Wodka und armenische Gastfreundschaft

Freitagmorgen, Aufbruch in Tiflis. Der zweite Versuch. Beim ersten bin ich grandios gescheitert. Der ursprüngliche Plan war ja durch das Trialeti-Gebirge Richtung armenische Grenze zu fahren. Aber dabei mach ich gleich mehrere Dinge falsch. Ich fahr viel zu spät los, mitten in die allergrößte Mittagshitze hinein. Und als wär das nicht schon genug hab ich hinter Tiflis gleich mal ein paar knackige Anstiege zu bewältigen. Wahrlich kein Spass bei dem Wetter und nach sieben Tagen Pause. Dazu werde ich ein paar Kilometer hinter Tiflis von einem Melonenverkäufer angesprochen. Der meint, dass ich auf der Straße hier nicht weiter komme. Noch ein paar Kilometer, da gäbs wohl ein paar Probleme, eine Sperrung oder irgendwas in der Art. Ein dazukommender Passant bestätigt das. Kein Durchkommen. Die nächste Möglichkeit wär eine Straße ganz in der Nähe. Um dahin zu kommen, müsste ich aber wieder zurück nach Tiflis fahren. Den ganzen Berg wieder runter und an einer anderen Stelle wieder rauf. Meine Lust darauf hält sich bei der Hitze ziemlich in Grenzen. Aber was soll ich machen. Ich dreh erstmal um und fahr zurück. Kaum in Tiflis angekommen, ärgere ich mich aber über mich selbst. Ich hätts doch wenigstens probieren können. Vielleicht wär ich mit dem Fahrrad irgendwie weitergekommen. Aber gut, ist jetzt so. Aus Fehlern kann man ja lernen und beim nächsten Mal werd ich das auf jeden Fall anders machen. Für heute bin ich aber bedient und fahr schnurrstracks zurück zum Hostel.

Am Freitag mach ich mich dann zur Abwechslung mal in aller Frühe auf den Weg. Kurz nach sieben Uhr sitz ich auf dem Fahrrad und verlasse Tiflis. Angenehm so früh. Kaum Verkehr und temperaturtechnisch noch erträglich. Da ich gestern einen Tag verloren habe, werd ich heute aber nicht über die Berge fahren, sondern den direkten Weg nach Armenien nehmen. Berge und Klöster werd ich da noch genug haben.

Nach knapp 60 Kilometern auf der Bundesstraße erreiche ich am frühen Nachmittag Armenien. Das Landschaftsbild hat sich heute einmal komplett verändert. Nach den bräunlichen, baumlosen und hitzeflimmernden Hügeln Südgeorgiens finde ich mich bald nach der Grenze in einer Waldlandschaft wieder. Was ein Kontrast. Hier mach ich erstmal ein Päuschen. Wieder eine Grenze. Die wievielte eigentlich? In Windeseile fahre ich meine Tour nach. Neun Grenzen sinds mittlerweile. Unglaublich. Die Pause tut gut, so am und im Wasser. Weit will ich heute auch nicht mehr fahren. Einen Platz fürs Zelt suchen, Essen kochen und dann schön früh schlafen gehen.

Noch ein paar Kilometer fahr ich am Flüsschen Debed entlang, welches durch die gleichnamige Schlucht fließt. Bei Akhtala verlasse ich dann meine Reiseroute und biege in den Ort ab. Ich brauch nämlich noch armenisches Geld. In Akhtala gibt es aber leider keine Geldautomaten. Dafür treffe ich Alex. Alex ist Armenier, wohnt und arbeitet aber schon seit Ewigkeiten in Erfurt. Er freut sich hier in seinem Heimatort jemanden aus Deutschland zu treffen und lädt mich gleich mal auf ein Bierchen ein. Er hätte mir auch gern einen Platz zum Schlafen angeboten, aber leider fliegt er heute Nacht wieder zurück nach Deutschland. Davor ist mir Alex aber noch bei der Zeltplatzsuche behilflich. Nach kurzer Rücksprache mit seinen Kumpels sind sich alle einig, dass ich mein Zelt direkt auf dem Gelände des Akhtala-Klosters aufbauen kann. Genial. Da wär das auch geklärt….

