Wodka und armenische Gastfreundschaft

Freitagmorgen, Aufbruch in Tiflis. Der zweite Versuch. Beim ersten bin ich grandios gescheitert. Der ursprüngliche Plan war ja durch das Trialeti-Gebirge Richtung armenische Grenze zu fahren. Aber dabei mach ich gleich mehrere Dinge falsch. Ich fahr viel zu spät los, mitten in die allergrößte Mittagshitze hinein. Und als wär das nicht schon genug hab ich hinter Tiflis gleich mal ein paar knackige Anstiege zu bewältigen. Wahrlich kein Spass bei dem Wetter und nach sieben Tagen Pause. Dazu werde ich ein paar Kilometer hinter Tiflis von einem Melonenverkäufer angesprochen. Der meint, dass ich auf der Straße hier nicht weiter komme. Noch ein paar Kilometer, da gäbs wohl ein paar Probleme, eine Sperrung oder irgendwas in der Art. Ein dazukommender Passant bestätigt das. Kein Durchkommen. Die nächste Möglichkeit wär eine Straße ganz in der Nähe. Um dahin zu kommen, müsste ich aber wieder zurück nach Tiflis fahren. Den ganzen Berg wieder runter und an einer anderen Stelle wieder rauf. Meine Lust darauf hält sich bei der Hitze ziemlich in Grenzen. Aber was soll ich machen. Ich dreh erstmal um und fahr zurück. Kaum in Tiflis angekommen, ärgere ich mich aber über mich selbst. Ich hätts doch wenigstens probieren können. Vielleicht wär ich mit dem Fahrrad irgendwie weitergekommen. Aber gut, ist jetzt so. Aus Fehlern kann man ja lernen und beim nächsten Mal werd ich das auf jeden Fall anders machen. Für heute bin ich aber bedient und fahr schnurrstracks zurück zum Hostel.

Am Freitag mach ich mich dann zur Abwechslung mal in aller Frühe auf den Weg. Kurz nach sieben Uhr sitz ich auf dem Fahrrad und verlasse Tiflis. Angenehm so früh. Kaum Verkehr und temperaturtechnisch noch erträglich. Da ich gestern einen Tag verloren habe, werd ich heute aber nicht über die Berge fahren, sondern den direkten Weg nach Armenien nehmen. Berge und Klöster werd ich da noch genug haben.

Nach knapp 60 Kilometern auf der Bundesstraße erreiche ich am frühen Nachmittag Armenien. Das Landschaftsbild hat sich heute einmal komplett verändert. Nach den bräunlichen, baumlosen und hitzeflimmernden Hügeln Südgeorgiens finde ich mich bald nach der Grenze in einer Waldlandschaft wieder. Was ein Kontrast. Hier mach ich erstmal ein Päuschen. Wieder eine Grenze. Die wievielte eigentlich? In Windeseile fahre ich meine Tour nach. Neun Grenzen sinds mittlerweile. Unglaublich. Die Pause tut gut, so am und im Wasser. Weit will ich heute auch nicht mehr fahren. Einen Platz fürs Zelt suchen, Essen kochen und dann schön früh schlafen gehen.

Noch ein paar Kilometer fahr ich am Flüsschen Debed entlang, welches durch die gleichnamige Schlucht fließt. Bei Akhtala verlasse ich dann meine Reiseroute und biege in den Ort ab. Ich brauch nämlich noch armenisches Geld. In Akhtala gibt es aber leider keine Geldautomaten. Dafür treffe ich Alex. Alex ist Armenier, wohnt und arbeitet aber schon seit Ewigkeiten in Erfurt. Er freut sich hier in seinem Heimatort jemanden aus Deutschland zu treffen und lädt mich gleich mal auf ein Bierchen ein. Er hätte mir auch gern einen Platz zum Schlafen angeboten, aber leider fliegt er heute Nacht wieder zurück nach Deutschland. Davor ist mir Alex aber noch bei der Zeltplatzsuche behilflich. Nach kurzer Rücksprache mit seinen Kumpels sind sich alle einig, dass ich mein Zelt direkt auf dem Gelände des Akhtala-Klosters aufbauen kann. Genial. Da wär das auch geklärt….

