstraße verlassen, verschlechtert sich der Straßenzustand zusehends. Anfangs sind es nur ein paar Schlaglöcher, denen ich ausweichen muss, bald ist jedoch vom Asphalt nichts mehr zu sehen und ich fahre auf einer staubigen Sandpiste. Da es so trocken ist, wird der rote Sand auch von jedem Fahrzeug aufgewirbelt und bedeckt alles, was in Straßennähe ist: Häuser, Bäume, Büsche. Irgendwie hat alles einen leichten Rotschimmer. Auch mein Fahrrad, die Taschen und ich selbst sind bald von einer dünnen Staubschicht überzogen. Selbst zwischen den Zähnen fängt es nach kurzer Zeit an zu knirschen. Und es wird immer schwüler und heißer. Um mich vor den UV-Strahlen zu schützen, fahre ich langärmlig und mit langen Hosen. In Saigon hab ich mir extra spezielle Armlinge gekauft und kurze Hosen hab ich ja eh keine dabei. Der Schweiß rinnt daher nur so aus allen Poren. Und schon bald ist meine Kleidung überall mit wellenförmigen Salzrändern bedeckt. Dazu kommt dann noch der rote Staub. Es lohnt sich aber überhaupt nicht die Sachen zu  wechseln. Auch in den nächsten Tagen nicht, denn dann hätt ich innerhalb weniger Stunden nur noch einen Haufen Dreckwäsche. Daher spül ich T-Shirt und Hose abends einfach nur unter kaltem Wasser und mit etwas Seife aus. In der Hitze verschwinden die vier Liter Wasser schneller als gedacht. Schon am frühen Nachmittag muss ich mich nach Nachschub umschauen. Aber wiegesagt, hier auf dem Land ist das vollkommen problemlos. Fast überall kann man Wasser und Kleinigkeiten zu Essen bekommen.

Und wieder erlebe ich einen krassen Unterschied zum Fahren auf der Nationalstraße. Wie auch schon in Vietnam. Immer wieder hör ich von irgendwoher ein langgezogenes „Hellooooo“. Eigentlich jedem Dorf. Meist sind es die Kinder die grüßen. Manchmal frag ich mich, wie die mich so schnell erkennen können, denn oft höre ich sie schon aus 100 Metern Entfernung und sehe sie aus Gärten oder hinter Häusern hervor zur Straße rennen. In dem kleinen Ort Peam Chi Kang werde ich von einem Ladenbesitzer zu einem eiskalten Bananenmilchshake eingeladen und mit Tipps für die Weiterfahrt versorgt. Gerade was Unterkünfte betrifft, bin ich da sehr dankbar drum. Die sind hier in Kambodscha für mich nämlich gar nicht so leicht zu finden, da die Schrift eine ganz andere ist. Normalerweise könnt ich ja sonst aufs Zelt ausweichen, das hab ich bisher aber überhaupt noch nicht ausgepackt. Zum einen sind die Unterkünfte ziemlich günstig. Zum anderen – und das ist der Hauptgrund  – zählt Kambodscha noch immer zu den am stärksten verminten Ländern der Erde, weswegen in Reiseführern dringend vom Verlassen klar erkennbarer Wege abgeraten wird. In der Nähe von Ortschaften ist es wahrscheinlich kein Problem, aber da ich normalerweise lieber irgendwo abseits zelte, lasse ich das hier in Kambodscha einfach mal bleiben.

Nach drei Tagen Sand- und Nationalstraße komm ich in Siem Reap an. Eine mittelgroße Stadt, quasi das Basislager für alle Angkor-Wat-Besucher. Hunderte Unterkunftsmöglichkeiten gibt es hier, vom einfachen Gästehaus bis hin zum Fünf-Sterne-Hotel. Entsprechend voll ist die Innenstadt. Ganze Horden westlicher Besucher schieben sich durch die Straßen. Und alles ist wieder auf diese Haupteinnahmequelle hin ausgerichtet Überall Restaurants, Reiseagenturen, Souvenirshops, Tuk-Tuk- und Taxifahrer. Und man kann überall in Dollar zahlen. Das führt einem zur Abwechslung mal direkt die ganz schön hohen Preise vor Augen. In der Landeswährung überseh ich das ja ganz gerne mal. In den Supermärkten liegen die Preise deutlich über denen in Deutschland. Man kann sein Geld in Siem Reap also ziemlich schnell unter die Leute bringen. Eigentlich schneller, als einem lieb ist.