Nachdem Alex gegangen ist, mach ich mich auf den Weg zum Kloster. Ich schlendere erst ein bisschen über den Klosterhof und will gerade mein Zelt aufbauen, da kommen Goro und Aran auf mich zugelaufen. Sie fragen, ob ich wirklich hier zelten will und bieten mir stattdessen an mit zu Aran zu kommen. Zum einen soll es hier in der Gegend Wölfe geben und zum anderen entspricht das ihrem Verständnis von Gastfreundschaft, wie sie betonen. Außerdem hat Arans Mutter gekocht! Und es gibt Wodka. So vielen überzeugenden Argumenten kann ich nichts entgegensetzen. Goro und Aran sind mir außerdem gleich sympathisch. Also bau ich mein Zelt wieder ab und geh mit den beiden mit. Bei Aran angekommen werd ich erstmal seiner Familie vorgestellt und bekomm eine Führung durchs ganze Haus. Die Lebensverhältnisse sind einfach, das Haus an vielen Stellen ein Provisorium, die Inneneinrichtung zum Teil Jahrzehnte alt. Draußen gibts einen Garten in dem Obst und Gemüse für den Eigenbedarf angebaut wird. Um den Garten kümmert sich Aran. Eigentlich hat er in Jerewan Journalismus studiert und vor einem Jahr seinen Masterabschluss gemacht. Bisher hat er jedoch keine Arbeit gefunden und lebt daher wieder zu Hause bei seinen Eltern. Arans Familie ist überaus herzlich. Es wird viel gelacht und zusammen haben wir einen richtig schönen und auch langen Abend.

Am Samstag gehts weiter durch die Debed-Schlucht Richtung Sevan-See. Ich kann mich ganz in meinem Element fühlen. Überall Berge. Es geht rauf und runter. In einer Tour. Selten gibt es flache Abschnitte. Und weiterhin wechseln sich im Tagesrhythmus die Landschaftsbilder ab. Morgens waldreich, abends steppenartig. Anstrengend und abwechslungsreich zugleich. Am Sevan-See komme ich am Sonntag an und übernachte auf einer Art Campingplatz. Kaum steht mein Zelt werde ich von Sarkis und seinen Freunden, die hier den Abend verbringen, zum Barbecue eingeladen. Es gibt bergeweise Köstlichkeiten. Verschiedene Sorten Fleisch, gegrilltes Gemüse, Kartoffeln, Salat und zwischendrin immer wieder Wodka. Gründe zum Anstoßen finden sich viele. Nach dem fünften Glas ist für mich aber Schluss. Wobei ich dafür einiges an Überzeugungsarbeit leisten muss. Und als Sarkis und seine Freunde dann später zusammenpacken, mach ich mich mit einem seligen Grinsen im Gesicht auf den Weg Richtung Zelt.

Am Sevan-See beschließe ich, nicht wie ursprünglich geplant, weiter am See entlang zu fahren, sondern noch einen Abstecher in die Hauptstadt Jerewan zu machen. Da ich momentan keine wirklich brauchbaren Karten habe, muss ich in Sevan nach dem Weg fragen. Nikolai hilft mir weiter. Er lotst mich durch Sevan und läd mich dann schnell noch zu sich nach Hause ein. Als Fahrradfahrer muss ich doch Hunger haben, meint er. Es gibt Bratkartoffeln, Brot und Käse. Und später zum Abschied noch ein Glas Wodka. Schon wieder, oje….
Ich denk mir, dass ein Glas okay ist. Und irgendwie will ich ja auch nicht unhöflich sein. Aber für die Zukunft muss ich mir da echt eine Taktik überlegen. So viel Wodka, wie in drei Tagen Armenien, hab ich glaub ich im ganzen letzten Jahr nicht getrunken. Aber gut, im Iran ist damit ja dann erstmal Schluss.

Von Nikolai gehts dann wieder auf der Bundesstraße entlang. Ab Hrazdan wechsel ich auf Nebenstraßen. So seh ich nämlich noch ein bisschen was von der Landschaft. Gestern schließlich bin ich in Jerewan angekommen und hier bleib sicher auch eins, zwei Tage. Mal wieder in einem schicken Hostel.

 

Sieben Tage Tiflis

Wie schnell doch sieben Tage vergehen können. Unglaublich. Mir kommts vor, als wär ich erst vor zwei, drei Tagen in Tiflis angekommen. Aber als ich heute Morgen meine ausstehenden Übernachtungskosten begleichen will, muss ich für ganze sechs Nächte nachzahlen. Hoppla, da war ich selbst ganz überrascht, dass ich schon so lange hier bin. Kommt mir wesentlich kürzer vor die Zeit.

Aber irgendwie hat mir die Pause ganz gut getan. Ein kleiner Urlaub vom Unterwegssein sozusagen. Das kann nämlich manchmal ganz schön anstrengend sein. Da gibts Tage, da nervt dann einfach alles: der Verkehr, das ständige Gehupe, die verschwitzen Klamotten, die Hitze oder auch mal die Berge. Obwohl ich die ja eigentlich mag. Es ist nicht wirklich oft, dass es so ist. Meist genieße ich mein Leben auf dem Fahrrad und die damit verbundenen vielen Freiheiten in vollen Zügen. Irgendwo anhalten und Kaffee kochen, Fahrradfahren und dabei Musik hören, das sind so meine kleinen Freuden des Alltags. Und über die freu ich mich noch immer so, wie am ersten Tag. Und immer noch finde ich es ganz unfassbar, dass ich tatsächlich auf dieser Reise bin und einfach jeden Tag aufs Neue entscheiden kann, wo ich hinfahre, wo ich anhalte und wie lange ich dort bleibe. Aber manchmal brauch ich von diesem ständigen Unterwegssein auch eine Pause. Und die hab ich gerade in Tiflis in einem Hostel in der Innenstadt.