Nachdem Alex gegangen ist, mach ich mich auf den Weg zum Kloster. Ich schlendere erst ein bisschen über den Klosterhof und will gerade mein Zelt aufbauen, da kommen Goro und Aran auf mich zugelaufen. Sie fragen, ob ich wirklich hier zelten will und bieten mir stattdessen an mit zu Aran zu kommen. Zum einen soll es hier in der Gegend Wölfe geben und zum anderen entspricht das ihrem Verständnis von Gastfreundschaft, wie sie betonen. Außerdem hat Arans Mutter gekocht! Und es gibt Wodka. So vielen überzeugenden Argumenten kann ich nichts entgegensetzen. Goro und Aran sind mir außerdem gleich sympathisch. Also bau ich mein Zelt wieder ab und geh mit den beiden mit. Bei Aran angekommen werd ich erstmal seiner Familie vorgestellt und bekomm eine Führung durchs ganze Haus. Die Lebensverhältnisse sind einfach, das Haus an vielen Stellen ein Provisorium, die Inneneinrichtung zum Teil Jahrzehnte alt. Draußen gibts einen Garten in dem Obst und Gemüse für den Eigenbedarf angebaut wird. Um den Garten kümmert sich Aran. Eigentlich hat er in Jerewan Journalismus studiert und vor einem Jahr seinen Masterabschluss gemacht. Bisher hat er jedoch keine Arbeit gefunden und lebt daher wieder zu Hause bei seinen Eltern. Arans Familie ist überaus herzlich. Es wird viel gelacht und zusammen haben wir einen richtig schönen und auch langen Abend.

Am Samstag gehts weiter durch die Debed-Schlucht Richtung Sevan-See. Ich kann mich ganz in meinem Element fühlen. Überall Berge. Es geht rauf und runter. In einer Tour. Selten gibt es flache Abschnitte. Und weiterhin wechseln sich im Tagesrhythmus die Landschaftsbilder ab. Morgens waldreich, abends steppenartig. Anstrengend und abwechslungsreich zugleich. Am Sevan-See komme ich am Sonntag an und übernachte auf einer Art Campingplatz. Kaum steht mein Zelt werde ich von Sarkis und seinen Freunden, die hier den Abend verbringen, zum Barbecue eingeladen. Es gibt bergeweise Köstlichkeiten. Verschiedene Sorten Fleisch, gegrilltes Gemüse, Kartoffeln, Salat und zwischendrin immer wieder Wodka. Gründe zum Anstoßen finden sich viele. Nach dem fünften Glas ist für mich aber Schluss. Wobei ich dafür einiges an Überzeugungsarbeit leisten muss. Und als Sarkis und seine Freunde dann später zusammenpacken, mach ich mich mit einem seligen Grinsen im Gesicht auf den Weg Richtung Zelt.

Am Sevan-See beschließe ich, nicht wie ursprünglich geplant, weiter am See entlang zu fahren, sondern noch einen Abstecher in die Hauptstadt Jerewan zu machen. Da ich momentan keine wirklich brauchbaren Karten habe, muss ich in Sevan nach dem Weg fragen. Nikolai hilft mir weiter. Er lotst mich durch Sevan und läd mich dann schnell noch zu sich nach Hause ein. Als Fahrradfahrer muss ich doch Hunger haben, meint er. Es gibt Bratkartoffeln, Brot und Käse. Und später zum Abschied noch ein Glas Wodka. Schon wieder, oje….
Ich denk mir, dass ein Glas okay ist. Und irgendwie will ich ja auch nicht unhöflich sein. Aber für die Zukunft muss ich mir da echt eine Taktik überlegen. So viel Wodka, wie in drei Tagen Armenien, hab ich glaub ich im ganzen letzten Jahr nicht getrunken. Aber gut, im Iran ist damit ja dann erstmal Schluss.

Von Nikolai gehts dann wieder auf der Bundesstraße entlang. Ab Hrazdan wechsel ich auf Nebenstraßen. So seh ich nämlich noch ein bisschen was von der Landschaft. Gestern schließlich bin ich in Jerewan angekommen und hier bleib sicher auch eins, zwei Tage. Mal wieder in einem schicken Hostel.