Das merk ich auch am nächsten Tag bei den Tempelanlagen. 20,-€ werden für ein Tagesticket fällig, 40,-€, wenn man sich drei Tage lang Zeit nimmt. Für eine Sehenswürdigkeit dieser Art sind die Preise sicher noch im Rahmen, trotzdem schlagen sie ein ganz schönes Loch in meine Reisekasse. Ich investiere trotzdem 40,-€ und erkundige das Gelände erstmal allein. Zumindest einen winzigen Teil davon. Denn Angkor ist riesig. Es wird vermutet, dass Angkor zu seiner Blütezeit in etwa die Fläche von New York einnahm und bis zu einer Million Einwohner hatte – und das zu einer Zeit, als in Paris gerade einmal 30000 Menschen lebten. So richtig kann ich meine Erkundungen allerdings  nicht genießen, denn mir fehlen einfach Informationen zu dieser Stätte.

Ich besuche also erstmal das hiesige Museum und entscheide mich am übernächsten Tag für eine geführte Tour. Eigentlich überhaupt nicht mein Fall, aber wenigstens gibt es einen Englisch sprechenden Tourguide und somit vielleicht auch noch ein paar weitere interessante Informationen. Das denk und hoff ich jedes Mal. Aber wie so oft ist auch diese Tour eine absolute Katastrophe. Das Englisch unseres Guides ist nur schwer zu verstehen und dazu laufen zusammen mit unserer Reisegruppe ganze Heerscharen anderer Touristengruppen über das Gelände. Überall posierende Menschen, klickende Kameras und mit Fähnchen wedelnde, geschäftige Tourguides, die ihre Gruppen durch die Tempel scheuchen. Am Ende des Tages hat man so viele Tempel gesehen, sich die Hacken wund gelaufen und war doch nirgends richtig. Viel besser wärs eigentlich gewesen sich im Vorfeld selbst zu informieren und den Ort dann auf eigene Faust zu erkunden. Dann ist es zwar immer noch brechend voll, aber wenigstens hat man so viel Zeit, wie man eben braucht und muss nicht hetzen. Notiz für mich: fürs nächste Mal merken…

Mein eigentliches und richtiges Highlight in Siem Reap gönn ich mir daher erst am Tag meiner Abreise. Und zwar eine Bootsfahrt ins  ca. 100 Kilometer entfernte Battambang auf dem Flüsschen Sangker und über den See Tonle Sap. Je nach Wasserstand kann es fünf bis neun Stunden dauern. In unserem Fall sind es zehn. Mal ein Erlebnis der besonderen Art. Mein Rad wird hinten aufs Gepäck verfrachtet und los gehts. Die Fahrt führt vorbei an schwimmenden Dörfern, an vielen Wiesen, Weiden und Feldern. Das kann ich jetzt mal richtig genießen. Einfach auf dem Schiffsdach sitzen, die Beine baumeln lassen, ein bissel lesen und die Sonne genießen. Aufgrund des niedrigen Wasserstandes sind wir sogar ein paar Mal aufgelaufen, mussten das Schiff wieder freischieben oder auch einzelne Etappen zu Fuß gehen. Mal was anderes, als immer auf der Straße unterwegs zu sein. Und es ging sogar in etwa in die richtige Richtung, also grob Richtung thailändischen Grenze.

Dorthin wird es morgen gehen. Von der Grenze sind es dann nur noch zwei Tagesetappen bis Bangkok. Da treff ich mich mit Erik und dann haben wir zusammen 10 Tage Urlaub. Da freu ich mich schon drauf.