Auf meiner Reise sind Hostels immer wie kleine Oasen für mich, eine willkommene Abwechslung zum meinem Alltag auf der Straße. Es ist unglaublich entspannend, einfach mal irgendwo anzukommen und länger als einen Tag zu bleiben, morgens schon zu wissen, wo man abends schläft und alle Zeit der Welt zu haben, nicht nur für die besonderen, sondern auch für die ganz alltäglichen Dinge. Da kann dann auch der ganz normale Einkauf in einem Supermarkt zu einem Erlebnis werden und zur allgemeinen Erholung beitragen. Ein weiterer unschätzbarer Vorteil an Hostels ist, dass man viele Reisende trifft – Backpacker oder auch Radfahrer. Auf jeden Fall jetzt im Sommer und auf jeden Fall hier in Tiflis. Oft sind die Erfahrungen, Routen und Erlebnisse ganz ähnliche und dann ist es einfach schön sich austauschen und die Freuden und Leiden des Unterwegsseins teilen zu können. Insbesondere dann, wenn man sonst hauptsächlich alleine auf Reisen ist.

Und deshalb hats mich auch außerordentlich gefreut, dass sich Arturos und mein Weg hier im Hostel nochmal gekreuzt haben. Das war ja die letzte Gelegenheit, da wir ab jetzt verschiedenen Routen folgen werden. Zusammen haben wir uns ganz unterschiedliche Ecken von Tiflis angesehen, waren irgendwo essen oder was trinken und haben verschiedene Ausstellungen und Museen besucht. So durch die Stadt zu laufen, war manchmal aber auch ganz schön anstrengend, denn momentan fühlt es sich in Tiflis an wie in einem Backofen. Im Prinzip vom frühen Vormittag bis in den Abend hinein. Tagsüber kratzen die Temperaturen auch schon mal an der 40-Grad-Marke. Aber alles in allem lässt sich Tiflis auch bei so hohen Temperaturen verhältnismäßig gut ertragen. Es gibt viel Grün, viele Parks und die Mtkvari, die durch Tiflis fließt und in der man sich schnell mal abkühlen kann, zumindest mit den Füßen.

Um dann auch nochmal andere Ecken Georgiens zu sehen, mach ich mich am Wochenende in den Norden des Landes auf, genauer gesagt in den Kazbegi-Nationalpark. Der liegt ca. 170 km weit von Tiflis entfernt an der Grenze zu Russland. Einmal wollt ich ja unbedingt auch den Großen Kaukasus sehen. Da der aber fernab meiner Reisroute liegt, lass ich aber hierfür das Fahrrad stehen und nehm einen der vielen Minibusse. Morgens hin und abends wieder zurück. Mit dem Fahrrad undenkbar, aber per Bus kein Problem.

Morgen in aller Frühe wirds dann wieder weiter gehen. Über die Berge Richtung Armenien. Und nach sieben Tagen Pause freu ich mich jetzt auch wieder richtig aufs Fahrradfahren….

 

Stalin und eine kleine Vorfreude auf Zentralasien

Soll ich von Akhaltshike gleich nach Armenien weiterfahren oder mal nicht den direkten Weg nehmen und noch einen Abstecher nach Tiflis machen? Armenien oder Tiflis? Hm, gute Frage… Ich entscheide mich für Tiflis. Irgendwie hab ich nämlich das Gefühl von Georgien noch nicht allzu viel mitbekommen zu haben. Ich hab bisher ja erst einen kleinen Teil gesehen und kenn Georgien sonst eigentlich nur von Bildern oder vom Hörensagen. Aber was ich so mitbekommen hab, klang immer sehr vielversprechend. Daher könnt ich mir vorstellen, dass es sich auf jeden Fall lohnt, noch ein bisschen hier zu bleiben. Sehr schön! Da sind sich Bauch und Kopf ausnahmsweise mal recht schnell einig geworden. Es geht also von Akhaltshike weiter in nordöstlicher Richtung nach Tiflis.

Mit meiner Abfahrt ist es dann aber wie so oft: sie verzögert sich ein bisschen. Es steht noch Büroarbeit an. In den letzten fünf Tagen haben sich nämlich so einige Einkaufsbelege angesammelt. Und die wollen alle noch in meine Ausgabenliste übernommen werden. Ordnung muss schließlich sein. Das dauert heut aber ein bisschen länger als sonst, da die Angaben auf den Kassenzetteln in georgischer Schrift gemacht sind und ich daher erstmal rekonstruieren muss, für was ich in den letzten Tagen mein Geld so ausgegeben hab. Dann noch alles in Euro umrechnen und fertig. Wie so oft nach solchen Aktionen nehm ich mir diesmal aber wirklich ganz fest vor, dass ich das ab jetzt immer täglich erledigen werde. Das ist eindeutig besser für die Nerven.

Gegen 10:30 Uhr bin ich dann startklar und kann los. Von Akhaltshike geht es zunächst über kleinere Ortschaften an Feldern und Äckern entlang in Richtung Borjomi-Nationalpark. Ziemlich unspektakulär die Strecke. Dazu ist es brütend heiß, so um die 35°C. Und es regt sich kaum ein Lüftchen. Nicht gerade die Topbedingungen, um unterwegs zu sein. Da ich aber am Flüsschen Mtkvari entlang fahre, hab ich eine Erfrischungsmöglichkeit quasi immer in greifbarer Nähe. Die nutz ich auch und halt öfter an, um schnell mal ins Wasser zu springen. So lässt sich die Hitze ganz gut ertragen. Also doch alles halb so wild.

Mit der Zeit ändert sich das Landschaftsbild dann zusehends. Es wird wieder waldreicher und bergiger. Ich bin jetzt im Borjomi-Nationalpark. Hier siehts ein bisschen aus wie im Schwarzwald. Da fühl ich mich gleich wie zu Hause. Ich übernachte in Borjomi und schaffs am nächsten Tag tatsächlich mal früh zu starten. Allerdings ohne Frühstück und Kaffee. Aber das wird nachgeholt. Ein Morgen ohne Kaffee – nicht, wenns nicht unbedingt sein muss. Gegen 10 finde ich ein schönes Plätzchen direkt am Fluss. Hier genehmige ich mir ein ausgiebiges Frühstück. So eine schöne Kulisse hat man ja auch nicht alle Tage. Es gibt mal wieder ein leckeres Müsli. Haferflocken mit Apfelsaft. Hab ich schon ewig nicht mehr gegessen. Eine Stunde ist schnell rum. Und da ich heut noch einiges an Weg vor mir hab, muss ich mich gegen 11 Uhr langsam wieder auf den Weg machen.

Nach den ruhigen Straßen im Nationalpark finde ich mich ab Kashuri auf einer Bundesstraße wieder. Was ein Kontrast zum heutigen Morgen. In einer Tour donnern jetzt LKWs, Pkws und Busse an mir vorbei. Viele Modelle stammen noch aus Sowjetzeiten. Es ist es dermaßen voll und verqualmt, dass ich für die nächsten Etappen auf jeden Fall wieder auf Nebenstraßen ausweichen werde. Aber wenigstens komm ich schnell voran.

Am frühen Abend erreiche ich Gori. Auf den ersten Blick eine recht unbesondere Stadt, auf jeden Fall nichts für eine längere Pause. Aber ich bleibe trotzdem für einen Tag, weil ich mir unbedingt das Stalinmuseum anschauen möchte. Gori ist nämlich die Geburtsstadt Stalins. Und darauf ist Gori sichtlich stolz. Es gibt eine Stalinallee, einen Stalinplatz und eben das Museum. Sicher eines der ganz wenigen in der Welt. Es ist ein pompöser Prunkbau, der fast schon etwas Palastartiges an sich hat. Viel los ist hier aber trotzdem nicht. Neben zwei anderen Besuchern bin ich der einzige Gast. Ich komm mir fast ein bisschen verloren vor in den riesigen Räumen. Überall Stalinbilder, Skulpturen, Wandteppiche und verschiedenste persönliche Gegenstände. Es erschlägt einen förmlich. Hier wird Personenkult in Reinkultur betrieben, so dass es mir manchmal die Sprache verschlägt. Die Auswahl an Exponaten ist entsprechend selektiv. Das war jedenfalls mein Eindruck. Eine sachlich-distanzierte Darstellung der Geschichte findet faktisch nicht statt. Sicher, man erfährt schon etwas über bestimmte politische Stationen in Stalins Leben, über Frontverläufe im Zweiten Weltkrieg etc., es werden aber auch das Porzellan von Stalins Mutter oder Geschenke von Besuchern an das Museum ausgestellt. Sogar Stalins Wohnhaus steht vor dem Museum, vor der Witterung durch ein großes Überdach geschützt. Nichtsdestotrotz fand ich den Besuch aber ziemlich interessant. Allein, um diese Art Museum mal gesehen zu haben. Schon ziemlich skurril das Ganze.

Neben dem Stalinmuseum schau ich mir auch die Ruinen der Felsenstadt Uplistsikhe in der Nähe von Gori an. Uplistsikhe wurde bereits vor etwa 3000 – 4000 Jahre angelegt und zählt damit zu den ältesten Siedlungsräumen Georgiens. In den Fels sind hier ganze Hallen, Wohnhäuser und verschiedene Versorgungs- und Verteidigungseinrichtungen getrieben und immer mehr erweitert worden. Bis ins 13. Jh. ist Uplistsikhe bewohnt gewesen und wurde dann durch die Mongolen erobert und zerstört. Anders als im Stalinmuseum erfährt man hier allerdings ziemlich wenig über den Ort. Zum Glück hab ich mich im Vorfeld schon etwas informiert gehabt.

Am Abend mach ich noch einen Spaziergang zur Festung von Gori. Das war dann irgendwie auch der entspannendste Teil des Tages. Mit einem kühlen, georgischen Bier setz ich mich auf die Burgmauern und genieß einfach den Blick über die Stadt. Schön. Und sehr lecker….

Am Mittwoch starte ich dann auf die letzte Etappe nach Tiflis. Wie die letzten Tage auch ist es brütend heiß. Im Schatten knapp 38°C. Aber Schatten gibt es nur vereinzelt mal. Ein kleiner Vorgeschmack auf die zentralasiatischen Länder. Längere Phasen wo es kühl ist, wird es in den nächsten Wochen sicherlich nicht mehr geben. Immerhin finden sich aber in doch recht regelmäßigen Abständen Brunnen am Wegesrand, an denen ich meine Wasserflaschen wieder auffüllen kann. Die sind nämlich schneller leer als ich trinken kann.

Die nächsten Tage werd ich jetzt erstmal in Tiflis bleiben. Genug zu sehen gibts hier ja mit Sicherheit. Irgendwann Anfang nächster Woche wird es dann weitergehen Richtung Armenien.

 

 

 

 

 

Berge, Meer und Sommerhitze

Dienstagabend. Ich sitze am Strand von Batumi und genieß nochmal die ganze Szenerie: den Blick aufs Meer, das Rauschen der Wellen und die untergehende Sonne. Es ist kurz vor acht und noch immer ist hier so einiges los. Meistens sind es kleinere Grüppchen, die sich hier und da am Strand verteilen. Dazu kommen immer wieder Händler vorbeigelaufen, die laut rufend ihre Waren anbieten. Hauptsächlich Getränke oder Kleinigkeiten zu essen, irgendwelche Maissnacks oder Brezeln aber auch ganz kuriose Dinge, wie an Schnüren aufgereihte Fische, quasi mit Haut und Haaren und ohne irgendetwas dazu. Was Essen betrifft, bin ich ja eigentlich schon sehr experimentierfreudig, aber zumindest heute Abend wär das mein Fall nicht. Dann schon eher ein kühles Bier. Aber da hab ich vorgesorgt und mir eins mitgebracht. Ein Becks und dazu eine Packung rote Gauloises. Zur Feier des Tages….

Heute bin ich nämlich zum letzten Mal am Schwarzen Meer. Und da brauchts ja auf jeden Fall einen würdigen Rahmen. Irgendwie geht mit dem heutigen Tag wieder eine Etappe meiner Reise zu Ende. Zumindest emotional gesehen. Zum ersten Mal wird mir nämlich die immer größer werdende Entfernung nach Hause bewusst. Bisher hab ich da eigentlich nie groß drüber nachgedacht. Sicherlich auch deshalb, weil ich bisher immer eine vertraute Reisebegleitung in meiner Nähe hatte. Zuerst die Donau und dann das Schwarze Meer. Und beide haben sich auch immer wie eine Direktverbindung nach zu Hause angefühlt – das Schwarze Meer, weil es direkt mit der Donau verbunden ist und die Donau, weil sie fast direkt bis nach Freiburg führt. Ab morgen ist das dann zum ersten Mal nicht mehr so. Ich könnt mir vorstellen, dass sich das Unterwegssein dann erstmal anders anfühlen wird. Mal abwarten. Auf jeden Fall wollt ich heute Abend aber unbedingt nochmal das Meer sehen und dieses letzte Mal ganz bewusst erleben und genießen.

Am Mittwoch gehts für mich dann weiter Richtung Tiflis. Arturo bleibt noch einige Tage in Batumi, da er auf sein Visum für Aserbaidschan warten muss. Das heißt, ich bin vorerst wieder alleine unterwegs. Aber mal sehen, es könnte durchaus möglich sein, dass sich unsere Wege in Tiflis wieder kreuzen. Wie so oft, dauerts am Mittwoch eine ganze Weile bis ich abreisefertig bin. Es ist aber auch einfach zu verlockend ausgiebig zu frühstücken. Gerade dann, wenn man keinerlei Zeitdruck hat und sich in netter Gesellschaft befindet. Aber spätestens nach Arturos dezentem Hinweis, dass es bald halb zwölf ist, seh ich ein, dass ich langsam losfahren sollte, wenn ich heute noch eine annehmbare Etappe schaffen will. Also gut, jetzt oder nie. Schnell alle Taschen rausbringen, nachschauen ob ich nichts vergessen hab, das Fahrrad beladen, noch ein Abschiedsfoto schießen und mich dann noch von allen verabschieden….und schon hat mich die Straße wieder.

Erstmal besorg ich mir eine georgische Sim-Karte. Die brauch ich gar nicht mal so sehr zum telefonieren, sondern um unterwegs einen vernünftigen Internetzugang zu haben. Das kann ja oft ziemlich hilfreich sein. Gerade dann, wenn man eine Unterkunft sucht oder aber, wenn man sich unterwegs mit irgendwem verabreden möchte. Offene Wlan-Netzwerke, wie es sie in ganz Südosteuropa in wirklich jedem Dorf gibt, findet man in Georgien eher selten. Da die Netzabdeckung ansonsten hervorragend ist und ein Datenvolumen von mehreren Gigabyte nur wenige Euro kostet, lohnt sich die Anschaffung einer Sim-Karte in Georgien aber auf jeden Fall.

Als nächstes brauch ich dann noch Proviant. Fürs Abendessen hab ich zwar schon vorgesorgt, aber eine Kleinigkeit für zwischendurch wär nicht schlecht, am besten etwas, was ich einfach während der Fahrt essen kann. Und natürlich ausreichend Flüssigkeit. Am Stadtrand finde ich eine Bäckerei und versorg mich dort mit einem Brot und 1,5 Liter Wasser. Das sollte bis heut Abend reichen. Und dann gehts in östlicher Richtung in die Berge. Zunächst bleibt es aber flach. Zur Einstimmung ist mir das ganz recht. Trotzdem ist es jetzt schon ganz schön anstrengend. Zum einen sind da die fünf Tage Pause und zum anderen ist es schwülwarm mit Temperaturen um die 30 Grad. Ein paar Kilometer hinter Batumi bessert sich die Wetterlage aber zusehends. Es ist zwar immer noch sehr warm, aber die Luftfeuchtigkeit lässt immer mehr nach. Und je weiter ich in die Berge reinkomme, desto angenehmer wirds.

Irgendwann halt ich an, um ein paar Fotos zu machen. Dabei treff ich Pavel aus der Tschechei. Er ist ebenfalls mit dem Rad unterwegs, war im Iran und Armenien und ist jetzt auf dem Weg in die Ukraine. Er muss in zwei Tagen in Batumi sein, um dort die Fähre nach Odessa zu erreichen. Bis dahin hat er aber Zeit und wollte versuchen bis zum Goderdzi–Pass zu fahren. Da das auch meine Richtung ist, machen wir uns zusammen auf den Weg. Irgendwie verrückt. In Europa hab ich kaum Radreisende getroffen. In der Türkei oder jetzt auch in Georgien dafür aber umso mehr.

Ab etwa 18 Uhr fangen Pavel und ich an nach einer geeigneten Übernachtungsmöglichkeit Ausschau zu halten. Da wir in einem Talkessel fahren, bieten sich uns hierfür aber nur begrenzt Möglichkeiten. Es ist irgendwie immer das Gleiche. Meist findet man die tollsten Plätze, wenn es noch viel zu früh ist. Irgendwann haben wir aber Glück und kommen an einer schönen Wiese vorbei. Etwas abseits der Straße, kurz hinter einer Brücke und direkt an einem Bach gelegen. Schnell stehen die Zelte und dann wird gekocht. Heute gibts Bulgur, pikant gewürzt und dazu eine Tomaten-Paprika-Sauce. Äußerst lecker. Findet auch Pavel.

Für den nächsten Tag steht dann eine richtig schöne Bergetappe an. Knapp 60 Kilometer und 1700 Höhenmeter liegen vor uns, wobei sich ein Großteil dieser Höhenmeter auf die letzten 20 Kilometer vor dem Pass verteilt – und das bei recht losem Untergrund. Hinter Khulo hört der Asphalt nämlich auf und es geht auf unbefestigten Wegen steil bergauf. Dazu scheint die Sonne und wie gestern sinds wieder um die 30 Grad. Und das schon seit dem frühen Vormittag. Wir machen daher immer wieder Pausen. Aber trotzdem läufts irgendwie nicht so rund. Die Kilometer ziehen sich endlos in die Länge. Bis Khulo brauchen wir geschlagene vier Stunden, obwohl es bis dahin ja nur knapp 35 Kilometer mit kaum nennenswerten Anstiegen gewesen sind.

Die fangen dafür aber gleich am Ortsausgang von Khulo an. Bei Temperaturen jenseits der 30-Grad-Marke quälen wir uns die Schotterpiste hoch. Nach ein paar Kilometern sieht Pavel aber ein, dass er den Pass heute nicht mehr erreichen kann. Denn heute Abend wollte er ja wieder in der Nähe von Batumi sein. Kurz hinter Khulo dreht Pavel daher wieder um und fährt zurück. Vor mir liegen jetzt noch knapp 20 Kilometer und etwa 1400 Höhenmeter. Und es wär nicht schlecht, wenn ich bis zum Einbruch der Dunkelheit auf dem Pass wäre und einen Platz für mein Zelt hätte.

Als wärs geplant gewesen, erreiche ich gegen 20 Uhr den Pass. Ein Honigverkäufer begrüßt mich gleich mal mit einem Glas Wodka. Ich hab kaum ausgetrunken, da möchte er schon nachschenken. Ich lehn aber dankend ab, denn ich brauch ja noch einen Schlafplatz. Den finde ich knapp zwei Kilometer hinter dem Pass an einem Berghang. Alt werd ich da aber nicht mehr. Ich ess noch mein Brot auf, was ich in einer kleinen Berghütte gekauft habe und geh dann schlafen. Also heut hab ich mir meine Nachtruhe redlich verdient.

Gestern Nachmittag schließlich bin ich in Akhaltsikhe angekommen. Hier in der Nähe hab ich mir heute die Höhlenstadt Vardzia angesehen. Ich denk mal, dass es morgen dann weiter in Richtung Tiflis geht. Aber ganz sicher bin ich mir noch nicht. Da muss ich morgen früh mal hören, was mein Bauch mir sagt

 

Güle Güle Türkiye

Mittwoch Morgen in Trabzon. Eigentlich wollt ich heut ja richtig früh aufstehen. 6:30 Uhr hatte ich angepeilt, aber so ganz geklappt hat das nicht. Der gestrige Iftar-Abend war dafür dann doch zu lang gewesen. Als ich am Frühstückstisch sitze, ist es fast acht. Das heißt also, schnell alles aufessen, was Elif vorbereitet hat. Dann könnts noch für zwei genussvolle Tassen Kaffee reichen. Arturo war heut mal früher wach als ich und sitzt schon eine Weile am Tisch. Wir haben uns hier im Hostel kennengelernt und wollen zusammen Richtung Batumi fahren. Und um schön entspannt radeln und viele Pausen machen zu können, hatten wir unsere Abreise auf 8 Uhr terminiert. Aber das war sicher etwas überambitioniert gewesen. Und Arturo ist ja auch nicht so unglaublich viel früher wach gewesen als ich.

Ist aber alles nicht schlimm, für die Etappe, die wir uns heute vorgenommen haben, wäre auch 10 Uhr noch im Rahmen. So ganz schaffen wir das aber auch nicht, da wir uns vor dem Hostel noch verquatschen und außerdem ja auch noch ein paar Abschiedsfotos machen müssen. Aber gegen 10:15 Uhr ist es dann tatsächlich so weit. Wir rollen bei Elif vom Hof in Richtung Fernverkehrsstraße, die uns, wieder direkt am Meer entlang, bis nach Batumi bringen wird. Und das Beste ist: ich hab mein iranischen Visum im Gepäck. Unglaublich. Was war das doch für eine Rennerei und Warterei gewesen. Dass das noch geklappt hat. Genial!!

Insgesamt 12 Tage musste ich in Trabzon warten. Da müsste ich ja eigentlich froh sein endlich weiter zu kommen. Das stimmt auch ein Stück weit, aber irgendwo bin ich auch ein bisschen wehmütig, dass die Zeit in Trabzon vorbei ist. Letztendlich war es hier doch ganz schön gewesen. Hätt ich am Anfang gar nicht gedacht. Vermissen werd ich auf jeden Fall die Iftarabende mit Holger, Fatih und Fikret und ganz besonders auch Elif, unsere sympatisch-exzentrische Hostelbesitzerin, die nach Kräften geschaut hat, dass es einem an nichts fehlt und mir selbst bei ganz vielen Dingen geholfen hat: über einen Laden in Istanbul hat sie mir Ersatz für mein defektes Kameraobjektiv beschafft, sie hat mich zur Bank und zum Frisör begleitet und übersetzt und vor allem hat sie immer wieder versichert, dass das mit meinem iranischen Visum bestimmt klappen wird. Und so hab ich mich hier richtig wohl fühlen können.

Von Elifs Hostel fahren Arturo und ich einmal quer durch die Innenstadt von Trabzon. Groß verfahren kann man sich nicht. Es geht einfach immer bergab, bis man am Meer ist. Und dann brauchen wir uns nur noch rechts halten und der D-010 folgen. Landschaftlich hat sich in den letzten 300 Kilometern kaum etwas getan. Links das Meer und rechts die Berge. Und zwischendrin immer wieder kleinere Ortschaften. Man könnt ja meinen, dass es kaum eine schönere Kulisse zum Radfahren gibt, aber nach so vielen Tagen und Kilometern wär ich auch nicht traurig um eine kleine Abwechslung. Damit muss ich aber noch bis Batumi warten.

Arturo und ich lassens ganz gemütlich angehen. Wir machen immer mal wieder eine Pause und gehen entweder irgendwo einen Kaffee trinken oder kaufen uns etwas zum Essen und Trinken und setzen uns damit ans Meer. Voll entspannt. An einem Strand bauen wir abends unsere Zelte auf. Die Besitzer, die dort ein Büfett betreiben, haben nichts dagegen. Im Laufe des Abends kommen sie immer mal wieder vorbei, schauen sich ganz interessiert Zelt und Ausrüstung an oder bringen ein Gläschen Tee vorbei.

Am Donnerstag fahren wir dann recht früh los. Also für unsere Verhältnisse. Gegen 9:30 Uhr sind wir startklar und machen uns auf den Weg Richtung Georgien. Ich bin schon ganz aufgeregt. Die 80 Kilometer bis zur Grenze legen wir aber wieder im Schneckentempo zurück, halten alle 20, 30 Kilometer an und legen eine Pause ein. Aber wir haben ja Zeit. Sind ja schließlich auch früh gestartet…

Die Grenze zu Georgien ist dann mal eine Grenze, wie sie im Buche steht. Hier herrscht absoluter Hochbetrieb. Zumindest auf türkischer Seite. Schon Kilometer vor der Grenze stehen ganze LKW-Kolonnen am Straßenrand und warten auf ihre Abfertigung. An der Grenze selbst warten wiederum viele Georgier auf ihre Einreise. Fast alle haben volle Taschen dabei und waren in der Türkei Bekleidung kaufen. Die ist dort wohl recht preiswert, zumindest im grenznahen Bereich.

Arturo und ich schlängeln uns auf der LKW-Spur bis vor zur Passkontrolle. Dort werden wir erstaunlicherweise auch ziemlich zügig abgefertigt. Ausreisestempel in den Pass, ein bisschen Smalltalk – fertig. Die Einreise nach Georgien ist fast ebenso schnell passiert. Nur eine kleine Schlange von Wartenden steht vor uns am Schalter. Ich hab bei dem Ansturm draußen schon Schlimmes befürchtet. Nach der Passkontrolle steht dann noch die Gepäckkontrolle an. Die erspart man sich bei uns aber. Sehr zur Freude der hinter uns Wartenden. Allerdings werden unser Gepäck und wir selbst von einem Spürhund in Augenschein genommen. Das was er sucht, findet er bei uns aber nicht und daher können wir gleich weiter und haben auch das geschafft. Und dann sind wir in Georgien.

Was ein krasser Wechsel innerhalb von nur wenigen Metern. Genau wie nach der Einreise in die Türkei komm ich mir vor wie in einer anderen Welt. Neben der Sprache ist auf einmal auch die Schrift eine andere, es gibt anderes Geld und einen neuen Umrechnungskurs und dazu merkt man, dass man sich nicht mehr in einem muslimischen Land zur Zeit des Ramadan befindet. Leicht bekleidete Menschen laufen durch die Straßen und liegen am Strand in der Sonne. In der Türkei waren die Strände ja praktisch leer gefegt. Dazu wird überall gegessen und getrunken, obwohl es noch gar nicht 20 Uhr ist. Man meint gar nicht, wie schnell man sich an solche Dinge gewöhnen kann. Und dann ist es umso unglaublicher, wenn es auf einmal wieder ganz anders ist. So, wie man es eigentlich kennt. Und trotzdem fühlt es sich irgendwie ungewohnt an, das scheinbar so Normale. Auch die Zeit ist eine andere als noch vor 20 Minuten. Eine Stunde Unterschied zur Türkei, zwei zu Deutschland. Auf einmal kommt mir Deutschland unendlich weit weg vor. Und die Türkei erst…

So viele neue Eindrücke muss ich erstmal sacken lassen. Da kommt mir Batumi gerade recht. Hier haben Arturo und ich ein Hostel gefunden und sicher bleiben wir erstmal zwei, drei Tage. Anfang nächster Woche wirds dann weiter gehen. Über die Berge Richtung Tiflis.